Cimicifuga

Extrakte aus Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa, Actaea racemosa, «black cohosh») werden zur Behandlung von Beschwerden in den Wechseljahren empfohlen. In der Schweiz sind Cimifemin®, Climavita® und Maxifem eco natura® kassenzulässig.

Biologie/Pharmakologie

Die Traubensilberkerze ist eine ursprünglich in Nordamerika beheimatete Staude aus der Familie der Hahnenfussgewäche (Ranunculaceae), die auch in Europa kultiviert werden kann.

Cimicifuga-Präparate werden mittels alkoholischer Extraktion aus dem Wurzelstock der Traubensilberkerze gewonnen. Es ist unklar, welche Substanzen in welcher Weise biologisch aktiv sind. Isoliert wurden unter anderem Triterpenglykoside (Actein und Cimifugosid), nach deren Gehalt die Extrakte standardisiert werden können.(1,2)

Die Erkenntnisse zur Pharmakologie von Cimicifuga-Extrakten sind bruchstückhaft und teilweise widersprüchlich. Frühere Studien deuteten auf eine östrogenartige Wirkung hin. Neuere Untersuchungen sprechen eher dagegen, dass bei Cimicifuga Phytoöstrogene eine wesentliche Rolle spielen.(2) Einzelne Fachleute postulieren eine selektive Modulation von Östrogenrezeptoren ähnlich wie z.B. bei Raloxifen (Evista®) oder Tamoxifen (Nolvadex® u.a.).

In einer systematischen Übersicht wurden 15 tierexperimentelle Studien und 15 Studien mit in-vitro-Daten zusammengefasst. Diese Übersicht kommt zum Schluss, Cimicifuga hätte keine hormonale, sondern eine zentralnervöse Wirkung.(3)

Pharmakokinetik

Studien zur Resorption, zur Bioverfügbarkeit oder zum Metabolismus der Inhaltstoffe von Cimicifuga-Extrakten sind nicht vorhanden.

Klinische Studien

Die meisten randomisierten Studien mit Traubensilberkerze wurden in den 1980er Jahren durchgeführt.

Placebokontrollierte Studien

In einer Studie wurden 80 Frauen während und nach der Menopause doppelblind für 12 Wochen mit zweimal täglich 2 Tabletten zu 20 mg Cimicifuga-Extrakt oder mit einmal täglich 0,625 mg konjugierten Östrogenen (Premarin® u.a.) oder mit Placebo behandelt. (In dieser Studie wurde somit die doppelte der üblicherweise empfohlenen Cimicifuga-Dosis verwendet.). Alle Frauen litten an Hitzewallungen und zusätzlichen neurovegetativen oder psychischen Symptomen. Nach 4, 8 und 12 Wochen hatten in der Cimicifuga-Gruppe sowohl die neurovegetativen wie auch die psychischen Symptome signifikant stärker abgenommen als in der Östrogen- und in der Placebo- Gruppe. Interessanterweise zeigte Cimicifuga auch bezüglich Proliferation des Vaginalepithels einen grösseren Effekt als die Östrogene oder Placebo.(4)

In einer neueren kontrollierten Studie wurde ein Cimicifuga- Präparat (zweimal täglich 1 Tablette zu 20 mg Extrakt) bei 85 Frauen, die wegen eines Mammakarzinoms behandelt worden waren, mit Placebo verglichen. Die Mehrzahl der Frauen waren unter Therapie mit Tamoxifen und alle litten täglich an Hitzewallungen. Während der Studiendauer von 60 Tagen nahmen die Hitzewallungen unter Cimicifuga und Placebo ab. Es fand sich insgesamt kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Lediglich bezüglich Schwitzen war die Verbesserung in der Interventionsgruppe signifikant grösser.(5)

Ebenfalls in einer Dosis von zweimal täglich 20 mg wurde ein Cimicifuga-Präparat in einer Doppelblindstudie bei 62 Frauen untersucht, die nach der Menopause täglich mindestens 3 Hitzewallungen hatten. Als Vergleich wurde je eine Gruppe mitkonjugierten Östrogenen (0,6 mg täglich) oder mit Placebo behandelt. In allen Gruppen nahmen die Menopause- Beschwerden während der dreimonatigen Behandlung signifikant ab. Die Besserung der Beschwerden war in der Cimicifuga- und in der Östrogen-Gruppe etwas grösser als in der Placebo- Gruppe, die Unterschiede erreichten grenzwertige Signifikanz (p=0,05). Unter der Östrogen-Behandlung nahmen die Dicke des Endometriums und die Proliferation des Vaginalepithels signifikant stärker zu als in den beiden anderen Gruppen.(6)

Offene Studien

In zwei offen geführten Studien aus den 80er Jahren war ein Cimicifuga-Präparat bezüglich Hitzewallungen etwa ähnlich wirksam wie eine Hormon-Ersatzbehandlung. In der einen Studie wurden 60 hysterektomierte Frauen mit mindestens einem erhaltenen Ovar untersucht. Cimicifuga wurde mit Estriol, konjugierten Östrogenen oder einer Östrogen-Gestagen- Sequenztherapie (Trisequens®) verglichen. In dieser relativ kleinen Studie fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen.(7)

In der anderen Studie erhielten 60 Frauen im Alter zwischen 45 und 60 Cimicifuga, konjugierte Östrogene oder Diazepam (z.B. Valium®; 2 mg täglich). Auch hier wurden die untersuchten Symptome in allen drei Gruppen in ähnlichem Ausmass verbessert. (8)

In einer weiteren offen geführten Studie mit einem Cimicifuga- Extrakt wurde auf eine Vergleichsintervention verzichtet: 136 Frauen, die nach Behandlung eines Mammakarzinoms Tamoxifen erhielten, wurden behandelt. Unter Cimcifuga wurden Anzahl und Intensität der Hitzewallungen signifikant stärker reduziert als in der Gruppe ohne Therapie.(9)

Unerwünschte Wirkungen

Auch die Datenbasis bezüglich unerwünschter Wirkungen von Traubensilberkerze-Extrakten ist schmal. Einige Studienberichte erwähnen überhaupt keine unerwünschten Wirkungen. Nach anderen Berichten können Kopfschmerzen, Unruhe, Gewichtszunahme, Brechreiz, Magen-Darm-Beschweren, Exantheme, Endometrium-Hyperplasie oder vaginale Blutungen beobachtet werden. Ob Cimicifuga-Präparate tatsächlich Östrogen-artige Nebenwirkungen verursachen, ist umstritten. Da die Extrakte Salizylate enthalten, könnten sie bei Salizylat- Unverträglichkeit Probleme verursachen. Angeblich wurden aber seit 1956 in Deutschland keine schwereren Nebenwirkungen gemeldet.(1)

Weil Cimicifuga allenfalls langfristig eingenommen wird, ist von Bedeutung, dass bisher keine kontrollierte Studie länger als 6 Monate gedauert hat.

In mehreren Fällen von schwerer Hepatotoxizität wurde in Australien ein Zusammenhang mit Cimicifuga vermutet. Besonders in einem Fall erscheint Cimicifuga als auslösender Faktor wahrscheinlich, da die Frau das Mittel erst seit einer Woche und daneben keine anderen Medikamente eingenommen hatte.10 Ein einzelner Fallbericht existiert auch zu einem zerebralen Krampfanfall unter Cimicifuga und anderen Phytotherapeutika. (2)

Zur Behandlung während der Schwangerschaft und Stillzeit fehlen Untersuchungen. Möglicherweise können Cimicifuga- Präparate Wehen induzieren, weshalb von der Anwendung in der Schwangerschaft abgeraten wird.(2)

Interaktionen

Es sind bisher keine pharmakokinetischen Interaktionen von Cimicifuga-Präparaten bekannt. Im Zellkultur-Versuch wurde die hemmende Wirkung von Tamoxifen auf bestimmte Brustkrebszell-Linien durch Cimicifuga-Extrakte verstärkt. Die klinische Bedeutung dieser Beobachtung ist nicht bekannt. (2)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

In der Schweiz sind zwei unterschiedliche Cimicifuga-Präparate kassenzulässig. Das in Cimifemin® enthaltene Extrakt entspricht «20 mg Wurzelstock» pro Tablette; von diesem Präparat soll täglich zweimal 1 Tablette eingenommen werden. Climavita®/Maxifem®-Filmtabletten enthalten 6,5 mg Extrakt aus dem Wurzelstock, entsprechend «40 mg der pflanzlichen Droge». Von diesem Präparat soll täglich 1 Tablette genommen werden.

Für beide Präparate wird wegen eines verzögerten Wirkungseintritts eine Behandlung von mindestens 6 Wochen empfohlen. Für Climavita®/Maxifem® wird in Übereinstimmung mit den Empfehlungen in Deutschland eine Behandlungsdauer von maximal 6 Monaten angegeben. Bei diesen beiden Präparaten werden auch eine Überempfindlichkeit auf Hahnenfussgewächse und «östrogenabhängige Tumoren» als Kontraindikationen genannt.

Bei Verwendung der grössten Packung verursacht eine Behandlung monatliche Kosten von CHF 23.45 (Cimifemin®) bzw. CHF 22.45 (Climavita®/Maxifem®). Sie kostet damit etwa doppelt so viel wie eine niedrig dosierte Behandlung mit konjugierten Östrogenen.

Kommentar

Seit das ungünstige Nutzen-Risiko-Verhältnis der Hormonersatzbehandlung belegt werden konnte, ist das allgemeine Interesse an anderen Behandlungsmöglichkeiten für Hitzewallungen angewachsen. Ist die Traubensilberkerze nun eine gute Alternative? Die vorhandenen Daten lassen schwere Zweifel aufkommen. Die wenigen placebokontrollierten Studien zeigten nur teilweise positive Resultate. Es ist durchaus denkbar, dass andere Studien (mit negativen Resultaten) gar nie publiziert worden sind. Ein überzeugender Wirksamkeitsnachweis liegt jedenfalls nicht vor. Einzelne Fachleute begrüssen zwar die Tatsache, dass einige Studien vorteilhafte Resultate ergaben, weisen jedoch auf den offensichtlichen Mangel an Langzeitdaten hin.(11) Eine systematische Übersicht kommt schliesslich zur Folgerung, die klinische Wirksamkeit von Cimicifuga sei bisher nicht genügend nachgewiesen.(12)

Standpunkte und Meinungen

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Cimicifuga (7. September 2004)
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pharma-kritik, 26/No. 7
PK102
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