Intervallbehandlung der Migräne

Mini-Update

Bei Personen, die häufig Migräneanfälle haben, stellt sich die Frage nach einer Intervallbehandlung zur Prophylaxe von Anfällen.

Was stand zu diesem Thema in der pharma-kritik?

Ein Text zur Intervallbehandlung der Migräne wurde in unserer Zeitschrift vor rund 23 Jahren veröffentlicht.(1) Eine Übersicht zur Behandlung der Anfälle (mit Triptanen) liegt dagegen nicht so weit zurück.(2)

Eine neue unabhängige Übersicht zum Thema

In der Zeitschrift «La Revue Prescrire» wurde im April 2006 eine aktuelle Übersicht zur medikamentösen Prävention von Migräneanfällen publiziert.(3) Diese stützt sich in erster Linie auf Arbeiten der «Cochrane Collaboration» sowie auf mehrere Richtlinien. Eine Therapie gilt in der Regel als wirksam, wenn sie die Zahl der Migräneanfälle pro Monat mindestens um die Hälfte reduziert. In den Studien lässt sich eine solche Wirkung bei etwa 30% der Behandelten auch unter Placebo beobachten («Placebo-Responder»).

Der Betablocker Propranolol (Inderal® u.a.) wird auch heute noch als das wirksamste Medikament zur Migräneprophylaxe bezeichnet. Etwas mehr als die Hälfte der Behandelten sprechen gut auf Propranolol an; vier Personen müssen behandelt werden, dass eine von Propranolol profitiert (NNT = 4). Andere Betablocker sind weniger gut dokumentiert und sind jedenfalls nicht wirksamer als Propranolol. Propranolol ist aber wie alle Betablocker nicht frei von Problemen (Müdigkeit, kalte Extremitäten, Bradykardie), die im Einzelfall zu berücksichtigen sind.

Unter den Antiepileptika gilt die Valproinsäure (Convulex® u.a.) und besonders das in der Schweiz nicht erhältliche Derivat Divalproex als verhältnismässig gut wirksam. Die Valproinsäure verursacht allerdings verschiedene Nebenwirkungen; bei jungen Frauen ist insbesondere auch an die teratogene Wirkung der Substanz zu denken. In der Schweiz ist die Valproinsäure zur Migräneprophylaxe nicht zugelassen, wohl aber Topiramat (Topamax®). Das letztere wird jedoch in der «Revue Prescrire» wegen seiner neurologischen und psychischen Nebenwirkungen negativ beurteilt.(4) Andere Antiepileptika fallen ausser Betracht. Von den Antidepressiva ist Amitriptylin (Saroten® u.a.) wirksamer als Placebo, verursacht jedoch relativ häufig anticholinerge Nebenwirkungen, eine Gewichtszunahme und eine Sedation. Andere Antidepressiva wie z.B. Fluoxetin (Fluctine® u.a.) sind nicht überzeugend dokumentiert und werden besser vermieden.

Flunarizin (Sibelium®), in der Schweiz ebenfalls zur Migräneprophylaxe zugelassen, wird als mässig wirksam und wegen seiner unerwünschten Wirkungen (extrapyramidale Effekte, Depression, Schläfrigkeit) als unbefriedigend bezeichnet.

Die wohl schon am längsten verwendeten Medikamente sind die Mutterkornderivate. Methysergid (Deseril®) kann bekanntlich in seltenen Fällen eine schwere retroperitoneale Fibrose verursachen und ist heute in der Schweiz nicht mehr erhältlich. Dihydroergotamin (Dihyergot®) ist dagegen als Intervallbehandlung zugelassen; leider ist seine Wirksamkeit nach wie vor völlig ungenügend dokumentiert.

Unter den Serotoninantagonisten ist ausserdem Pizotifen (Mosegor ®) zu nennen, dessen Wirksamkeit als Migräneprophylaktikum einigermassen befriedigend dokumentiert ist. Pizotifen führt zu Gewichtszunahme, Somnolenz und anticholinergen Effekten.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Medikamente, die vereinzelt empfohlen werden, deren Wirksamkeit aber nicht überzeugend nachgewiesen wurde.

Eine medikamentöse Intervallbehandlung ist nur indiziert, wenn monatlich mindestens viermal eine Anfallstherapie notwendig ist. Dabei ist den im Einzelfall auftretenden unerwünschten Wirkungen Rechnung zu tragen. Ist die Therapie erfolgreich, so soll nach 6 bis 12 Monaten versucht werden, das Medikament wieder abzusetzen.

Schlussfolgerungen

Viel Neues gibt es bei der Intervallbehandlung der Migräne nicht. Die Antiepileptika (Valproinsäure, Topiramat) sind nicht wirksamer als Propranolol und haben mehr unerwünschte Wirkungen. Heute wie früher trifft zu, dass es keine «wirklich befriedigende und bei der Mehrzahl der Patienten über längere Zeit wirksame Intervalltherapie gibt».(1) Dass neben der medikamentösen Prophylaxe auch verschiedene nicht-medikamentöse Massnahmen berücksichtigt werden müssen, kommt im pharma- kritik-Text aus dem Jahr 1983 gut zum Ausdruck.

Zusammengefasst und kommentiert von E. Gysling

Literatur

  1. 1) Ludin HP. pharma-kritik 1983; 5: 69-72 (pdf)
  2. 2) Spanaus K. pharma-kritik 1998; 20: 45-8
  3. 3) Anon. Rev Prescrire 2006; 26: 276-81
  4. 4) Anon. Rev Prescrire 2006; 26: 252

Standpunkte und Meinungen

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Intervallbehandlung der Migräne (22. August 2006)
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pharma-kritik, 28/No. 1
PK147
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