Omalizumab

Synopsis

Omalizumab (Xolair®) steht zur subkutanen Therapie des schweren allergischen Asthma bronchiale zur Verfügung.

Chemie/Pharmakologie

Beim allergischen Asthma bronchiale bilden sich nach Inhalation von Allergenen (Pollen, Tierhaare u.a.) allergenspezifische IgE-Antikörper, die sich an Rezeptoren von Mast- und basophilen Zellen binden und die Freisetzung von Entzündungsmediatoren einleiten.

Omalizumab ist ein rekombinanter monoklonaler IgGAntikörper, der gegen IgE gerichtet ist. Die Substanz macht sich an der Fc-Region der IgE-Antikörper fest, die zur Bindung an den Rezeptor dient, wodurch biologisch inaktive Omalizumab- IgE-Komplexe entstehen. Omalizumab inaktiviert unspezifisch frei zirkulierende IgE-Antikörper und vermindert deren
Konzentration im Serum um 90 bis 99%. IgE-Antikörper, die bereits auf der Zelloberfläche sitzen, werden durch Omalizumab nicht tangiert.(1,2)

Pharmakokinetik

Omalizumab wird nach subkutaner Verabreichung sehr langsam resorbiert, so dass maximale Plasmaspiegel erst nach über 5 Tagen erreicht werden. Die biologische Verfügbarkeit beträgt 62% (beim Oberarm als Injektionsstelle).

Sowohl das freie wie das an IgE gekoppelte Omalizumab werden im retikulo-endothelialen System der Leber abgebaut; freies Omalizumab wird auch unverändert über die Galle ausgeschieden. Der Omalizumab-IgE-Komplex wird rascher
eliminiert als freies Omalizumab; da mit steigender Dosis der Anteil an freiem Omalizumab zunimmt, ist die Clearance von Omalizumab dosisabhängig. Die Halbwertszeit beträgt 35 bis 40 Tage. Leber- oder Niereninsuffizienz haben vermutlich keinen Einfluss auf die Elimination.(3)

Klinische Studien

Mit Omalizumab wurden mehrere placebokontrollierte Doppelblindstudien bei verschiedenen Asthma-Schweregraden
durchgeführt. In der Regel dauerten sie ein halbes Jahr, zwei Studien wurden um ein weiteres halbes Jahr verlängert. Die allergische Ursache des Asthmas musste jeweils durch einen positiven Hauttest und eine erhöhte IgE-Konzentration im Serum bestätigt sein.

Von diesen Studien betrifft indessen nur eine exakt das Kollektiv, für welches das Medikament zugelassen ist. Sie zählte
419 Personen im Alter zwischen 12 und 75 Jahren mit schwerem Asthma, die trotz inhalativer Therapie mit einem hochdosierten Steroid und einem langwirkenden Betamimetikum Exazerbationen erlitten hatten, die systemisch verabreichte Steroide oder sogar eine Hospitalisation erforderten. Unter Weiterführung der Basisbehandlung – die bei über 20% der Teilnehmenden auch ein oral eingenommenes Steroid einschloss – wurde Omalizumab oder Placebo verabreicht. Die Dosis von Omalizumab richtete sich nach Körpergewicht und Höhe des IgE-Titers: sie betrug mindestens 0,016 mg/kg pro IU/ml IgE monatlich, wobei höhere Dosen auf zwei Injektionen pro Monat verteilt wurden.

Primärer Endpunkt war die durchschnittliche Zahl der Asthmaexazerbationen, bei denen eine systemische Steroidbehandlung nötig wurde; sie betrug nach 28 Wochen bei Omalizumab 0,68, bei Placebo 0,91. In diesem Ausmass beruhte die Differenz allerdings auf einer Post-hoc-Analyse, in die einbezogen wurde, dass die mit Omalizumab Behandelten vor der Studie häufiger von Exazerbationen betroffen gewesen waren; ohne diese Korrektur wäre der Unterschied statistisch nicht signifikant gewesen.(4)

Diese Untersuchung ist mit den anderen kontrollierten Studien, die sich mit weniger schweren Asthmafällen befasst hatten, in einer Cochrane-Metaanalyse zusammengefasst worden. Die Daten beziehen sich auf eine halbjährige Behandlung mit Omalizumab, kombiniert mit inhalativ oder oral verabreichten Steroiden. Mit Omalizumab wurde die durchschnittliche Zahl der Asthmaexazerbationen um 0,18 vermindert bzw. die «Odds Ratio», eine Asthmaexazerbation zu erleiden, auf 0,55 gesenkt. Ebenfalls war der Anteil der Behandelten, bei denen die inhalativen Steroide in ihrer Dosis reduziert oder abgesetzt werden konnten, bei Omalizumab signifikant höher als bei Placebo (wobei man die Relevanz dieses Effekts aber im Licht der hohen Kosten von Omalizumab einschätzen muss). Omalizumab führte auch, ermittelt mit Hilfe eines asthmaspezifischen Fragebogens, zu einer Verbesserung der Lebensqualität; der Unterschied gegenüber Placebo wurde aber nicht als klinisch bedeutsam beurteilt. Keine übereinstimmende Verbesserung war bei Omalizumab hinsichtlich der Lungenfunktionsparameter zu erkennen.(5)

Unerwünschte Wirkungen

Nebenwirkungen, die unter Omalizumab häufiger auftraten als unter Placebo, waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Hautausschläge und Urtikaria, gastrointestinale Probleme (Übelkeit, Durchfall, Bauchschmerzen, Appendizitis), Blutungsereignisse (Epistaxis, Menorrhagie), Dysmenorrhoe, Arthralgien sowie ein leichtes Absinken des Hämoglobinspiegels und der Thrombozytenzahl (im Tierversuch kamen unter höheren Dosen auch Thrombozytopenien vor). Selten können sich anaphylaktische Reaktionen einstellen.

Infolge der IgE-hemmenden Wirkung ist auch ein erhöhtes Risiko für parasitäre Infektionen anzunehmen. In den klinischen Studien beobachtete man bei Omalizumab im Vergleich zu Placebo eine etwas höhere Inzidenz von malignen Tumoren; ein kausaler Zusammenhang lässt sich nicht mit Sicherheit ausschliessen, auch weil als plausibles Argument im Raum steht, dass IgE-Antikörper möglicherweise einen gewissen Schutz vor Neoplasien vermitteln.(3,6)

Interaktionen

Interaktionen sind bislang nicht nachgewiesen worden und nicht zu erwarten.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Omalizumab (Xolair®) wird als Stechampullen zu 150 mg für die subkutane Injektion angeboten. Es ist zugelassen für Personen über 12 Jahre als Zusatzbehandlung bei schwerem Asthma, dessen allergische Genese bestätigt ist und bei dem trotz regelmässiger inhalativer Therapie mit Steroiden und langwirkenden Betamimetika Exazerbationen auftreten. Das Mittel eignet sich nicht zur Behandlung von akuten Asthmasymptomen und soll nicht bei anderen allergischen Krankheiten verwendet werden. Wenn sich nach einer 16-wöchigen Behandlung keine Wirkung abzeichnet, soll man Omalizumab absetzen.

Die Dosis richtet sich nach Körpergewicht und IgE-Spiegel: sie beträgt im Minimum 1-mal 75 mg/Monat, im Maximum 2-mal 375 mg/Monat. Falls Körpergewicht oder IgE-Spiegel über einem definierten Bereich liegen, darf Omalizumab nicht verschrieben werden. Die Anwendung in der Schwangerschaft ist nicht untersucht und zu vermeiden. In der Stillzeit sollte entweder auf das Medikament oder aufs Stillen verzichtet werden. Die Kosten für Omalizimab belaufen sich bei einer 70 kg schweren Person pro Monat auf 705.30 bis 3526.50 Franken und werden von den Krankenkassen getragen.

Kommentar

Omalizumab vermag zwar in ausgewählten Fällen von schwerem allergischem Asthma das Risiko von Exazerbationen zu
senken, wobei angesichts des immensen Preises klarer definiert sein müsste, welche Asthmakranken am ehesten von diesem Mittel profitieren. Dazu gehörten auch kontrollierte Vergleiche mit den anderen Substanzen, die bei schwerem Asthma als Zusatz zur inhalativen Behandlung in Frage kommen (Theophyllin, Leukotrien-Rezeptorantagonisten). In Schottland hat sich die zuständige Arbeitsgruppe gegen Omalizumab als kassenpflichtiges Medikament geäussert, weil kein positiver Kosten-Nutzen-Effekt vorhanden sei (7) – was bei der firmenunterstützten britischen Patientenorganisation «Asthma UK» natürlich den zu erwartenden Widerspruch provozierte ...

Nötig wären verlässliche Langzeitdaten nicht nur, weil Omalizumab eine teure Behandlung für eine chronische Krankheit ist, sondern auch, weil die Besorgnis beseitigt sein will, dass eine umfassende IgE-Hemmung gravierende Nachteile wie zum Beispiel einen verminderten Schutz vor Tumoren bedeuten würde.

Standpunkte und Meinungen

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Omalizumab (15. Januar 2007)
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pharma-kritik, 28/No. 10
PK160
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