Nebenwirkungen aktuell

TOPIRAMAT

Topiramat ist ein neueres Antiepileptikum, das sowohl
zur Kombinations- als auch Monotherapie von fokalen
und generalisierten Anfällen zugelassen ist. Möglicherweise
ist es wie einige andere Antiepileptika auch
wirksam zum Beispiel bei bipolaren Störungen oder bei
der Schmerz- und Migränebehandlung. Neben zentralnervösen
Störungen gehören Gewichtsabnahme, Leberschäden
und Nephrolithiasis zu den bekannten Nebenwirkungen.
Informationen zu Topiramat liefern:

Masche UP, Urscheler N. pharma-kritik 2003; 25: 21-4
Langtry HD et al. Drugs 1997; 54: 752-73 [Medline]
Jette NJ et al. Cochrane Database Syst Rev 2002; (3):
CD001417 [Medline]

Markenname: Topiramat = Topamax®


Ophthalmologische Probleme

Wie alle Antiepileptika kann Topiramat in höheren Dosen zu Nystagmus und Diplopie führen. Für das Auge bestehen noch andere Gefahren, wie Fälle eines Engwinkelglaukoms vor drei Jahren ankündigten. 115 Spontanmeldungen sind unterdessen zusammengekommen, die über ophthalmologische Nebenwirkungen von Topiramat berichten. 86 Meldungen beschreiben ein sekundäres Engwinkelglaukom, in 83 Fällen doppel- und in 3 Fällen einseitig. Die mediane Behandlungsdauer bis zum Auftreten des Glaukoms betrug 7 Tage. Die Symptome, am häufigsten war verschwommenes Sehen, setzten akut ein. Bei 23 Personen wurde festgehalten, dass sich das Engwinkelglaukom nach Absetzen von Topiramat ohne weitere Behandlung zurückbildete. Es wurden 3 Fälle eines positiven «Rechallenge » dokumentiert. 7 Personen erlitten einen bleibenden Sehverlust.
Bei 17 Personen trat unter Topiramat eine akute beidseitige Myopie auf, die bis 8,75 Dioptrien stark war und mit dem Absetzen von Topiramat binnen Tagen bis Wochen verschwand. Als weitere ophthalmologische Nebenwirkungen wurden suprachoroidale Flüssigkeitsansammlung, Ödem des Ziliarkörpers, Muskelstörungen (Blepharospasmus, oculogyre Krise), Skleritis sowie periokuläre Schmerzen und Ödeme gemeldet. Wenn unter Topiramat ein Engwinkelglaukom auftritt, soll das Antiepileptikum – nach Rücksprache mit der neurologischen Fachperson, die das Mittel verschrieben hat – abgesetzt werden. Gleichzeitig soll man das Glaukom behandeln, wobei man wegen der Gefahr eines Pupillarblocks auf Miotika verzichten soll; auch Iridotomien oder -ektomien scheinen nicht von Nutzen.

Fraunfelder FW et al. Ophthalmology 2004; 111: 109-11 [Medline]

Metabolische Azidose

E in 20-jähriger Mann, bei dem seit zwei Wochen Kopfschmerzen, Verwirrtheit, starke Schläfrigkeit, aber auch Rauflust bestanden, suchte die Notfallstation auf. Seit fünf Jahren wurde er wegen einer Epilepsie mit Valproinsäure (Convulex® u.a.) und Phenytoin (Epanutin® u.a.), seit neun Monaten zusätzlich mit Topiramat (zweimal 200 mg/Tag) behandelt. Bei Eintritt waren die Vitalzeichen normal; die Atemfrequenz betrug 14 pro Minute. Er war zeitlich nicht orientiert, sprach undeutlich und schielte intermittierend. Bei den Laboruntersuchungen waren die Leberwerte normal, hingegen bestand eine erhöhte Chloridkonzentration (120 mmol/l) und eine erniedrigte Bikarbonatkonzentration (zunächst 12, später 8 mmol/l). Die Plasmaspiegel der Antiepileptika bewegten sich im unteren Normbereich. Im Computertomogramm liess sich ein Hirnödem nachweisen. Eine Zustandsverbesserung trat erst ein, als man Bikarbonat infundierte und Topiramat absetzte. (Eine Blutgasanalyse fand ein einziges Mal – 36 Stunden nach Beginn der Bikarbonatgabe – statt und ergab einen pH-Wert von 7,4.) Die metabolische Azidose scheint dadurch verursacht zu sein, dass Topiramat ein schwacher Hemmer der Karboanhydrase ist.

Stowe CD et al. Pharmacotherapy 2000; 20: 105-9 [Medline]

In den USA und Kanada hat die Herstellerfirma per «Dear doctor letter» auf die hyperchlorämische metabolische Azidose hingewiesen. In den klinischen Studien beobachtete man bei 23 bis 67% der Behandelten eine Abnahme der Bikarbonat-Konzentration um durchschnittlich 4 mmol/l; bei 3 bis 11% sank die Konzentration markant, zum Teil auf Werte unter 10 mmol/l. Eine metabolische Azidose kann Energie- und Appetitverlust, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und kardiale Arrhythmien hervorrufen; eine chronische Azidose erhöht das Nierenstein- Risiko, schädigt den Knochen und verzögert vermutlich das kindliche Wachstum. Es wird deshalb empfohlen, bei Topiramat- Behandelten regelmässig den Bikarbonatspiegel zu messen.

Amerikanischer und kanadischer «Dear doctor letter»:
www.fda.gov/medwatch/SAFETY/2003/topamax_dhcp.pdf
www.hc-sc.gc.ca/hpfb-dgpsa/tpd-dpt/topamax_3_hpc_e.html

Vermindertes Schwitzen und Hyperthermie

Einem 32-jährigen Mann, dessen Epilepsie mit anderen Mitteln nicht genügend zu kontrollieren war, wurde Topiramat (600 mg/Tag) verabreicht. Nach einem halben Jahr traten Müdigkeit, verminderte Schweissproduktion und Wärmeintoleranz auf. Diese Beschwerden verschwanden im Laufe von fünf Monaten, nachdem man die Behandlung von Topiramat auf Levetiracetam (Keppra®) umgestellt hatte.

de Carolis P et al. Epilepsia 2003; 44: 974-6 [Medline]

Wie in Nordamerika in einem Rundschreiben durch die Herstellerfirma informiert wurde, ist vermindertes Schwitzen sowie ein Anstieg der Körpertemperatur vor allem bei Topiramat- behandelten Kindern vorgekommen, und zwar im Zusammenhang mit hoher Umgebungstemperatur oder starker körperlicher Aktivität. Es ist deshalb darauf zu achten, dass unter einer Therapie mit Topiramat genügend getrunken wird, wenn es warm ist und man ins Schwitzen kommt.

Amerikanischer und kanadischer «Dear doctor letter»:
http://www.fda.gov/medwatch/SAFETY/2003/topamax.htm
http://www.hc-sc.gc.ca/hpfb-dgpsa/tpd-dpt/topamax_2_e.html

Manie

Eine 57-jährige Frau wurde hospitalisiert, da sie gedroht hatte, sich und ihren Ehemann umzubringen. Ihre Verwandten hatten in den Wochen zuvor festgestellt, dass sie zu Wortgefechten neigte, wenig schlief, teure Anschaffungen machte und das Haus veräussern wollte. Bei der Aufnahme war sie unruhigagitiert, misstrauisch, lachte unangebracht, prahlte mit ihrer Attraktivität und einer Beziehung zu einem jüngeren Mann und attackierte die Untersuchungsperson. Es wurde die Diagnose einer Manie gestellt. Bislang waren nie psychiatrische Symptome aufgefallen. Hingegen war seit 18 Jahren eine Epilepsie bekannt, und wegen fortwährender Anfälle hatte man 12 Wochen vor Spitaleintritt die bisherige, aus Tiagabin (Gabitril ®) bestehende Behandlung mit Topiramat ergänzt. Die Anfangsdosis hatte 50 mg/Tag betragen; retrospektiv waren erste psychische Veränderungen unter einer Dosis von 100 mg/Tag, eigentliche psychotische Symptome unter 200 mg/Tag aufgetreten. Nach Weglassen von Topiramat und einer antipsychotischen Behandlung verschwanden die manischen Symptome im Laufe von zwei Monaten.

Jochum T et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2002; 73: 208-9 [Medline]

Bei einer 31-jährigen Frau traten, nachdem sie geboren hatte, vermehrt Absenzen auf; deshalb wurde Gabapentin (Neurontin ®) zur vorbestehenden antiepileptischen Behandlung hinzugefügt und, als die Frau darauf zuwenig reagierte, Topiramat. Kaum hatte man die Dosis auf 100 mg/Tag gesteigert, wurde die Frau irritierbar, euphorisch und ungehemmt; sie zeigte vermindertes Schlafbedürfnis, wurde gegenüber dem Ehemann gewalttätig und versuchte auch, aus dem Fenster zu springen. Ihr Zustand wurde im Spital abgeklärt, wo man aber keinen aussergewöhnlichen Befund entdeckte. Man setzte anstelle von Topiramat wieder Gabapentin ein, wonach die Maniesymptome innerhalb von zwei Tagen deutlich besserten.

Schlatter FJ et al. J Clin Psychopharmacol 2001; 21: 464-6 [Medline]

Wie sich zeigt, hat Topiramat spezielle Nebenwirkungen, die bei anderen Antiepileptika nicht vorkommen. Besorgt ist man einerseits über die Karboanhydrase-hemmende Wirkung, die einem namhaften Teil der Behandelten eine metabolische Azidose mit ihren mannigfachen Gefahren beschert, andererseits über die ophthalmologischen Nebenwirkungen mit dem Risiko eines Visusverlustes. Das einnehmende Bild, das man bei Topiramat zunächst gewonnen hat – weil es eines der Antiepileptika ist, das wenig metabolisiert wird und kaum relevante Interaktionen verursacht – verliert sich, und Topiramat drängt sich weder bei der Epilepsiebehandlung noch bei anderen möglichen Indikationen als Mittel der ersten Wahl auf. (UM)

FLUTICASON

Fluticason, ein synthetisches Kortikosteroid, wird lokal
an den Atemwegen und auf der Haut verwendet.
Mittels Inhalation applizierte Steroide gelten heute als
die wichtigste Basistherapie des Asthma bronchiale.
Fluticason steht auch als fixe Kombination mit Salmeterol
zur Verfügung.

Übersichten zum Thema:
Powell H, Gibson PG. Med J Austr 2003; 178: 223-5 [Medline]
Adams N et al. Cochrane Database Syst Rev 2002; (1): CD003534 [Medline]

Markennamen:
Fluticason: Axotide®, Flutinase®, Cutivate®
Fixe Fluticason/Salmeterol-Kombination: Seretide®

Nebennierenrindeninsuffizienz

Eine 47-jährige Frau wurde wegen einer Exazerbation ihres Asthmas ins Spital eingewiesen. Obwohl sie vorübergehend orale Kortikosteroide erhielt, hatte sie anhaltend Asthmasymptome. Ihre bisherige Behandlung mit einem Triamcinolon- Aerosol (in der Schweiz nicht erhältlich) wurde durch inhalatives Fluticason und Salmeterol (Serevent®) ersetzt. Um eine weitere orale Therapie mit Steroiden vermeiden zu können, wurde die Fluticason-Tagesdosis schliesslich bis auf 2000 µg gesteigert. Obwohl eine Dosisreduktion geplant war, erhielt die Patientin diese Dosis bis zu einer Kontrolluntersuchung acht Wochen nach der letzten Dosissteigerung. Zu diesem Zeitpunkt klagte sie über Müdigkeit, Beinmuskelschwäche und zahlreiche subkutane Blutungen. Ihr Cortisol-Basiswert fand sich im unmessbaren Bereich (unter 28 nmol/l; Normbereich 138-690 nmol/l). Fluticason wurde langsam reduziert und durch Budesonid (Pulmicort® u.a.) ersetzt, worauf die störenden Symptome allmählich verschwanden. Eine Kontrolle des Cortisol-Spiegels ergab später einen Wert von 304 nmol/l.

White A, Woodmansee DP. Ann Intern Med 2004; 140: W27 [Medline]

Myopathie bei Kindern

Ein Mädchen, das seit Jahren wegen eines Asthma bronchiale und allergischer Rhinitis behandelt wurde, erhielt im Alter von 7 Jahren erstmals statt des Beclometason-Sprays (Becotide® u.a.) Fluticason in Form des Dosier-Aerosols verschrieben. Initial erhielt es täglich 1000 µg. Auch die Rhinitis wurde mit einem Fluticason-Nasenspray (200 µg/Tag) behandelt. Nach wenigen Wochen klagte das Kind über starke Müdigkeit; eine Nebennierenrinden-Insuffizienz wurde vermutet, der Cortisol- Basalwert betrug 30 nmol/l. Nun wurde die Fluticason-Dosis allmählich auf 200 µg reduziert und zusätzlich Cortisol per os (12 mg/Tag) gegeben. In den folgenden Monaten wurde das Mädchen immer schwächer, konnte die Schule nicht mehr regelmässig besuchen und benötigte schliesslich einen Rollstuhl. Das Kind wurde mit knapp 8 Jahren ins Spital aufgenommen. Es fand sich eine extreme, besonders proximale Muskelschwäche. Das Mädchen war depressiv und äusserte Suizidgedanken. Nachdem Fluticason durch Budesonid ersetzt worden war, kam es zu einer langsamen Besserung; nach weiteren 6 Monaten konnte das Kind wieder zur Schule gehen.
In derselben Publikation wird auch über einen 15-jährigen Asthmapatienten berichtet, bei dem sich innerhalb von anderthalb Jahren unter Fluticason (1000 µg/Tag) ebenfalls eine Muskelschwäche mit einer Zunahme der Dyspnoe entwickelte und bei dem es innerhalb von 2 Monaten zu einer Besserung kam, nachdem Fluticason durch ein anderes Steroid ersetzt worden war.

DeSwert LF et al. N Engl J Med 2004; 350: 1157-9 [Medline]

Addison-Krisen

Gemäss den Resultaten einer Umfrage bei britischen Fachleuten sind in Grossbritannien seit der Einführung von Fluticason (1993) mindestens 31 Fälle einer Addison-Krise im Zusammenhang mit der Verabreichung von Fluticason aufgetreten. In den meisten Fällen waren Kinder betroffen, die Fluticason in Form des Dosier-Aerosols und in einer Dosis zwischen 500 und 2000 µg täglich erhalten hatten. Eine Trübung des Bewusstseinszustandes bis zum Koma, epileptische Anfälle sowie eine ausgeprägte akute Hypoglykämie waren die wichtigsten Symptome. In einem Fall wird vermutet, die Nebennierenrinden- Insuffizienz hätte zum Tod eines Kindes beigetragen, das an einer Pneumokokken-Sepsis starb. Die verwendeten Fluticason- Dosen lagen deutlich über den offiziell für Kinder zugelassenen Dosen (200 µg/Tag). Allerdings werden auch in aktuellen pädiatrischen Leitlinien Tagesdosen zwischen 400 und 500 µg empfohlen, wenn die Steroide «hochdosiert» verabreicht werden sollen. Dass Fluticason häufiger als andere inhalativ verwendete Kortikosteroide zu Addison-Krisen führt, beruht nach der Beurteilung der Autoren auf der Tatsache, dass die ausgeprägte Lipophilie der Substanz eine höhere Halbwertszeit und damit auch ein Kumulationsrisiko zur Folge hat.

Todd GRG et al. Arch Dis Child 2002; 87: 457-61 [Medline]

Wachstumsstillstand

Bei drei Kindern im Alter von 4 bis 8 Jahren, die wegen ihres Asthmas Fluticason in einer Dosis von 500 bis 1000 µg täglich erhielten, kam es innerhalb von 1 bis 2 Jahren zu einem weitgehenden Stillstand des Wachstums. In zwei Fällen wurden die morgendlichen Cortisol-Plasmawerte bestimmt: sie waren in beiden Fällen zu niedrig, um genau bestimmt werden zu können (d.h. unter 28 nmol/l). Bei zwei der Kinder konnte dank ergänzender antiasthmatischer Therapie – Theophyllin (z.B. Theolair®) und Montelukast (Singulair®) – die Fluticason- Dosis auf 375 µg täglich reduziert werden, worauf sich das Wachstum im Verlauf etwa eines Jahres normalisierte. Beim dritten Patienten, bei dem noch 500 µg Fluticason täglich gegeben wurden, erholte sich das Wachstum bis zum Zeitpunkt des Berichtes nicht nennenswert. Besonders anzumerken ist noch, dass alle drei Kinder vor der Fluticason-Behandlung bereits schon Beclometason in hohen Dosen erhalten hatten, ohne dass auffällige Wachstumsprobleme entstanden wären.

Wong JYW et al. J Paediatr Child Health 2002; 38: 59-62 [Medline]

Interaktion mit Ritonavir

Ein 44-jähriger HIV-positiver Patient wurde einerseits mit antiretroviralen Medikamenten – Didanosin (Videx®), Nevirapin (Viramune®), Stavudin (Zerit®) – anderseits seit 1999 wegen eines Asthma bronchiale mit Fluticason (vier Dosen zu 500 µg täglich) behandelt. Da anfangs 2001 festgestellt wurde, dass die antiretrovirale Therapie ungenügend wirkte, wurden Nevirapin und Stavudin durch Abacavir (Ziagen®, zweimal täglich 300 mg) und die Kombination Lopinavir/Ritonavir (Kaletra®, 8 Kapseln täglich) ersetzt. Innerhalb von zwei Monaten bildete sich ein Cushing-Syndrom aus, mit einer Gewichtszunahme von 17 kg und Vollmondgesicht. Der Cortisol- Basisspiegel war stark reduziert (33 nmol/l). Einen Monat nach dem Absetzen von Fluticason normalisierten sich das Aussehen des Patienten und sein Cortisolspiegel wieder, er nahm 10 kg ab. In diesem Fall hatte also die vergleichsweise kleine Ritonavir-Dosis (33,3 mg/Kapsel) in Kaletra® – die der Anti-HIV-Therapie nur insofern dient, als sie den Abbau von Lopinavir hemmt – auch eine ausgeprägte Wirkung auf den Metabolismus von Fluticason.

Rouanet I et al. HIV Med 2003; 4: 149-50 [Medline]

Ein 30-jähriger Mann, dessen HIV-Infektion seit Dezember 1996 mit der Dreierkombination Ritonavir (Norvir®, 2mal täglich 600 mg), Zidovudin (Retrovir®, zweimal täglich 250 mg) und Lamivudin (Zeffix® u.a., 2mal täglich 150 mg). Innerhalb eines halben Jahres nahm der Patient ein cushingoides Aussehen an. Die Cortisol-Plasmaspiegel waren unmessbar (d.h. unter 30 nmol/l); weitere Untersuchungen liessen auf eine sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz oder eine exogene Steroidzufuhr schliessen. Zuerst wurde eine Steroidsalbe abge-setzt, die der Patient verwendete. Da dies nicht zu einer Besserung führte, wurde er nochmals genau befragt. Es ergab sich, dass er schon seit Januar 1996 regelmässig einen Fluticason- Nasenspray (200 µg/Tag) verwendete. Ritonavir wurde abgesetzt und durch Nevirapin ersetzt; die Cortisolspiegel stiegen deutlich an. Daraufhin erhielt der Patient nochmals Ritonavir, worauf die Cortisolspiegel wieder absanken. Nach dem definitiven Absetzen von Ritonavir blieben die Cortisolspiegel dann normal und das Aussehen des Mannes besserte sich allmählich.

Hillebrand-Haverkort ME et al. AIDS 1999; 13: 1803-4 [Medline]

Gemäss einer Metaanalyse wird bei Erwachsenen mit Fluticason- Tagesdosen von 500 µg praktisch die maximale antiasthmatische Wirkung erreicht. Bereits Tagesdosen zwischen 100 und 250 µg ergeben 90% der Wirkung einer 1000- µg-Dosis.1 Mit höheren Dosen wird also kein zusätzlicher Nutzen erreicht, das Risiko systemischer Nebenwirkungen steigt jedoch stark an. Man kann deshalb nicht genug darauf hinweisen, dass Fluticason in möglichst niedriger Dosierung verabreicht werden soll. Dies gilt selbstverständlich auch für die fixe Kombination von Fluticason und Salmeterol (Seretide®), die oft ebenfalls in unverhältnismässig hohen Dosen verwendet wird. Im übrigen ist anzumerken, dass keine wirklich überzeugenden Daten vorliegen, wonach Fluticason den «älteren» und deutlich billigeren Kortikosteroiden Beclometason und Budesonid überlegen wäre. (EG)

1 Holt S et al. Br Med J 2001; 323: 253-6
[Medline]

ÖSTROGENE

PDie Hormonsubstitution nach der Menopause, die bis
zur Veröffentlichung der ersten Resultate der Women’s
Health Study von vielen als eine auch langfristig
sinnvolle Massnahme angesehen wurde, verursacht
nach heutigem Wissen mehr Schaden als Nutzen. Neu
sind jetzt auch Daten zur Substitution von Östrogen
allein (ohne Gestagen) und zur Hormonsubstitution
nach einem Brustkrebs veröffentlicht worden.

Wichtige WHI-Publikationen:
Writing Group for the Women's Health Initiative Investigators.
JAMA 2002; 288: 321-33 [Medline]
Shumaker SA et al. JAMA 2003; 289: 2651-62 [Medline]
Wassertheil-Smoller S et al. JAMA 2003; 289: 2673-842 [Medline]
Hays J et al. N Engl J Med 2003; 348: 1839-54
[Medline]


Erhöhtes Schlaganfall-Risiko

Im Rahmen der Studien der «Women’s Health Initiative» erhielten 10'739 Frauen, die eine Hysterektomie gehabt hatten, eine Hormonsubstitution mit konjugierten Östrogenen allein (Premarin®, 0,625 mg/Tag) oder Placebo. Nach einer Überprüfung der bis im Februar 2004 vorliegenden Resultate beschloss die Studienleitung, auch diesen Teil der Studie vorzeitig abzubrechen. (Die Studie mit der kombinierten Östrogen-Gestagen- Substitution war bereits vor rund 2 Jahren abgebrochen worden.) Die Teilnehmerinnen hatten durchschnittlich während knapp 7 Jahren beobachtet werden können. Während sich bezüglich Herzinfarkt, Brustkrebs und rektalen Karzinomen keinsignifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen zeigte, waren Schlaganfälle mit einer «hazard ratio» von 1,39 (95% Vertrauensintervall 1,10-1,77) in der Hormongruppe signifikant häufiger. Auch die Gesamtzahl kardiovaskulärer Ereignisse war in der Hormongruppe grösser, Schenkelhalsfrakturen waren dagegen in der Hormongruppe seltener. Gesamthaft ergab sich aus der Hormonverabreichung kein gesundheitlicher Nutzen.

Anderson GL et al. JAMA 2004; 291: 1701-12 [Medline]

Nach Brustkrebs

Ziel der HABITS-Studie war, das Risiko einer zweijährigen Hormonsubstitution bei Frauen zu prüfen, die vorher einen
Brustkrebs gehabt, aber zur Zeit der Aufnahme in die Studde keinen Rückfall erlitten hatten. Randomisiert (aber nicht doppelblind) wurden 219 Teilnehmerinnen der Hormonsubstitutions- Gruppe und 215 Frauen einer Gruppe ohne Hormonbehandlung zugewiesen. Frauen, die Hormone erhielten, wurden in der Regel mit einem Östrogen-Gestagen-Kombiationspräparat (oder, nach einer Hysterektomie, mit Östrogen allein) behandelt. Der jetzt vorgelegte Bericht betrifft 345 Frauen, die während einer medianen Beobachtungszeit von gut 2 Jahren mindestens einmal nachkontrolliert werden konnten. In der Hormongruppe hatten 26 von 174 Frauen ein «Brustkrebs- Ereignis» (Rezidiv, kontralateraler Tumor, Fernmetastasen), in der hormonfreien Gruppe hatten nur 8 von 171 Frauen ein entsprechendes Ereignis. Das signifikant erhöhte Brustkrebsrisiko in der Hormongruppe war der Grund, weshalb die Studie Ende 2003 abgebrochen wurde.

Holmberg L et al. Lancet 2004; 363: 453-5 [Medline]

Als valable Indikation für die Verabreichung von Hormonen nach der Menopause sind heute einzig starke «Menopausebeschwerden » mit Wallungen und Schlafstörungen geblieben. Dabei sollen die Hormone so niedrig dosiert und so kurzfristig wie möglich gegeben werden. Hinweise, dass andere Hormonpräparate als die in der Women’s Health Initiative verwendeten konjugierten Östrogene bzw. Medroxyprogesteron zu einem besseren Resultat führen würden, sind nicht vorhanden. (EG)

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen aktuell (11. Mai 2004)
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pharma-kritik, 26/No. 4
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