Mizolastin

Synopsis

Mizolastin (Mizollen®) ist ein neues Antihistaminikum, das zur symptomatischen Behandlung der allergischen Rhinokonjunktivitis und der chronischen Urtikaria empfohlen wird.

Chemie/Pharmakologie

Mizolastin ist ein Benzimidazol-Derivat; seine chemische Struktur gleicht derjenigen von Astemizol (Hismanal®, heute nicht mehr erhältlich). Die Substanz ist als spezifischer Antagonist an den Histamin-H1-Rezeptoren wirksam. Wie teilweise für andere Antihistaminika konnten in experimentellen Studien zudem Wirkungen gezeigt werden, die einer Entzündung entgegenwirken. So hemmt Mizolastin die Freisetzung von Histamin während allergischen Reaktionen und die durch Serum von Personen mit Urtikaria induzierte Produktion von Sulfidoleukotrienen in Leukozytensuspensionen. Mizolastin hat praktisch keine Affinität zu cholinergischen, adrenergischen und serotoninergischen Rezeptoren.

Bei gesunden Freiwilligen unterdrückt Mizolastin die histamininduzierte «Wheal and Flare»-Reaktion dosisabhängig. Dabei zeigt es sich in einer Einzeldosis von 10 mg ähnlich wirksam wie Terfenadin (120 mg, Teldane®, nicht mehr im Handel) und Cetirizin (10 mg, Zyrtec®) und etwas wirksamer als Loratadin (10 mg, Claritine®).(1) Alle diese Antihistaminika haben eine Wirkung, die mindestens 24 Stunden lang andauert. Die Auswirkungen auf die Elektrophysiologie des Herzens wurde bei 24 gesunden jungen Männern im Doppelblindverfahren untersucht. Während einer Woche verabreichte Mizolastin-Tagesdosen zwischen 10 und 40 mg zeigten im Vergleich mit Placebo keine Auswirkungen auf das QT-Intervall.(2)

Ebenfalls bei gesunden Versuchspersonen fand sich eine Beeinträchtigung des Verhaltens bei einem Fahrtest und der psychomotorischen Leistungen, wenn höhere Mizolastin-Dosen (20 oder 40 mg) verabreicht wurden.(lit)

Pharmakokinetik

Mizolastin wird nach oraler Aufnahme rasch resorbiert; nach etwa eineinhalb Stunden sind maximale Plasmaspiegel erreicht. Das Medikament unterliegt einem ausgeprägten präsystemischen Metabolismus, indem es bei der ersten Leberpassage teilweise glukuronidiert wird. Die Bioverfügbarkeit beträgt etwa 65%. Die Elimination erfolgt im wesentlichen über die Leber, zum Teil via einen Zytochrom-abhängigen oxidativen Metabolismus. CYP3A4 und CYP2A6 sind die dabei wesentlichen Isoenzyme. Bisher wurden keine aktiven Metaboliten identifiziert. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt etwa 13 Stunden; ein Fliessgleichgewicht wird bei einmal täglicher Verabreichung nach 3 Tagen erreicht. Im Urin werden nur Spuren von unverändertem Mizolastin ausgeschieden.(4)

Die Kinetik wird nach bisherigem Wissen weder vom Alter noch von einer Niereninsuffizienz wesentlich beeinflusst. Bei Leberinsuffizienz werden die maximalen Plasmaspiegel verzögert erreicht und auch die Elimination erfolgt etwas verzögert.(lit)

Klinische Studien

Heuschnupfen

Die Wirksamkeit bei saisonaler allergischer Rhinokonjunktivitis wurde zunächst im Vergleich mit Placebo untersucht: In einer Dosisfindungsstudie erhielten 494 Personen mit Heuschnupfen während 2 Wochen verschiedene Mizolastin-Dosen (5, 10 oder 15 mg täglich) oder Placebo. Die Wirkung wurde anhand einer dreistufigen Symptomskala beurteilt, die Nasensymptome (z.B. verstopfte Nase, Niesen) und Augensymptome (tränende, brennende Augen) sowie Begleitsymptome (seitens des Pharynx oder der Ohren) umfasste. Alle Behandlungsvarianten führten zu einer Symptomreduktion.

Gemäss der ärztlichen Beurteilung bestand nach 1 Woche eine gegenüber Placebo signifikant deutlichere Wirkung für die beiden höheren Mizolastin-Dosen; nach der zweiten Woche war jedoch kein signifikanter Unterschied mehr feststellbar. Ähnliche Resultate ergaben sich aus der Beurteilung durch die Behandelten selbst, wobei schon am 2. Behandlungstag eine signifikante Wirkung von Mizolastin beobachtet wurde.(5)

In einer anderen Doppelblindstudie, in der 256 Personen mit Heuschnupfen während 4 Wochen Mizolastin (10 mg/Tag) oder Placebo erhielten, konnte mit einer neunstufigen Symptomskala auch nach 2 Wochen noch ein signifikanter Unterschied zu Placebo gezeigt werden.(6)

Mizolastin wurde im Rahmen einer multizentrischen Doppelblindstudie auch mit Cetirizin verglichen. 375 Personen mit Heuschnupfen erhielten während 4 Wochen Mizolastin (10 mg/Tag), Cetirizin (10 mg/Tag) oder Placebo. Hier wurde wieder eine dreistufige Symptomskala verwendet. Die Wirkung der beiden aktiven Medikamente konnte bereits innerhalb von 2 Stunden beobachtet werden. Nach einer Woche Behandlung hatte der Symptomskalenwert unter Mizolastin und unter Cetirizin um 46% abgenommen, unter Placebo dagegen signifikant weniger (um 28%). Nach vier Wochen konnte auch in dieser Studie kein signifikanter Unterschied zwischen aktiver und Placebo-Behandlung mehr errechnet werden.(lit)

Perenniale allergische Rhinokonjunktivitis

Auch die Wirksamkeit von Mizolastin bei perennialer allergischer Rhinitis wurde in einer Doppelblindstudie gegen Placebo getestet. 252 Personen, die seit mindestens einem Jahr leichte bis mittelschwere Symptome einer allergischen Rhinokonjunktivitis hatten, erhielten 4 Wochen lang Mizolastin (10 mg/Tag) oder Placebo. Am Studienende hatten die Nasensymptome unter Mizolastin signifikant um 36% abgenommen (Placebo: 10%); die Augensymptome wurden ähnlich günstig beeinflusst. Das Symptom einer verstopften Nase, über welches viele besonders klagten, wurde initial mit einem Skalenwert von 4,5 beziffert; unter Mizolastin nahm dieser Wert auf 3,4 ab (knapp signifikant).(8)

In einer kleineren Doppelblindstudie (n = 68) war Mizolastin in seiner Wirkung bei perennialer Rhinokonjunktivitis ungefähr gleich wirksam wie Loratadin.(lit)

Chronische Urtikaria

Für eine multizentrische Doppelblindstudie wurden 247 Erwachsene ausgewählt, die seit mindestens 6 Wochen mindestens zweimal wöchentlich Urtikaria-Episoden hatten. Während 4 Wochen wurde Mizolastin (10 mg/Tag) mit Loratadin (10 mg/Tag) und mit Placebo verglichen. Als wichtigstes Beurteilungskriterium galt der Juckreiz, der anhand einer visuellen Analogskala gewertet wurde. Beurteilt wurden auch weitere Symptome (Grösse und Zahl der urtikariellen Läsionen) und die Zahl der Urtikaria-Episoden. Beide aktiven Medikamente erwiesen sich als ähnlich und signifikant besser wirksam als Placebo.(lit)

Unerwünschte Wirkungen

Obwohl Mizolastin zu den «nicht-sedierenden» Antihistaminika gehört, wurde in den Studien gelegentlich eine leichte Schläfrigkeit oder Müdigkeit beobachtet. Auch Asthenie und eine Appetitsteigerung waren häufiger als unter Placebo.

In Einzelfällen ist unter Mizolastin eine Verlängerung des QT-Intervalls beobachtet worden. Eine von der Herstellerfirma verfasste Übersicht zu den EKG-Befunden in verschiedenen Studien kommt zum Schluss, es fehlten Anhaltspunkte für eine signifikante Wirkung von Mizolastin auf das QT-Intervall.(11) Gemäss der Beurteilung durch die europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) hat Mizolastin ein geringes Potential zur Verlängerung des QT-Intervalls; Arrhythmien sind bisher nicht beobachtet worden.(lit)


Interaktionen

Infolge der Rolle von Zytochrom-Isoenzymen für den Mizolastin-Metabolismus ist damit zu rechnen, dass die gleichzeitige Einnahme von Ketoconazol (Nizoral®) oder Erythromycin (Erythrocin® u.a.) zu einem deutlichen Anstieg der Mizolastin-Plasmaspiegel führen können. Damit könnte auch ein erhöhtes Risiko einer Verlängerung des QT-Intervalls verbunden sein. Die gleichzeitige Einnahme dieser Arzneimittel gilt deshalb als kontraindiziert.(12) Vorsicht ist auch bei gleichzeitiger Verabreichung anderer CYP3A4-Hemmer wie z.B. Cimetidin (Tagamet® u.a.) oder Nifedipin (Adalat® u.a.) angezeigt.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Mizolastin (Mizollen®) ist in der Schweiz als Filmtabletten zu 10 mg erhältlich. Das Präparat ist rezeptpflichtig und kassenzulässig. Erwachsene und Jugendliche über 15 sollen 1 Tablette täglich einnehmen. Mangels entsprechender Dokumentation sollten schwangere und stillende Frauen sowie Kinder kein Mizolastin nehmen. Interaktionen: siehe oben! Die Tages-Behandlungskosten sind für Mizolastin ähnlich wie für andere «nicht-sedierende» Antihistaminika, nämlich etwa CHF 1.- bis 1.20 (je nach Packungsgrösse).

Kommentar

Gemäss den bisher vorliegenden Studien ist Mizolastin ein gut wirksames Antihistaminikum, das sich zur symptomatischen Behandlung von allergischen Rhinokonjunktivitiden und von Urtikaria eignet. Wie einige andere «nicht-sedierende» Antihistaminika verursacht Mizolastin wahrscheinlich bei einzelnen Individuen auch in durchschnittlicher Dosierung eine gewisse Sedation. Das Risiko von Herzrhythmusstörungen ist dagegen nach dem aktuellen Wissensstand sehr gering - möglichen Interaktionen mit Zytochromhemmern ist dennoch Aufmerksamkeit zu schenken. Gesamthaft bringt die Substanz keinen nennenswerten Fortschritt.

Standpunkte und Meinungen

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Mizolastin (22. Juli 2000)
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pharma-kritik, 21/No. 17
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