G-CSF und GM-CSF

Myeloablative Chemotherapien mit Knochenmarktransplantation

Eine autologe oder allogene Knochenmarktransplantation oder die Transplantation von Blutstammzellen (PBPC, «peripheral blood progenitor cells») erlauben den Einsatz hochdosierter myeloablativer Chemotherapien. Nach den Richtlinien der amerikanischen Gesellschaft klinischer Onkologen wird der Einsatz beider Wachstumsfaktoren nach allen drei Interventionen und auch vor einer Leukapherese empfohlen.5
Beispiele wichtiger randomisierter, kontrollierter Phase-III-Studien:In einer placebokontrollierten Multizenterstudie bei 315 Erwachsenen und Kindern mit verschiedenen nicht-myeloiden Malignomen (vorwiegend Lymphomen und akute lymphoblastische Leukämie) hatte G-CSF (Lenograstim, 5 mg/kg/Tag) keinen Einfluss auf die rapide Senkung der Leukozyten und Thrombozyten in der ersten Woche nach einer autologen oder allogenen Knochenmarktransplantation. Innerhalb von 28 Tagen stabilisierten sich die Leukozyten (ANC>1x109/L) in der aktiven Behandlungsgruppe bei signifikant mehr Patienten (84%) als in der Kontrollgruppe (52%), und Fieber, Antibiotikaverbrauch, parenterale Ernährung und Spitalaufenthalt dauerten signifikant weniger lang. Sepsis, neutropenisches Fieber und Plättchentransfusionen wurden in beiden Gruppen gleich häufig registriert und die Mortalität nach 100 Tagen war gleich hoch.12
In einer randomisierten Studie bei 68 Lymphom-Patienten wurden nach autologer Knochenmarktransplantation zwei verschiedene G-CSF-Dosen (Filgrastim, 5 oder 10 mg/kg/Tag) verglichen. Es konnten keine nennenswerten Unterschiede zwischen den beiden Dosen gefunden werden: mit beiden Dosierungen dauerte es im Mittel 11 Tage, bis ein ANC über 0,5x109/L erreicht war. Auch die Inzidenz von neutropenischem Fieber, die Zahl nachgewiesener Infektionen und der Antibiotikabedarf war in den beiden Gruppen ungefähr gleich. 13 Nach einer autologen Transplantation bei 61 Patienten mit malignen Lymphomen wurde der Nadir unter GM-CSF (Molgramostim, 250 mg/m2/Tag) nach 5 Tagen, unter Placebo nach 7 Tagen beobachtet. In dieser Doppelblindstudie dauerten schwere Neutropenien (ANC<0,1x109/L) in beiden Gruppen gleich lang (rund 12 Tage). Das Intervall bis zur neutrophilen Erholung (ANC>0,5x109/L) war unter GM-CSF aber signifikant kürzer (14 Tage) als unter Placebo (20 Tage). Keine Unterschiede zugunsten von GM-CSF ergaben sich in bezug auf Fiebertage, positive Blutkulturen, bakterielle Infektionen, Antibiotikaverbrauch, Spitalaufenthalt, Plättchen- oder Erythrozytentransfusionen und Überlebensraten.14

Blutstammzelltransplantation
In einer randomisierten Studie erhielten 58 Lymphom-Patienten mit G-CSF mobilisierte Blutstammzellen (Filgrastim, 10 mg/kg/Tag, 6 Tage lang) oder eine autologe Knochenmarktransplantation. Dabei ergaben sich in der Blutstammzell-Gruppe durchwegs signifikant bessere Resultate in bezug auf die Blutwerte: es waren weniger lang Plättchentransfusionen nötig und auch die Leukozyten erholten sich schneller. Zudem wurden die Patienten aus der Blutstammzell-Gruppe früher aus dem Spital entlassen. Morbidität und Mortalität nach 300 Tagen waren hingegen gleich gross.15
Die Behandlung mit Wachstumsfaktoren nach einer Blutstammzell-Transplantation brachte weniger gute Resultate: In einer Doppelblindstudie bei 50 Patienten mit verschiedenen (vorwiegend hormonabhängigen) Malignomen, die alle eine Blutstammzell-Transplantation erhalten hatten, ergaben sich zwischen einer Behandlung mit GM-CSF (Molgramostim, 5 mg/kg/Tag) und Placebo keinerlei signifikante Unterschiede.16
In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie bei 343 Patienten mit verschiedenen Tumoren (überwiegend Lymphomen) erhielten 44 Patienten neben einer autologen Transplantation zusätzlich Stammzellen infundiert. Ausserdem wurden 16 Patienten nur mit Stammzellen behandelt. Unter GM-SCF (Molgramostim, 10 mg/kg/Tag) ergab sich immerhin eine schnellere Neutrophilenrekonstitution.17

Myeloische Leukämien

Nach den Richtlinien der Gesellschaft amerikanischer Onkologen können G-CSF oder GM-CSF bei über 55jährigen Patienten mit akuter myeloischer Leukämie allenfalls nach einer Chemotherapie eingesetzt werden.5 In der Mehrzahl der randomisierten Studien, in der die Faktoren auch vor bzw. während der Induktionstherapie geprüft wurden, konnte kein klinischer Nutzen nachgewiesen werden. Bei allen myeloischen Malignomen muss bedacht werden, dass zumindest in vitro die Proliferation und Differenzierung maligner Blasten sowohl durch G-CSF als auch GM-CSF angeregt werden können.Nach der Induktionstherapie sind G-CSF und GM-CSF bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie in verschiedenen randomisierten Studien untersucht worden. Die Dauer einer Neutropenie konnte in der Regel verkürzt werden. In einigen Studien wurde auch die Infektionsrate positiv beeinflusst5 und selten ergab sich auch eine höhere vollständige Remissionsrate.18 Die Resultate der grössten bis anhin publizierten randomisierten Doppelblindstudie, die mit über 60jährigen Patienten durchgeführt wurde, sind allerdings ernüchternd: 388 Patienten mit akuter myeloischer Leukämie erhielten nach der Induktionstherapie GM-CSF (Molgramostim, 5 mg/kg/Tag) oder Placebo. Die Dauer der Neutropenie (ANC<0,5x109/L) konnte unter der aktiven Behandlung von 17 auf 15 Tage signifikant, aber klinisch kaum relevant verkürzt werden. GM-CSF hatte keinerlei Einfluss auf alle anderen untersuchten Parameter (Infektionen, Hospitalisierungsdauer, u.a.), und die vollständige Remission war in beiden Gruppen gleich hoch (51% unter GM-CSF, 54% unter Placebo).19

Chronische Neutropenien

Patienten mit schwerer idiopathischer, zyklischer oder kongenitaler chronischer Neutropenie (ANC<0,5x109/L) sind einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Ein Nutzen einer chronischen Therapie ist nur für G-CSF belegt: In einer randomisierten Studie wurden 123 wiederholt an Infektionen leidende Patienten mit einer schweren chronischen Neutropenie und einem Durchschnittsalter von 12 Jahren behandelt. Zunächst erhielt etwa die Hälfte während 4 Monaten G-CSF (Filgrastim, 3,45-11,5 mg/kg/Tag) oder keine Therapie. Nach 4 Monaten wurde auch die Kontrollgruppe mit G-CSF behandelt. 90% der Behandelten sprachen auf die Therapie an (ANC>1,5x109/L). Eine signifikante Erhöhung des ANC konnte auch in den Untergruppen (idiopathische, zyklische oder kongenitale Neutropenie, Kostmann-Syndrom) gezeigt werden. Ferner konnten mit G-CSF insgesamt (aber nicht in allen Untergruppenanalysen) auch die Infektionsrate, die Häufigkeit und die Dauer des Antibiotikaverbrauchs und die mediane Inzidenz der Hospitalisierungen signifikant gesenkt werden.20

Literatur

  1. 1) Frampton JE et al. Drugs 1994; 48: 731-60
  2. 2) De Arriba F et al. Br J Haematol 1997; 96: 418-20
  3. 3) Frampton JE et al. Drugs 1995; 49: 767-93
  4. 4) Grant SM, Heel RC. Drugs 1992; 43: 516-60
  5. 5) American Society of Clinical Oncology. J Clin Oncol 1996; 14: 1957-60
  6. 6) Crawford J et al. N Engl J Med 1991; 315: 164-70
  7. 7) Trillet-Lenoir V et al. Eur J Cancer 1993; 29A, 319-24
  8. 8) Hartmann LC et al. N Engl J Med 1997; 336: 1776-80
  9. 9) Pui CH et al. N Engl J Med 1997; 336: 1781-7
  10. 10) Chevallier B et al. J Clin Oncol 1995; 13: 1564-71
  11. 11) Maher DW et al. Ann Intern Med 1994; 121: 492-501
  12. 12) Gisselbrecht G et al. Lancet 1994; 343: 696-700
  13. 13) Stahel RA et al. J Clin Oncol 1997; 15: 1730-5
  14. 14) Khwaja A et al. Br J Hematol 1992; 82: 317-23
  15. 15) Schmitz N et al. Lancet 1996; 347: 353-7
  16. 16) Legros M et al. Bone Marrow Transplant 1997; 19: 209-13
  17. 17) Greenberg P et al. Bone Marrow Transplant 1996; 18: 1057-64
  18. 18) Dombret H et al. N Engl J Med 1995; 332: 1678-83
  19. 19) Stone RM et al. N Engl J Med 1995; 332: 1671-7
  20. 20) Dale DC et al. Blood 1993; 81: 2496-502
  21. 21) Hermans P et al. AIDS 1996; 10: 1627-33
  22. 22) Barbaro G et al. AIDS 1997; 11: 1453-61
  23. 23) Hermans P. AIDS 1995; 9 (Suppl 2): S9-14
  24. 24) Vial T, Descotes J. Drug Saf 1995; 13: 371-406

Standpunkte und Meinungen

  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
G-CSF und GM-CSF (14. November 1997)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 19/No. 3
PK360
Untertitel Login

Gratisbuch bei einem Neuabo!

Abonnieren Sie jetzt die pharma-kritik und erhalten Sie das Buch «100 wichtige Medikamente» gratis. Im ersten Jahr kostet das Abo nur CHF 70.-.

pharma-kritik abonnieren
Aktueller pharma-kritik-Jahrgang

Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?

Schauen Sie ein Probekapitel unseres Medikamentenführers an. Die Medikamente in unserem Führer wurden sorgfältig ausgesucht und konzentrieren sich auf die geläufigsten Probleme in der Allgemeinmedizin. Die Beschränkung auf 100 Medikamente beruht auf der Überzeugung, dass sich rund 90% aller allgemeinmedizinischen Probleme mit 100 Medikamenten behandeln lassen.

Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.
Passwort beantragen infomed mailings

G-CSF und GM-CSF