Montelukast
- Autor(en): Katharina Spanaus
- pharma-kritik-Jahrgang 20
, Nummer 11, PK381
Redaktionsschluss: 7. April 1999 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Montelukast (Singulair®), der zweite in der Schweiz verfügbare Leukotrien-Rezeptorantagonist, wird zur Anfallsprophylaxe bei chronischem Asthma bronchiale empfohlen.
Chemie/Pharmakologie
Montelukast gehört zur gleichen Arzneimittelgruppe wie Zafirlukast (Accolate®), das vor kurzem in pharma-kritik besprochen wurde.(1) Wie dieses hat es strukturelle Ähnlichkeiten mit Leukotrienen. Einzelne Leukotriene (LTC4, LTD4, LTE4) spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese des Asthma bronchiale. Montelukast bindet sich mit einer etwa doppelt so hohen Affinität wie der natürliche Ligand selektiv und kompetetiv an die im menschlichen Bronchialsystem vorhandenen LTD4-Rezeptoren.(2) So blockiert es die proinflammatorische Aktivität der Leukotriene und die Leukotrien-induzierte Bronchokonstriktion.
In verschiedenen Studien verminderte Montelukast die durch Inhalation von LTD4 induzierte Bronchokonstriktion und hemmte die asthmatische Früh- und Spätreaktion auf Allergeninhalation bei Asthmakranken.(lit)Pharmakokinetik
Die Resorption von Montelukast im Magen-Darm-Trakt erfolgt rasch und wird durch eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme kaum beeinflusst. Etwa 2 bis 3 Stunden nach oraler Einnahme werden maximale Plasmaspiegel erreicht.(2)Die durchschnittliche Bioverfügbarkeit beträgt 60 bis 70%, die Plasmahalbwertszeit 4 Stunden.(3) Die Biotransformation von Montelukast führt zur Bildung mehrerer Metaboliten, von denen einzelne ebenfalls Affinität zum LTD4-Rezeptor zeigen, aber im Plasma nur in geringer Konzentration nachweisbar sind. Gemäss Untersuchungen in vitro sind die Zytochrome CYP3A4 und CYP2C9 am Abbau der Substanz beteiligt.(4)
Die Ausscheidung erfolgt fast vollständig über die Galle.
Bei Kindern führt eine 5-mg-Dosis zu ähnlichen Plasmaspiegeln wie 10 mg bei Erwachsenen.
Bei älteren Menschen und bei Personen mit leichter oder mittelschwerer Leberinsuffizienz ist die Plasmahalbwertszeit verlängert. Für Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz liegen keine Daten vor.
Klinische Studien
Die antiasthmatische Wirksamkeit von Montelukast ist in mehreren klinischen Studien dokumentiert worden. Diese Studien wurden in der Regel bei Asthmakranken durchgeführt, deren FEV1-Werte initial zwischen 50 und 85% des Sollwertes lagen. Akute Beschwerden konnten jeweils ergänzend durch die Inhalation von b2-Agonisten behandelt werden. Zur Beurteilung des Behandlungserfolges wurden unter anderem Messgrössen der Lungenfunktion (wie die Sekundenkapazität FEV1), die Zahl der notwendigen Betamimetika-Inhalationen und die subjektive Einschätzung durch Patienten und Ärzte erfasst.
Ein kurzfristiger Vergleich mit Placebo erfolgte in einer doppelblinden Dosisfindungsstudie: 281 Asthmakranke erhielten 3 Wochen lang täglich 2, 10 oder 50 mg Montelukast bzw. Placebo. Die beiden höheren Dosen erwiesen sich als ähnlich aktiv: im Vergleich mit Placebo verbesserten beide die FEV1-Werte, die Anfallshäufigkeit, den Betamimetika-Bedarf und die Asthmasymptome während des Tages in einem ähnlichen Ausmass.(5)
Die Montelukast-Tagesdosis von 10 mg zeigte auch in einer längeren, 3 Monate dauernden Doppelblindstudie bei 681 Erwachsenen mit chronischem Asthma eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. Am Vormittag durchgeführte Spirometrien ergaben unter Montelukast eine Zunahme des FEV1 um 13% (Placebo: knapp 5%). Aktiv Behandelte hatten weniger Beschwerden tagsüber und nachts und benötigten weniger Betamimetika. Unter Montelukast wurden nur an 9% aller Tage Asthmaexazerbationen beobachtet, unter Placebo an 15% aller Tage. 70% aller Behandelten beurteilten gesamthaft ihren Zustand unter Montelukast als gebessert, unter Placebo waren es nur 60%.(6)
Auch bei Kindern wurde die Wirkung von Montelukast (eine 5-mg-Kautablette täglich) gegen Placebo geprüft. 336 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren, die an chronischem Asthma litten, wurden in einer Doppelblindstudie während acht Wochen behandelt. Unter Montelukast konnte in diesem Zeitraum die Sekundenkapazität im Vergleich zum Ausgangswert um durchschnittlich 8,2% gesteigert werden, unter Placebo nur um 3,6%. Im Vergleich zu den Resultaten in der Placebogruppe waren jedoch die meisten anderen Montelukast-bedingten Verbesserungen nicht signifikant. Asthmasymptome am Tag, nächtliches Aufwachen und Schulabsenzen waren in beiden Gruppen ähnlich häufig. Auch die Indikation zur Verabreichung oraler Kortikosteroide ergab sich unter Montelukast nicht signifikant seltener als unter Placebo.(7)
In einer grossen multizentrischen Doppelblindstudie wurde Montelukast (10 mg/Tag) mit Beclometason als Aerosol (z.B. Becotide®, 2mal täglich 2 Stösse zu 100 mg) und Placebo verglichen: 895 Personen mit chronischem Asthma wurden während 12 Wochen behandelt. In diesem Zeitraum nahmen die FEV1-Werte mit Beclometason durchschnittlich um 13,1%, mit Montelukast signifikant weniger um 7,4% und mit Placebo nur um 0,7% zu. Beide aktiven Therapien beeinflussten auch die Asthmasymptome während des Tages, das nächtliche Erwachen, die Zahl der Asthmaexazerbationen und die Lebensqualität signifikant günstiger als Placebo; immer war aber Beclometason wirksamer als Montelukast. Immerhin setzte die Wirkung von Montelukast früher ein, praktisch vom ersten Behandlungstag an.(8)
Dass inhalativ verabreichte Kortikosteroide die Lungenfunktion und die Asthmasymptome stärker verbessern als Montelukast, konnte auch in offenen Fortsetzungen verschiedener kontrollierter Studien beobachtet werden.(9,10)
Speziell bei Personen mit anstrengungsinduziertem Asthma wurden die folgenden Doppelblindstudien durchgeführt: 110 Erwachsene mit leichtem Asthma, die aber mit einer mindestens 20%igen Abnahme der Sekundenkapazität auf Anstrengung reagierten, erhielten Montelukast (10 mg/Tag) oder Placebo. Während unter Placebo kaum eine Änderung erreicht wurde, war unter Montelukast die Bronchokonstriktion nach Anstrengung durchschnittlich nur noch etwa halb so stark ausgeprägt. Allerdings gab es sehr grosse individuelle Unterschiede: Während bei 23% der Patienten unter aktiver Behandlung die Sekundenkapazität nur noch um höchstens 10% abfiel, war bei 25% ein FEV1-Abfall um mehr als 30% zu verzeichnen.(11)
Ähnliche Resultate fanden sich in einer kleinen Crossoverstudie bei Kindern mit anstrengungsinduzierten Bronchospasmen.(12)
Einige weitere Studien sind bisher erst in Abstract-Form veröffentlicht worden:
In einer 12wöchigen Doppelblindstudie wurde untersucht, ob sich die Dosis inhalierter Kortikosteroide durch Montelukast reduzieren liesse. Bei insgesamt 226 Patienten konnte unter 10 mg Montelukast die Steroiddosis durchschnittlich um 47%, unter Placebo dagegen nur um 33% gesenkt werden.(13)
80 Personen, die an chronischem Asthma mit Acetylsalicylsäure-Intoleranz litten und grösstenteils auch mit Kortikosteroiden (inhalativ oder oral) behandelt wurden, erhielten während vier Wochen Montelukast oder Placebo. Mit Montelukast wurde eine signifikante Verbesserung der Sekundenkapazität, des Betamimetika-Bedarfs und der Asthmasymptome erreicht.(14)
Unerwünschte Wirkungen
In den bisherigen Studien wurden die folgenden Symptome und Beschwerden unter Montelukast häufiger als unter Placebo und bei mehr als 1% der Behandelten beobachtet: Kopfschmerzen, respiratorische Infekte, Bauchbeschwerden (Dyspepsie, Bauchschmerzen, bei Kindern auch Durchfall), Müdigkeit, Fieber, Schwindel, Exanthem, Anstieg der Transaminasen. Die Unterschiede zur Inzidenz unter Placebo waren jedoch so gering, dass Montelukast nicht als Ursache der genannten Probleme vermutet werden kann.
Das Nebenwirkungsprofil bei Kindern unterschied sich nicht nennenswert von dem bei Erwachsenen.
In seltenen Fällen kann unter Montelukast ein eosinophiles Syndrom manifest werden, teilweise - im Sinne eines Churg-Strauss-Syndroms - von Vakulitis begleitet. Diese Komplikation wurde bisher meistens, aber nicht immer, im Zusammenhang mit einer Dosisreduktion oraler Kortikosteroide beobachtet. Obwohl ein kausaler Zusammenhang zwischen Montelukast und diesem Syndrom nicht nachgewiesen ist, wird empfohlen, auf neu auftretende Eosinophilie, vakulitische Exantheme, eine Verschlechterung der Lungenfunktion sowie auf Herzkomplikationen und Neuropathien zu achten.(lit)Interaktionen
Montelukast wird zwar von Zytochromen metabolisiert, beeinflusst diese aber nach bisherigem Wissen nicht hemmend oder induzierend. Enzyminduktoren wie Phenobarbital können zu einem beschleunigten Abbau und entsprechend reduzierten Plasmaspiegeln von Montelukast führen.
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Montelukast (Singulair®) ist als Filmtabletten zu 10 mg und als Kautabletten zu 5 mg erhältlich. Das Präparat ist in der Schweiz kassenzulässig. Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren sollten täglich 10 mg, Kinder zwischen 6 und 14 Jahren 5 mg vor dem Zubettgehen einnehmen. Das Medikament kann dabei zu einer bestehenden Therapie mit Betamimetika und Kortikosteroiden hinzugefügt werden. Eine allfällige Reduktion der Kortikosteroiddosis unter Montelukast sollte sehr langsam erfolgen. Zur Therapie eines akuten Asthmaanfalles ist Montelukast nicht geeignet. In den USA wird auch ausdrücklich festgehalten, dass Montelukast nicht als Monotherapie bei anstrengungsinduziertem Asthma eingesetzt werden soll. Da keine entsprechenden Untersuchungen vorliegen, sollte Montelukast nicht an Kinder unter 6 Jahren, schwangere oder stillende Frauen verabreicht werden.
Eine 10-mg-Tablette kostet gleichviel wie eine 5-mg-Kautablette, nämlich CHF 2.83 bis 3.30. Bei Verwendung der grösseren Packung ergeben sich monatliche Kosten von 85 Franken. Zum Vergleich: eine Behandlung mit dem Beclometason-Aerosol (Becotide®, 400 mg/Tag) kostet 54 Franken monatlich.
Kommentar
Montelukast ist - wie Zafirlukast - bei leichtem bis mittelschwerem Asthma bronchiale prophylaktisch wirksam. Unter Montelukast steigen die mittleren Werte der Sekundenkapazität an, der Betamimetika-Bedarf und die Asthmasymptome können abnehmen. Im Vergleich mit Zafirlukast hat Montelukast ein paar Vorteile: es muss nur einmal täglich eingenommen werden, verursacht wahrscheinlich kaum Interaktionen und ist auch zur Behandlung von Kindern zugelassen.
Im ganzen ist jedoch die Wirksamkeit der bisher verfügbaren Leukotrien-Rezeptorantagonisten recht bescheiden. Sie sind offensichtlich weniger wirksam als das (billigere) inhalativ verabreichte Beclometason. Dies trifft insbesondere auch bei Kindern mit Asthma zu.
Für einzelne Personen mag es einen Vorteil darstellen, dass Montelukast und Zafirlukast als Tabletten eingenommen werden können. Dabei fällt auf, dass bisher noch kein Vergleich mit Theophyllin durchgeführt worden ist. Theophyllin ist zwar keineswegs frei von Nebenwirkungen; seine Eigenschaften sind aber sehr gut bekannt und seine antiasthmatische Wirksamkeit höchstwahrscheinlich derjenigen von Montelukast überlegen. Solange wir nicht über mehr Langzeiterfahrungen mit Leukotrien-Rezeptorantagonisten verfügen und nicht mehr über allfällige Zusammenhänge mit einer eosinophilen Vaskulitis wissen, stellen inhalativ verabreichte Kortikosteroide oder Theophyllin die bessere Wahl dar.
Literatur
- 1) Spanaus K. pharma-kritik 1998; 20: 1-3
- 2) Markham A, Faulds D. Drugs 1998; 56: 251-6
- 3) Zhao JJ et al. Biopharm Drug Dispos 1997; 18: 769-77
- 4) Chiba M et al. Drug Metab Dispos 1997; 25: 1022-31
- 5) Noonan MJ et al. Eur Respir J 1998; 11: 1232-9
- 6) Reiss TF et al. Arch Intern Med 1998; 158: 1213-20
- 7) Knorr B et al. JAMA 1998; 279: 1181-6
- 8) Malmstrom K et al. Ann Intern Med 1999; 130: 487-95
- 9) Reiss TF et al. Eur Respir J 1997; 10: 437s (Abstract)
- 10) Knorr B et al. Eur Respir J 1997; 10: 219s (Abstract)
- 11) Leff JA et al. N Engl J Med 1998; 339: 147-52
- 12) Kemp JP et al. J Pediatr 1998; 133: 424-8
- 13) Leff JA et al. Am J Respir Crit Care Med 1997; 155: A976 (Abstract)
- 14) Kuna P et al. Am J Respir Crit Care Med 1997; 155: A975 (Abstract)
- 15) Turpin JA et al. Am J Respir Crit Care Med 1998; 157 (Part 2): A456 (Abstract)
- 16) http://www.fda.gov/medwatch/safety/1998/singul.htm
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