Nebenwirkungen von Arzneimittel-Pflastern

Übersicht

Viele Medikamente vermögen die Haut zu durchdringen und können auf diese Weise systemisch wirksam werden. Um die Freisetzungsrate über längere Zeit konstant zu halten, wurde das sogenannte transdermale therapeutische System (TTS) entwickelt. Dabei erfolgt die Freisetzung der Wirksubstanz durch membrankontrollierte Diffusion; diese bewirkt eine langsame, kontinuierliche Verabreichung der Wirksubstanz durch die Haut. Eine präsystemische Metabolisierung kann auf diese Weise umgangen und unnötig hohe Plasmaspiegel vermieden werden. In der Regel werden weniger gastrointestinale Nebenwirkungen als nach oraler Verabreichung beobachtet.
Den Pflastern gemeinsam sind die lokalen unerwünschten Wirkungen. Diese können durch die Wirksubstanz oder durch andere Komponenten des transdermalen therapeutischen Systems hervorgerufen werden. Daneben können auch systemische Nebenwirkungen auftreten, die entsprechend den unterschiedlichen Substanzen sehr verschieden ausfallen.
In der Schweiz sind vier Substanzen als Arzneimittel-Pflaster erhältlich: Nikotin (Nicotinell® TTS), Nitroglycerin (Deponit®, Nitroderm® TTS, Nitro-Dur®), Östradiol

(Estraderm® TTS) und Scopolamin (Scopoderm® TTS). Die Statistik der Schweizerischen Arzneimittel-Nebenwirkungs- Zentrale (SANZ) beinhaltet insgesamt 95 Meldungen im Zusammenhang mit transdermalen therapeutischen Systemen. 18 Meldungen bezogen sich auf Nikotin, 8 auf Nitroglycerin, 13 auf Östradiol und 56 auf Scopolamin. Eine kausale Beurteilung der Fälle ist zumeist schwierig.

Nikotin

Nikotin kann als Adjuvans bei der Raucherentwöhnung eingesetzt werden. Es ersetzt einen Teil des gerauchten Nikotins, mildert dadurch die Entzugssymptome und erleichtert so den Entzug. Mit den Nikotin-Kaugummis (Nicorette®) wird die Rauchergewohnheit einer diskontinuierlichen Nikotinzufuhr imitiert, auch wenn die Nikotinplasmaspiegel beim Kauen langsamer steigen und fallen. Die Nikotin-Pflaster (Nicotinell® TTS) hingegen geben kontinuierlich ihre Wirksubstanz ab und führen zu einem ständig ungefähr gleichbleibenden Nikotinspiegel.(1) Die Nikotin-Pflaster sind ein wirksames Adjuvans bei der Raucherentwöhnung von motivierten Raucherinnen und Rauchern. Die Wirksamkeit der Pflaster und der Nikotin- Kaugummis scheint vergleichbar zu sein. Wenn die behandelten Personen gleichzeitig verhaltenstherapeutisch begleitet werden, steigen die Erfolgsraten: nach einem Jahr rauchen dann 25 bis 35% der ehemaligen Raucher nicht mehr. Mit Nikotin-Pflastern allein sind es nur 10 bis 20% -- kein wesentlicher Erfolg gegenüber Placebo mit 2 bis 12%.(2)

Lokale Reaktionen
Etwa die Hälfte der behandelten Personen klagt über ein leichtes bis mässiges Erythem an der Applikationsstelle oder vorübergehenden Juckreiz. Knapp 15% entwickeln ein schweres Erythem; generalisierte Exantheme oder Kontaktallergien sind selten. 1 bis 7% der Behandelten müssen die Behandlung wegen lokaler Reaktionen wieder absetzen.

Die Texte dieser Ausgabe wurden von Katharina Tobler zusammengestellt.

Die Beiträge zu den Schweizer Erfahrungen wurden uns freundlicherweise von Katharina Hartmann und Max Kuhn, Schweizerische Arzneimittel-Nebenwirkungs-Zentrale (SANZ), zur Verfügung gestellt.

Systemische Nebenwirkungen
Im Vordergrund stehen unerwünschte Wirkungen von seiten des zentralen Nervensystems (Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit), gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, dyspeptische Beschwerden, Geschmacksstörungen) und Schlafstörungen (Schlaflosigkeit, Alpträume).
In zwei Studien bei insgesamt 166 Personen mit Koronarerkrankungen ergab sich keine Zunahme kardiovaskulärer Symptome unter einer Behandlung mit Nikotin-Pflastern. Fallberichte dokumentieren allerdings schwere Zwischenfälle bei Personen, die während der Behandlung weiterrauchten.
(2) Der amerikanischen Arzneimittelbehörde «Food and Drug Administration» (FDA) wurden 1992 mindestens sechs Fälle von akutem Myokardinfarkt gemeldet bei Personen, die zusätzlich zu den Nikotin-Pflastern rauchten. Das FDA hat sich bisher aber nicht entschlossen, eine Warnung auszusprechen.

Eine 55jährige Frau hatte über mehrere Jahre etwa 25 Zigaretten täglich geraucht. Sie entschloss sich, mit dem Rauchen aufzuhören; eine adjuvante Behandlung mit Nikotin- Pflastern (Nicotinell® TTS 30) sollte sie dabei unterstützen. Am Morgen des ersten Behandlungstages rauchte die Patientin noch drei Zigaretten; um fünf Uhr nachmittags applizierte sie dann das Pflaster. Etwa fünf Stunden später trat ein substernales Brennen auf, gefolgt von Übelkeit, Erbrechen und Schwindel. Das EKG zeigte ein Vorhofflimmern mit einer Kammerfrequenz von 150/Minute sowie ST-Senkungen. Nach intravenöser Gabe von 90 mg Flecainid (Tambocor®) normalisierte sich das EKG wieder und blieb auch in den nächsten Tagen unauffällig. Die Anamnese erbrachte keine Hinweise auf vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes mellitus.
Die Autoren nehmen an, dass das Vorhofflimmern bei dieser Patientin durch das Nikotin-Pflaster ausgelöst wurde. Ähnliche Fälle traten bereits im Zusammenhang mit Nikotin-Kaugummis auf. Ob die am Morgen gerauchten drei Zigaretten ebenfalls einen Einfluss hatten, kann nicht sicher ausgeschlossen werden.
(3)

Schweizer Erfahrungen
Die SANZ erhielt im Zusammenhang mit Nicotinell® TTS zehn Meldungen von lokalen Reaktionen, sieben von kardiovaskulären Nebenwirkungen und bei einer Person wurden gastroduodenale Ulzera beobachtet.

Bei einem 34jährigen Mann trat nach einer einmonatigen Behandlung mit täglich einem Nicotinell® TTS 30-Pflaster als Erstmanifestation einer koronaren Herzkrankheit ein akuter Myokardinfarkt auf. Als kardiovaskuläre Risikofaktoren wies der Patient neben dem Nikotinabusus eine Hypertonie und eine Hypercholesterinämie auf.

Nitroglycerin

Nitrate senken den Sauerstoffverbrauch des Herzens hauptsächlich durch eine Senkung der Vorlast («preload »); ausserdem verbessern sie wahrscheinlich direkt den koronaren Blutfluss und senken in höherer Dosierung die Nachlast («afterload») des Herzens. Sie werden zur Kupierung von Angina-pectoris-Anfällen und zur Anfallsprophylaxe eingesetzt.
Nitroglycerin-Pflaster (Deponit®, Nitroderm® TTS, Nitro- Dur®) werden zur Prophylaxe von Angina-pectoris- Anfällen bei Patienten mit stabiler Angina pectoris gegeben. Eine Toleranz auf Nitroglycerin entwickelt sich nach etwa 8 bis 12 Stunden bei der Mehrzahl der Personen, die kontinuierlich mit Nitrat-Pflastern behandelt werden. Deshalb wird eine intermittierende Therapie mit einem nitratfreien Intervall von 10 bis 12 Stunden empfohlen. Allerdings ist nicht sicher geklärt, wie gefährlich dieses nitratfreie Intervall für die Patienten ist und wie es allenfalls sinnvoll zu überbrücken ist. Auch müssen Langzeitstudien noch zeigen, ob die Wirksamkeit einer intermittierenden Therapie über längere Zeit anhält und wie gut die Wirkung der Nitroglycerin-Pflaster insbesondere im Vergleich mit anderen langwirksamen Nitraten ist.(4,5)

Lokale Reaktionen
Hautreaktionen werden bei 2 bis 4% beobachtet; bei etwa der Hälfte davon muss die Behandlung deswegen abgesetzt werden. Die lokale Reaktion wird meist durch die Wirksubstanz selber ausgelöst.

Systemische Reaktionen
Bei 20 bis 30% der behandelten Personen treten systemische Nebenwirkungen auf, die bei 5 bis 10% zum Behandlungsabbruch führen.
Die Mehrzahl der systemischen Nebenwirkungen wird durch die Vasodilatation verursacht. Am häufigsten klagen die Behandelten über Kopfschmerzen; häufig verschwinden diese spontan nach einigen Tagen oder nach einer Dosisreduktion. Beim Aufstehen können wegen des erniedrigten Blutdrucks Schwindel, Schwäche oder Synkopen auftreten. Hypotonie und Reflextachykardie können den koronaren Blutfluss vermindern und zu einer Verschlechterung der Angina-pectoris-Symptome führen. Seltener werden eine Bradykardie, Hautrötung, Übelkeit und Erbrechen beschrieben.(4)
Einer 65jährige Patientin wurde von ihrem Hausarzt wegen paroxysmaler nächtlicher Atemnot ein Nitroglycerin- Pflaster verschrieben. Seit drei Jahren nahm sie zudem wegen einem Vorhofflimmern Digoxin ein und war wegen transitorischer ischämischer Attacken antikoaguliert. Zwei Stunden nach Applikation des Pflasters entwickelte die Patientin starke, frontale Kopfschmerzen. Obwohl das Pflaster daraufhin entfernt wurde, verschwanden die Kopfschmerzen nicht. Die Untersuchung zeigte eine Patientin in mässig eingeschränktem Bewusstseinszustand, die Reflexe waren symmetrisch, der Babinsky beidseits positiv. Das EKG zeigte keine akuten Veränderungen, im Labor fanden sich eine normale Zahl von Blutplättchen und eine adäquate Antikoagulation. Das notfallmässig durchgeführte Schädel-Computertomogramm zeigte beidseitige, parietale intrazerebrale Blutungen sowie ein kleines frontales Subduralhämatom. Der Zustand der Patientin verschlechterte sich zusehends; sie verstarb 48 Stunden nach Aufkleben des Nitroglycerin-Pflasters.
Der Autor nimmt an, dass das Nitroglycerin-Pflaster bei dieser Frau die Blutungen herbeiführte. Er empfiehlt, Nitrate bei Personen mit zerebrovaskulären Erkrankungen zurückhaltend zu geben.(6)

Schweizer Erfahrungen
Die SANZ erhielt im Zusammenhang mit Nitroglycerin- Pflastern vier Meldungen von lokalen Reaktionen, zwei von kardiovaskulären Nebenwirkungen und in je einem Fall traten gastrointestinale Nebenwirkungen bzw. Kopfschmerzen auf.

Bei einem Patienten manifestierte sich nach fünfmonatiger problemloser Behandlung ein juckendes, brennendes Kontaktekzem an der Applikationsstelle. Epikutanteste ergaben weder eine Reaktion auf ein Placebo-Pflaster noch auf Nitroglycerin selbst. Die wiederholte Applikation des Nitroderm® TTS ergab immer wieder dasselbe Kontaktekzem. Als Ursache wurde eine Reaktion auf das Lösungsmittel Ethanol unter Okklusionsbedingungen angenommen.

Bei einer 56jährigen Patientin kam es unter Nitroderm® TTS 5 zu Nausea und Erbrechen. Die Nitroglycerin-Kaukapseln hatte die Patientin zuvor problemlos ertragen.

Kurz nach Entfernen des Nitroglycerin-Pflasters starben zwei Personen an einem Sekundenherztod. Beide waren über 70 Jahre alt und beide hatten eine kardiovaskulär belastete Vorgeschichte (Koronarsklerose, Status nach Herzinfarkt, Herzinsuffizienz). Dennoch muss ein «Rebound »-Phänomen in Betracht gezogen werden.

Östradiol

Eine Östrogen-Substitution wird zur Behandlung von menopausebedingten Beschwerden und zur Prävention von Östrogenmangel-Folgeerkrankungen empfohlen. Im Zusammenhang mit dieser Behandlung sind noch zahlreiche Fragen offen. So ist z.B. der Nutzen einer zyklisch-sequentiellen Behandlung mit Östrogenen und Gestagenen ungenügend definiert. Auch über die langfristigen Konsequenzen für Osteoporose-bedingte Frakturen und kardiovaskuläre Erkrankungen herrscht noch keine Klarheit. Zudem ist die transdermale Applikation (Estraderm® TTS) noch deutlich weniger dokumentiert als die orale.(7,8)

Lokale Reaktionen
Bei etwa 14% der Behandelten treten lokale Reaktionen auf; sie machen fast die Hälfte der unerwünschten Wirkungen aus. Meist werden ein leichtes Erythem und Pruritus beobachtet. Etwa 6% der Patientinnen brechen die Behandlung wegen lokaler Nebenwirkungen ab.

Eine 51jährige Frau in der Menopause wurde mit zweimal 4 mg Östradiol pro Woche behandelt (= 2 Estraderm® TTS 50 pro Woche). Nach vierwöchiger Therapie entwickelte die Patientin am Applikationsort ein konfluierendes, papulo-vesikulöses Exanthem. Zur Abklärung dieser Kontaktallergie wurden verschiedene Pflaster geprüft. Die Patientin entwickelte einzig auf Estraderm® TTS 50 eine positive Reaktion. Eine Kontaktallergie auf Östradiol ist bei dieser Frau wahrscheinlich.(9)

Bei einer ebenfalls 51jährigen Frau entwickelte sich nach fünfwöchiger Behandlung mit Estraderm® TTS 100 an der Stelle des aufgeklebten Pflasters ein juckendes, papulöses Exanthem. Wiederum wurden verschiedene Pflaster geprüft. Die Patientin zeigte eine starke Reaktion auf das transdermale therapeutische System von Estraderm® TTS, jedoch keine Reaktion auf Östradiol.(10)

Systemische Nebenwirkungen
Dosisabhängige systemische Östrogen-Nebenwirkungen sind Empfindlichkeit der Brüste, vaginale Blutungen, Flüssigkeitsretention, Kopfschmerzen und Übelkeit. Im Gegensatz zu oralem Östradiol ergeben sich mit transdermalem Östradiol keine Veränderungen der Plasmakonzentrationen von Renin, der Blutgerinnungsfaktoren oder der Sexualhormon-, Thyroxin- und Cortisol-bindenden Globuline. In Vergleichsstudien war die Nebenwirkungsrate der Östradiol-Pflaster aber nicht niedriger als bei oraler Therapie. Thromboembolische Komplikationen -- wie sie bei einer Behandlung mit östrogenhaltigen Kontrazeptiva auftreten können -- wurden im Rahmen einer postmenopausalen Östrogensubstitution, welche mit niedrigeren Dosierungen auskommt, nicht nachgewiesen. Trotzdem soll bei Frauen mit thromboembolischen Ereignissen in der Anamnese auf eine Östrogensubstitution verzichtet werden. (7,8)

Schweizer Erfahrungen
Die SANZ erhielt im Zusammenhang mit Estraderm® TTS vier Meldungen von Hautreaktionen und weitere vier von kardiovaskulären Nebenwirkungen; zweimal wurden Leberenzymstörungen und je einmal Migräne, Ödeme und vaginaler Ausfluss gemeldet.

Eine Patientin mit seborrhoischem Ekzem zeigte etwa einen Monat nach Beginn der Estraderm® TTS-Behandlung periokulär ein schuppendes Ekzem mit zusätzlichen Ekzemherden temporofrontal am Haaransatz sowie an der lateralen Halspartie. Eine ganze Reihe von Epikutanteste auf Kosmetika und diverse Salbengrundlagen fielen negativ aus; einzig die Reaktion auf Estraderm® TTS war deutlich positiv. Differentialdiagnostisch wurden eine Ausbreitung des seborrhoischen Ekzems oder ein disseminiertes allergisches Ekzem auf Estraderm® TTS in Erwägung gezogen.
Eine 50jährige Patientin erlitt nach einer Diskushernien- Operation eine Lungenembolie; eine 52jährige Patientin entwickelte eine Thrombose der rechten Armvene. Beide Frauen erhielten neben der Östrogensubstitution gleichzeitig ein gestagenhaltiges Präparat. Über prädisponierende Faktoren liegen in beiden Fällen keine Angaben vor. Bei einer anderen 52jährigen Patientin, welche neben Estraderm® TTS 25 täglich 10 mg Medroxyprogesteron erhielt, trat etwa ein Monat nach Therapiebeginn eine Unterschenkelvenenthrombose auf. Weder Risikofaktoren noch thromboembolische Komplikationen in der Vorgeschichte waren bekannt.

Scopolamin

Scopolamin ist ein Belladonna-Alkaloid mit antimuskarinergen Eigenschaften. Die Scopolamin-Pflaster (Scopoderm ® TTS) werden vor allem zur Vorbeugung gegen Symptome der Reisekrankheit angewendet. Ihre Wirksamkeit entspricht etwa derjenigen von oral verabreichtem Scopolamin. (11) Transdermales Scopolamin kann wahrscheinlich auch postoperatives Erbrechen vermindern. Die Resultate erster Studien sind allerdings widersprüchlich.

Lokale Reaktionen
Gelegentlich treten Hautreizungen an der Applikationsstelle auf, in einzelnen Fällen generalisierte Exantheme. 164 Marinesoldaten wurden während mehrerer Monate mit Scopolamin-Pflastern gegen die Seekrankheit behandelt. Sechzehn davon entwickelten eine allergische Kontaktdermatitis mit Juckreiz und Erythem. Der Juckreiz begann jeweils einige Stunden nach der Applikation und dauerte wenige Tage. Das Erythem war 24 bis 48 Stunden nach der Applikation gut sichtbar. Wurde das Pflaster hinter das andere Ohr geklebt, wiederholte sich dort die lokal-allergische Reaktion.(12)

Systemische Nebenwirkungen
Am häufigsten sind anticholinerge Reaktionen: Bei etwa der Hälfte aller behandelten Personen tritt Mundtrockenheit auf; auch Seh- und Akkomodationsstörungen kommen vor. Gelegentlich werden zentralnervöse Nebenwirkungen wie Halluzinationen, Konfusion, Agitation oder Desorientierung beobachtet, vor allem bei Kindern und älteren Personen.(11) Über zentralnervöse Nebenwirkungen von Scopolamin-Pflastern hat pharma-kritik bereits 1988 einmal berichtet.(13)

Eine 60jährige Frau applizierte sich vor einer sechstägigen Kreuzfahrt ein Scopolamin-Pflaster hinter dem Ohr. Einen Tag später fühlte sie sich schwindlig, klagte über Mundtrockenheit, unscharfes Sehen und Schläfrigkeit. Intermittierend hatte sie visuelle, akustische und taktile Halluzinationen. Sie sah beispielsweise, wie kleine alte Damen und junge Leute sich in ihrer Schiffskabine versteckten, wie Flammen aus der Türklinke loderten und fühlte, wie sie jemand an den Haaren zog. Der Schiffsarzt stellte die Diagnose nicht. Die Frau ersetzte vorschriftsgemäss das Scopolamin-Pflaster nach drei Tagen.
18 Stunden nach Entfernung des zweiten Scopolamin- Pflasters wurde die Patientin im Spital untersucht. Sie war noch immer agitiert und unruhig, hatte aber keine Halluzinationen mehr. Die Mundschleimhaut war trocken. Die körperliche Untersuchung war unauffällig.(14)

Eine andere Frau, die ebenfalls an einer Kreuzfahrt teilnahm, trug während vier Tagen ein Scopolamin-Pflaster hinter dem rechten Ohr; sie war zudem Trägerin von Kontaktlinsen. Am vierten Tag klagte sie über Lichtempfindlichkeit und Schmerzen in ihrem rechten Auge. Die Pupille rechts war deutlich dilatiert. Die Kontaktlinsen und das Scopolamin-Pflaster wurden entfernt. Tags darauf waren sämtliche Symptome verschwunden. Die Autoren nehmen aufgrund der Anamnese an, dass sich diese Frau während des Haarwaschens die Finger mit Scopolamin kontaminierte; beim Einsetzen der Kontaktlinse gelangte dann eine mydriatisch wirksame Dosis Scopolamin ins rechte Auge.(15)

Schweizer Erfahrungen
Die SANZ erhielt im Zusammenhang mit Scopoderm® TTS 36 Meldungen von zentralnervösen Nebenwirkungen, 15 Meldungen von Nebenwirkungen an den Augen (hauptsächlich Akkomodationsstörungen), bei zwei Personen wurden Entzugssymptome und in je einem Fall eine lokale Hautreaktion, fehlende Schweissekretion und verminderte Libido beobachtet.

Eine 76jährige Patientin klebte sich vor einer Carfahrt ein Scopolamin-Pflaster hinter das Ohr. Nach der Reise vergass sie, das Pflaster zu entfernen. Einen Tag später trat ein psychotischer Zustand mit schweren akustischen und optischen Halluzinationen auf. Nach Entfernung des Pflasters und unter Neuroleptika-Therapie verschwanden diese Symptome innerhalb von zwei Tagen.

Literatur

  1. 1) Beutler M. pharma-kritik 1990; 12: 41-3
  2. 2) Palmer KJ et al. Drugs 1992; 44: 498-529
  3. 3) Ottervanger JP et al. JAMA 1993; 269: 1940
  4. 4) Todd PA et al. Drugs 1990; 40: 880-902
  5. 5) Fletcher A. Drugs Aging 1991; 1: 6-16
  6. 6) Boggild M. Br Med J 1992; 305: 1000
  7. 7) Balfour JA, McTavish D. Drugs Aging 1992; 2: 487-507
  8. 8) Balfour JA, Heel RC. Drugs 1990; 40: 561-82
  9. 9) Carmichael AJ, Foulds IS. Contact Dermat 1992; 26: 194-5
  10. 10) Torres V et al. Contact Dermat 1992; 26: 53-4
  11. 11) Drug Ther Bull 1989; 27: 91-2
  12. 12) Gordon CR et al. Br Med J 1989; 298: 1220-1
  13. 13) pharma-kritik 1988; 10: 35
  14. 14) Ziskind AA. Postgrad Med 1988; 84 (Sep): 73-6
  15. 15) Riddick FA, Jordan JD. Ann Int Med 1992; 117: 95

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen von Arzneimittel-Pflastern (28. März 1993)
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