Betamimetika nur noch bei Bedarf?
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 13
, Nummer 1, PK550
Redaktionsschluss: 14. Januar 1991 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
ceterum censeo
Mit Formoterol (Foradil®) ist in der Schweiz zum ersten Mal ein inhalierbares Betamimetikum verfügbar, das eine lange Wirkungsdauer besitzt. Schon bald könnten noch weitere Sympathomimetika eingeführt werden, bei denen nach einer Inhalation ebenfalls mit einer Wirkung von 12 Stunden gerechnet werden kann. Unter den Qualitäten dieser Substanzen wird besonders die Erleichterung der Compliance hervorgehoben. Ist es aber tatsächlich von Vorteil, regelmässig Betamimetika anzuwenden? Diese Frage ist noch nie so akut gewesen wie heute und verdient eine genauere Analyse.
Schon seit Jahren fragt man sich, weshalb die Asthmamortalität nicht abnimmt oder in einzelnen Ländern sogar zunimmt. Seit 1989 erregen insbesondere Untersuchungen aus Neuseeland das Interesse der Experten. Zwei Fall-Kontroll-Studien haben eine Zunahme der Asthmatodesfälle mit der Anwendung von Fenoterol (Berotec®) in Zusammenhang gebracht.(1,2) Die Veröffentlichung dieser Studien hat zu einer heftigen Kontroverse geführt, in der insbesondere die Rolle von Fenoterol umstritten wird. Es wird darauf hingewiesen, dass Fenoterol in Neuseeland möglicherweise besonders denjenigen Asthmapatienten verschrieben wurde, die auf andere Medikamente ungenügend reagierten und somit ein höheres Risiko aufwiesen. Diskutiert wird auch, ob die üblicherweise empfohlene Fenoteroldosis (1 bis 2 Aerosolstösse = 200 bis 400 mg) im Vergleich mit anderen Betamimetika zu hoch sei. Letztere Vermutung wird durch eine Studie gestützt, die zeigen konnte, dass Fenoterol in den empfohlenen Dosen zu mehr Tachykardie, Tremor und Hypokaliämie als die anderen b2-Sympathomimetika führt.3
Nun ist eine Untersuchung veröffentlicht worden, die nach der Meinung ihrer Autoren für alle inhalierbaren Betamimetika von Bedeutung ist. 64 Personen mit «stabilem» Asthma bronchiale erhielten doppelblind während je 24 Wochen Fenoterol (4mal 200 mg täglich) bzw. ein Placebo. Die geprüften Substanzen wurden in Pulverform inhaliert. Das vorher verwendete Aerosol mit Fenoterol, Salbutamol oder Terbutalin durfte während der ganzen Zeit nur noch nach Bedarf eingesetzt werden; fast alle Patienten verwendeten aber weiterhin regelmässig Steroid-Aerosole. Das Befinden der Patienten wurde u.a. mittels Symptomtagebuch, Messungen der «Peak Expiratory Flow Rate» und anhand der zusätzlich notwendigen Betamimetikum- Aerosolstösse beurteilt. Bei 57 Patienten fanden sich deutliche Unterschiede zwischen der Fenoterol- und der Placebo-Phase; 17 ging es während der Fenoterol-, 40 während der Placebo-Phase besser. Mit anderen Worten: wenn die Patienten das Betamimetikum regelmässig (und nicht nur bei Bedarf) anwendeten, ging es ihnen meistens schlechter.(4)
In einem begleitenden Editorial wird die Schlussfolgerung der Arbeit -- Betamimetika sollten nur bei Bedarf eingesetzt werden -- unterstrichen und auf die möglichen Gefahren neuer langwirkender Betamimetika hingewiesen.(5)
Noch sind aber in diesem Zusammenhang viele Fragen offen. Dies lässt sich schon daran erkennen, dass das «Lancet » weniger als ein Monat nach Publikation der Studie bereits neun Leserbriefe zum Thema veröffentlicht hat. Im Mittelpunkt steht natürlich die Frage, ob aus einer verhältnismässig kleinen Studie so definitive, verallgemeinernde Schlüsse gezogen werden dürfen. Erstaunlich und auch erschreckend ist, dass die langfristigen Auswirkungen der bisher verwendeten Betamimetika offenbar kaum genauer erforscht worden waren. Jetzt ist zu hoffen, dass bald Klarheit geschaffen wird. Gemäss einer noch nicht veröffentlichten holländischen Studie soll sich jedenfalls Salbutamol (Ventolin®) ähnlich ungünstig wie Fenoterol auswirken (van Weel C, persönliche Mitteilung).
Ob die mit dem langwirkenden Formoterol durchgeführten Langzeitstudien genügen, möchte ich bezweifeln. Es scheint mir heute klar, dass nur placebokontrollierte Studien nach dem Modell der beschriebenen Fenoterolstudie über Langzeiteffekte adäquate Auskunft geben.
Viele Pneumologen sind wohl heute noch der Meinung, wir sollten unsere bisher gültigen Empfehlungen einer regelmässigen Betamimetika-Inhalation nicht ändern. Dennoch glaube ich, wir müssten die inhalative Therapie bei allen Asthmakranken neu überdenken und beispielsweise auch prüfen, ob wir die Möglichkeiten der Steroid- Inhalation genügend ausnützen.
Etzel Gysling
Literatur
- 1) Crane J et al. Lancet 1989; 1: 917-22
- 2) Pearce N et al. Thorax 1990; 45: 170-5
- 3) Wong CS et al. Lancet 1990; 336: 1396-9
- 4) Sears MR et al. Lancet 1990; 336: 1391-6
- 5) Lancet 1990; 336: 1411-2
Standpunkte und Meinungen
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