Therapie der primären Dysmenorrhoe

Übersicht

Die primäre Dysmenorrhoe wird als schmerzhafte Monatsblutung ohne organisch-pathologische Veränderungen der Genitalorgane definiert. Die Beschwerden setzen normalerweise kurz nach der Menarche mit dem Auftreten regelmässiger ovulatorischer Zyklen ein. Sie werden als Ausdruck übermässiger oder ungeordneter Uteruskontraktionen verstanden. Frauen, die eine frühe Menarche hatten und solche, die eine lange Menstruationsdauer haben, scheinen häufiger unter schweren Dysmenorrhoen zu leiden. Mit zunehmendem Alter und nach einer Geburt nehmen die Beschwerden üblicherweise ab.(1)
Es wird heute versucht, die Dysmenorrhoe in erster Linie durch Prostaglandin-abhängige Mechanismen zu erklären. Im Menstrualblut und im peripheren Blut dysmenorrhoischer Frauen wurden hohe Konzentrationen an Prostaglandin F2a gefunden. Diese Substanz wie auch andere, schwieriger nachweisbare Produkte der Prostaglandinsynthese (z.B. Thromboxan A2 und zyklische Endoperoxide) können exzessive Kontraktionen der Uterusmuskulatur verursachen. Die Ursache der gesteigerten Prostaglandinproduktion bei primärer Dysmenorrhoe ist jedoch noch nicht geklärt.(2)
Im Gegensatz dazu spielen bei der sekundären Dysmenorrhoe, die üblicherweise erst im Verlauf der reproduktiven Phase entsteht, meist pathologische Organveränderungen eine Rolle. Ursachen der sekundären Dysmenorrhoe können Endometriosen, ein Uterus myomatosus und eine Polyposis des Endometriums sein.(3)

Therapiemöglichkeiten

Vor Beginn einer Therapie sollte eine genaue Abklärung der Beschwerden erfolgen. Vor allem die sekundäre Dysmenorrhoe erfordert im allgemeinen eine spezifische Behandlung der organischen Störung. Für die primäre Dysmenorrhoe haben sich die oralen Kontrazeptiva und die Prostaglandinsynthesehemmer in der Praxis gut bewährt. In kleineren Studien wurde auch Magnesium geprüft.

Orale Kontrazeptiva
Welche Mechanismen für die therapeutische Wirkung hormonaler Kontrazeptiva verantwortlich sind, wurde bei 17 Patientinnen mit Dysmenorrhoe untersucht. Der intrauterine Druck wurde einmal zu Beginn einer schmerzhaften Menstruation gemessen und ein zweites Mal nach einer dreiwöchigen Therapie mit einem hormonalen Ovulationshemmer (150 mg Levonorgestrel und 30 mg Ethinylestradiol). Die erste Messung war charakterisiert durch eine intensive Uterusaktivität mit hoher Frequenz und Amplitude der Kontraktionen bei gleichzeitig erhöhtem Tonus. Durch die Hormontherapie wurden diese Werte signifikant gesenkt, was auch mit einer deutlichen Verminderung der Schmerzen korrelierte. Zusätzlich wurde die Reaktion auf eine Stimulation der Uterusmuskulatur mit Vasopressin oder Prostaglandin F2a geprüft. Mit Ausnahme einer Zunahme der Frequenz der Uteruskontraktionen nach Vasopressin-Stimulation wurde durch das Kontra- signifikant verändert. Immerhin berichteten die Patientinnen unter dem Kontrazeptivum über weniger Beschwerden nach Stimulation.(4)
Der Einfluss der Zusammensetzung oraler Kontrazeptiva auf die Wirksamkeit bei Dysmenorrhoe wurde anhand einer Befragung von 558 neunzehnjährigen Frauen untersucht. (Es handelte sich um etwa ein Viertel aller im Jahre 1981 in Göteborg lebenden, neunzehnjährigen Frauen.) 191 der Frauen nahmen gestagenbetonte (Norgestrel-haltige) und 55 von ihnen östrogenbetonte (Lynestrenoloder Norethisteron-haltige) Präparate ein. 27 machten keine Angaben über ihr Präparat und 285 benutzten weder orale Kontrazeptiva noch eine Spirale. Verglichen mit den Frauen, welche weder orale Kontrazeptiva noch Spirale benutzten, wiesen Benutzerinnen oraler Kontrazeptiva eine signifikant geringere Prävalenz und Ausprägung der Dysmenorrhoe auf. Dagegen hatten Frauen, die ein «gestagenbetontes» Kontrazeptivum nahmen, nicht weniger Dysmenorrhoe als Benutzerinnen anderer (d.h. «östrogenbetonter») oraler Kontrazeptiva.(5)

Die Indikation ist bei Frauen, die einen oder mehrere Risikofaktoren für thromboembolische Komplikationen aufweisen, genau abzuwägen. Risikofaktoren sind: Rauchen, erbliche Tendenz für thromboembolische Komplikationen, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Adipositas und Diabetes.

Prostaglandinsynthesehemmer
Prostaglandinsynthesehemmer, die sonst meistens als Entzündungshemmer z.B. bei rheumatischen Leiden eingesetzt werden, stellen bei Dysmenorrhoe eine kausal begründete Therapie dar. Im Blut menstruierender Frauen, die an Dysmenorrhoe litten, konnten erhöhte Prostaglandin- F2a-Spiegel gemessen werden. Prostaglandinsynthesehemmer blockieren die Zyklooxygenase und hemmen dadurch die Bildung von Prostaglandinen aus Arachidonsäure. Für die Meclofenaminsäure (Meclomen ®) und die Mefenaminsäure (Ponstan® u.a.) konnte zudem gezeigt werden, dass sie Prostaglandin-E2-spezifische Rezeptoren besetzen.(6)
In ihrer Wirkung auf die Dysmenorrhoe gleichen sich alle diese Medikamente. Als gesichert gilt, dass sie wirksamer sind als Placebo, Paracetamol (Panadol® u.a.) und Dextropropoxyphen (Depronal®).
Interessant ist eine Studie, in der die Placebowirksamkeit untersucht wurde. 55 Patientinnen, die in einem ersten Zyklus gut auf Placebo angesprochen hatten (Placebo-Responders), wurden in einer Doppelblindstudie für weitere 3 Monate entweder mit einem Prostaglandinsynthesehemmer (z.B. Naproxen = Proxen® u.a.) oder mit Placebo behandelt. Die Wirksamkeit der Placebotherapie nahm mit jedem Monat stark ab. Im ersten Zyklus betrug sie noch 84%, im vierten nur noch 10%. Die Prostaglandinsynthesehemmer übten dagegen eine gleichbleibende Wirkung bei über 80% der Patientinnen aus.(7)
Viele Vergleichsstudien zeigen allgemein eine gute Wirksamkeit der verschiedenen Prostaglandinsynthesehemmer. Eine Auswahl von Substanzen, die bei Dysmenorrhoe geprüft worden sind, findet sich in Tabelle 1. Nach verschiedenen Übersichtsarbeiten(8,9) scheint für die Wirksamkeit weniger die Wahl einer bestimmten Substanz als vielmehr die adäquate Dosierung ausschlaggebend zu sein. Dabei sind vor allem pharmakokinetische Parameter zu beachten. Substanzen mit kurzer Halbwertszeit erfordern eine häufigere Verabreichung als solche mit mittellanger oder langer Halbwertszeit. In den letzten Jahren wurde vermehrt Piroxicam (Felden® u.a.) geprüft und ein vergleichbarer Erfolg gefunden. Ob es allerdings sinnvoll ist, eine Substanz mit so langer Halbwertszeit bei Schmerzen einzusetzen, die auch mit wenigen Gaben eines kurzwirkenden Mittels behandelt werden können, ist fraglich.
Ob ein früher Behandlungsbeginn bessere Resultate ergibt als ein später, wurde in einer kleinen placebokontrollierten Studie mit 14 Patientinnen untersucht. Frauen, die mit der Einnahme von Ibuprofen (z.B. Brufen®; 4mal 400 mg täglich) schon drei Tage vor der erwarteten Blutung begannen, hatten nicht weniger Beschwerden als solche, die das Medikament erst mit Beginn der Menstruation erhielten. (10) Beginnt man die Therapie erst bei Einsetzen der Blutung oder Schmerzen, so lässt sich das Risiko einer Medikation während einer allfälligen Frühschwangerschaft vermeiden. Wichtig ist deshalb die Wahl einer Substanz mit schnellem Wirkungseintritt: Für die meisten Präparate beträgt die Latenz bis zum Wirkungseintritt ein bis zwei Stunden; retardierte Präparate wirken verzögert. Naproxen-Natrium (Apranax®) wirkt etwas rascher als Naproxen (z.B. Proxen®). Ob dies auch für Diclofenac-Kalium (Voltaren® rapid) zutrifft, ist meines Wissens für die Dysmenorrhoe nicht dokumentiert. Nicht angewendet werden sollten Prostaglandinsynthesehemmer bei Patientinnen mit peptischen Ulzera, Dyspepsie oder Acetylsalicylsäure-Unverträglichkeit in der Anamnese, bei schweren Leber- und Nierenerkrankungen sowie bei hämorrhagischer Diathese. Ob unter diesen Umständen Suppositorien besser vertragen werden, ist nicht gesichert.

Magnesium
Da Magnesium sowohl eine therapeutische als auch eine prophylaktische Wirkung bei vorzeitiger Wehentätigkeit hat, wurde versucht, durch Magnesiumverabreichung die Dysmenorrhoe-Symptome zu beeinflussen. Magnesium kann als Kalziumantagonist wirken und so über eine Verminderung der neuromuskulären Erregbarkeit zu einer Relaxation der quergestreiften und glatten Muskulatur führen.
50 Patientinnen mit primärer Dysmenorrhoe erhielten doppelblind für 6 Monate entweder 3mal täglich 5 mmol Magnesiumaspartat (z.B. Magnesiocard®) oder Placebo. Während der Behandlungszyklen konnte eine stetige Abnahme der Dysmenorrhoe unter Magnesiumtherapie festgestellt werden. Nach 6 Monaten waren 21 der 25 Patientinnen in der Magnesiumgruppe weitgehend beschwerde- frei. Die zweimonatlich gemessenen Werte von Prostaglandin F2a im Menstrualblut nahmen unter Magnesium signifikant ab. Am Ende der Studie fanden sich nur noch 45% des Ausgangswertes.(11) In einer weiteren Doppelblindstudie mit 21 Patientinnen wurde der Einfluss einer kurzfristigen Magnesiumtherapie untersucht. Die Frauen erhielten jeweils ein Tag vor Beginn der Menstruation sowie am ersten und am zweiten Zyklustag 3mal täglich 5 mmol Magnesiumaspartat. Erst am zweiten und dritten Zyklustag konnte eine gesicherte Wirkung auf Unterleibs- und Rückenschmerzen festgestellt werden.(12) Es ist somit wahrscheinlich, dass Magnesium die Dysmenorrhoebeschwerden günstig beeinflusst. Wirksamkeit und optimale Dosierung sollten aber noch in grösseren kontrollierten Studien geprüft werden.

Verschiedene Medikamente
In kleineren Studien ist auch die Wirksamkeit von Betamimetika und von Kalziumantagonisten geprüft worden. Diese Therapien scheinen jedoch mehr unerwünschte Wirkungen zu verursachen und vermochten sich nicht durchzusetzen.

Schlussfolgerungen

Mit den Prostaglandinsynthesehemmern und den oralen Kontrazeptiva stehen zwei gut wirksame und verträgliche Therapien zur Verfügung. Wird gleichzeitig eine sichere Empfängnisverhütung gewünscht, stellen die hormonalen Ovulationshemmer die Mittel der Wahl dar. Niedrigdosierte Kontrazeptiva sind vorzuziehen; «gestagen-betonte » Präparate weisen offenbar keine besonderen Vorteile auf. Braucht es keine schwangerschaftsverhütenden Massnahmen oder werden hormonale Kontrazeptiva von der Patientin abgelehnt, so bringt ein Prostaglandinsynthesehemmer (zu Beginn der Blutung oder mit Beginn der Schmerzen) gute Erfolge. Reicht die Wirkung einer Standarddosierung nicht aus, kann durch eine Steigerung bzw. Verdoppelung der Anfangsdosis die Wirkung verbessert werden. Hingegen scheint die «prophylaktische» Gabe einige Tage vor Beginn der Menstruation keine zusätzlichen Vorteile zu bringen. Sofern sich mit einem Prostaglandinsynthesehemmer kein befriedigendes Resultat erreichen lässt, lohnt sich ein Versuch mit einem anderen. So kann in einem solchen Fall z.B. der Wechsel von einem Fenamat auf ein Propionsäurederivat oder umgekehrt Besserung bringen. Prostaglandinsynthesehemmer können auch zusätzlich zu Kontrazeptiva verabreicht werden, wenn diese allein ungenügend wirken.
Eine Magnesiumtherapie scheint eine vielversprechende Alternative zu sein; ihr Nutzen kann aber heute noch nicht abschliessend beurteilt werden.
Kann mit diesen Massnahmen die Dysmenorrhoe nicht unter Kontrolle gebracht werden, sollte eine andere Ursache der Beschwerden durch eine erweiterte Diagnostik ausgeschlossen werden.

Literatur

  1. 1) Sundell G et al. Br J Obstet Gynaecol 1990; 97: 588-94
  2. 2) Bettendorf G, Breckwoldt M, eds. Reproduktionsmedizin. Stuttgart: Gustav Fischer 1989: 480-1
  3. 3) Runnebaum B, Rabe T, eds. Gynäkologische Endokrinologie. Heidelberg: Springer Verlag: 185-6
  4. 4) Ekström P et al. Contraception 1989; 40: 39-47
  5. 5) Milsom J, Andersch B. Gynecol Obstet Invest 1984; 17: 284-92
  6. 6) Rees MCP et al. Lancet 1988; 2: 541-2
  7. 7) Fedele L et al. Pain 1989; 36: 43-7
  8. 8) Owen PR. Am J Obstet Gynecol 1984; 148: 96-103
  9. 9) Shapiro SS. Drugs 1988; 36: 475-90
  10. 10) Chan WY et al. Am J Med 1981; 70: 535-41
  11. 11) Seifert B et al. Zentralbl Gynäkol 1989;111:755-60
  12. 12) Fontana-Klaiber H, Hogg B. Schweiz Rundsch Med (Praxis) 1990; 79: 491-4

Standpunkte und Meinungen

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Therapie der primären Dysmenorrhoe (14. September 1991)
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