Analgetika/Antipyretika

Update

Zu den peripher wirksamen, sogenannten einfachen Schmerzmitteln, die alle auch fiebersenkend wirken, gehören die Salizylate und die anderen nicht-steroidalen Entzündungshemmer, die p-Aminophenol-Derivate (Paracetamol und Phenacetin) sowie die Pyrazolone (z.B. Novaminsulfon, Propyphenazon).
Verschiedene Artikelsammlungen liefern zum Thema der einfachen Schmerzmittel umfassende Übersichten.(1,2)

Acetylsalicylsäure

Acetylsalicylsäure war lange Zeit das wichtigste einfache Schmerzmittel. Schon eine einzelne Dosis hemmt die Plättchenaggregation und verursacht in der Magenschleimhaut endoskopisch sichtbare Hämorrhagien. Beides ist jedoch bei einer kurzdauernden Therapie klinisch meist bedeutungslos, sofern das Blutgerinnungssystem nicht sonst schon beeinträchtigt und keine Ulkusanamnese vorhanden ist. Da seit einigen Jahren eine Assoziation zwischen Acetylsalicylsäure und Reye-Syndrom erwiesen ist, wird die Substanz heute bei Kindern zurückhaltender eingesetzt.

Acetylsalicylsäure und Reye-Syndrom
Das Reye-Syndrom ist ein seltenes Krankheitsbild, das vor allem bei Kindern und Jugendlichen (Inzidenz in dieser Altersgruppe: 1:100’000 bis 1:1’000’000) im Anschluss an eine virale Infektion (Influenza A und B, Varizellen, Enterokolitis) auftritt. Nach einem symptomfreien Intervall von wenigen Tagen beginnt das Kind zu erbrechen, und falls das Reye-Syndrom nicht leicht verläuft, entwickelt sich eine Hepatoenzephalopathie mit Leberverfettung und Hirnödem. Das Bewusstsein ist zunehmend gestört, man findet erhöhte Transaminasenwerte und Ammoniakkonzentrationen, eine verlängerte Prothrombinzeit und manchmal eine Hypoglykämie. Da der Bilirubinstoffwechsel kaum beeinflusst wird, schliesst ein Ikterus in der Regel ein Reye-Syndrom aus. Die Letalität ist hoch (über 20%). Überlebende bleiben oft zerebral geschädigt. Die Chancen für eine Therapie sind um so grösser, je früher das Reye- Syndrom erkannt wird. Die Diagnose ist aber nicht leicht zu stellen; verschiedene Stoffwechseldefekte können sich ähnlich präsentieren; auch Vergiftungen (z.B. mit Salizylaten!) müssen in die Differentialdiagnose miteinbezogen werden. Das Reye-Syndrom ist auch bei Erwachsenen, unabhängig von einer Salicylat-Einnahme, beobachtet worden.(3)
Ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Acetylsalicylsäure und dem Reye-Syndrom wurde erstmals anfangs der achtziger Jahre vermutet.(4) Da diese Untersuchungen nicht über jeden Zweifel erhaben waren,(5) wurde in einer Pilotstudie(6) zunächst geprüft, ob sich das Problem in einer neuen Fall-Kontroll-Studie adäquat erfassen lasse. In der anschliessendenHauptstudie wurden 27 Kinder mit einem Reye-Syndrom 140 vergleichbaren Kindern mit ähnlichen viralen Vorerkrankungen gegenübergestellt. Von den 27 Reye-Syndrom-Fällen hatten 25 Acetylsalicylsäure erhalten, von den 140 Kontrollen nur 53; zudem waren die durchschnittlichen Salizylat-Dosen bei den am Reye-Syndrom Erkrankten mehr als doppelt so hoch. In der Kontrollgruppe war signifikant häufiger Paracetamol verwendet worden (120 von 140 gegenüber 8 von 27 ).(7) Ursprünglich war vorgesehen, mindestens 100 Fälle in die Hauptstudie einzubeziehen; weil sich aber die Reye-Syndrom- Fälle zunehmend verringerten, war es nicht möglich, eine solche Anzahl zu finden. Der epidemiologische Zusammenhang zwischen Reye-Syndrom und Acetylsalicylsäure gilt dennoch als bestätigt. Neue, britische Ergebnisse sind nicht so eindrucksvoll: Von 106 Reye-Syndrom-Patienten hatten 49 nur Acetylsalicylsäure eingenommen, 13 nur Paracetamol, 14 beide Mittel und die restlichen 30 kein Antipyretikum.(8)
Unbestritten weisen alle diese Studien Schwächen auf. Die Diagnose wurde nur selten durch eine Leberbiopsie untermauert, und es lässt sich nicht völlig ausschliessen, dass eine zu Studienbeginn bereits vorhandene Vermutung die Auswahl der Fälle und die Antworten von befragten Eltern beeinflusst hat. Weil das Reye-Syndrom so selten und dazu noch multifaktoriell bedingt ist, kann die Rolle der Salizylate kaum mit einem retrospektiven Ansatz allein bestimmt werden. Daher ist es sinnvoll, Acetylsalicylsäure bei Kindern restriktiver zu verordnen, wie es vielerorts bereits geschehen ist. Im US-Bundesstaat Michigan ist zwischen 1981 und 1983 der Gebrauch von Acetylsalicylsäure bei Kindern und gleichzeitig die Inzidenz des Reye- Syndroms deutlich zurückgegangen.(9)
Der epidemiologisch nachgewiesene Zusammenhang bedeutet nicht, dass Salizylate das Reye-Syndrom verursachen. Bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen, die regelmässig Acetylsalicylsäure erhalten, findet man keine erhöhte Inzidenz, und ein Reye-Syndrom kann auch ohne Salizylat-Einnahme auftreten. Lediglich bei Kindern und Jugendlichen, bei denen ein viraler Infekt vermutet wird, sollen Fieber oder Schmerzen mit einem anderen Medikament behandelt werden.

Paracetamol

Paracetamol (Acetaminophen, z.B. Panadol®) ist eine seit dem letzten Jahrhundert bekannte Substanz. Nachdem Phenacetin, das grossenteils zu Paracetamol metabolisiert wird, verdächtigt wurde, für die Analgetika-Nephropathie verantwortlich zu sein, hat Paracetamol Phenacetin in allen Schmerzmittelkombinationen ersetzt. Paracetamol ist auch unter vielen Markennamen als Monopräparat erhältlich. Bei Kindern werden oft Zäpfchen verwendet; gegenüber Tabletten setzt deren Wirkung später ein und die biologische Verfügbarkeit ist um etwa 30% geringer.(10)


Paracetamol und Hepatotoxizität

Rund 90% von Paracetamol werden in der Leber an Glukuronsäure oder Sulfate gekoppelt und in konjugierter Form renal eliminiert. Der Rest wird vom Enzymsystem der mischfunktionellen Oxydasen in potentiell toxische Metaboliten umgewandelt, die durch eine Bindung an Glutathion wiederum entgiftet werden. Erst wenn die Glutathion-Reserven durch hohe, meist in suizidaler Absicht eingenommene Paracetamol-Mengen erschöpft werden, entstehen Leberzellnekrosen mit massivem Transaminasenanstieg und Gerinnungsstörungen. Bei Paracetamol-Einzeldosen, die mehr als etwa 100 mg/kg (bei Kindern 150 mg/kg) betragen, muss man mit Leberschädigungen rechnen; die therapeutischen Dosen liegen zwischen 10 und 15 mg/kg, wobei die tägliche Gesamtmenge sicherheitshalber 65 mg/kg nicht übersteigen sollte.(11) Eine Ausnahme machen Alkoholiker: Weil eine wiederholte Alkoholeinnahme die Aktivität der Oxydasen steigert, können übliche therapeutische Paracetamol-Dosen bereits zu schweren Leberschädigungen führen.(12)
Es gibt diverse Substanzen, die in den Stoffwechsel der toxischen Paracetamol-Metaboliten eingreifen. Bei Paracetamol- Vergiftungen verwendet man Methionin oder Acetylcystein (z.B. Fluimucil®), die wie Glutathion Thiolgruppen zur Verfügung stellen.
Seit kurzem wird in der Schweiz ein Sirup für Kinder angeboten, der Paracetamol und Vitamin E (a-Tocopherol) enthält (Neo-Treupin®). Grundlage für diese Kombination ist die Beobachtung, dass bei Ratten hohe Paracetamol- Dosen weniger hepatotoxisch wirken, wenn sie zusammen mit Vitamin E verabreicht werden.(13) Da bei korrekter Dosierung auch bei Kindern nicht mit einer Paracetamol-Vergiftung gerechnet werden muss und Neo- Treupin® relativ teuer ist, leuchtet der propagierte Nutzen dieser neuen Kombination nicht recht ein. Eine Paracetamol- Dosis (125 mg) kostet mit Neo-Treupin® Fr. 1.45, mit Zäpfchen (Panadol®) 45 Rappen, mit einem Saft (Ben-uron ®) sogar deutlich weniger als 30 Rappen; allerdings soll sich nach Firmenangaben der Preis von Neo-Treupin® bald um etwa ein Drittel reduzieren.

Pyrazolone

Novaminsulfon

Novaminsulfon (Metamizol, Dipyron, z.B. Novalgin®) ist wegen der Gefahr, eine Agranulozytose auszulösen, seit vielen Jahren in zahlreichen Ländern verboten. Diese Agranulozytose ist allergisch bedingt, das heisst, nach einer gewissen Latenz können Antikörper entstehen, welche die Leukozyten im peripheren Blut zerstören. Wird das Medikament sofort gestoppt, wenn Symptome einer Agranulozytose auftreten (Halsschmerzen, Fieber, Muskelschwäche), erholt sich der Patient meistens innerhalb weniger Wochen. Die Sensibilisierung bleibt dann wahrscheinlich lebenslang bestehen.(14)
Um für Novaminsulfon das Agranulozytoserisiko zu quantifizieren, wurde mit Unterstützung des bedeutendsten Novaminsulfon-Herstellers eine multizentrische Fall-Kontroll- Studie durchgeführt.(15) Danach scheint Novaminsulfon zwar häufiger als andere Schmerzmittel bei einer Agranulozytose beteiligt zu sein, doch wahrscheinlich tritt diese Nebenwirkung sehr selten auf; es wurde errechnet, wenn 1 Million Personen innerhalb einer Woche mindestens einmal Novaminsulfon verwendeten, seien 1,1 zusätzliche Agranulozytosefälle zu erwarten. (Die durchschnittliche Inzidenz aller Agranulozytosefälle betrug 6,2 pro Million.) Es ist schwierig, aus dieser Studie konkrete Folgerungen abzuleiten. Um die Gefahren der einzelnen Analgetika abschätzen und vergleichen zu können, müsste man versuchen, das Risiko einer gefährlichen Nebenwirkung sowohl für eine einmalige als auch für die wiederholte Einnahme verschieden hoher Dosen festzulegen.
Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass Novaminsulfon wohl nicht mehr Todesfälle verursacht als andere Analgetika. Allerdings sind gerade die häufigsten schweren Nebenwirkungen von Entzündungshemmern (Gastroin- testinalblutungen) oder von Paracetamol (Hepatotoxizität) in viel stärkerem Ausmass dosisabhängig und somit voraussehbarer als die allergische Novaminsulfon-Agranulozytose. Novaminsulfon kann fast immer durch ein gleichwertiges Mittel ersetzt werden. Vergleiche mit parenteral verabreichten nicht-steroidalen Entzündungshemmern widerlegen, dass Novaminsulfon bei viszeralen Schmerzen (Gallen- oder Ureterkoliken) anderen Nicht- Opiaten überlegen ist.(16) Aber noch ist Novaminsulfon in der Schweiz neben dem Lysinsalz der Acetylsalicylsäure (Aspégic®) und dem Entzündungshemmer Azapropazon (Prolixan®) das einzige einfache Schmerzmittel, das intravenös gespritzt werden kann.
Im Zusammenhang mit der Therapie von Gallenkoliken sei noch erwähnt, dass Nitroglycerin den Tonus des Sphincter Oddi sowie den Druck im Ductus choledochus senkt.(17) Diese «spasmolytische» Wirkung von Nitraten ist in kontrollierten Studien nicht mehr weiterverfolgt worden.

Propyphenazon
 
Propyphenazon wird in der Schweiz nur in Kombinationspräparaten verwendet. Die Substanz ist trotz ihrer weiten Verbreitung wenig untersucht. Es gibt eine Doppelblindstudie mit 210 kieferchirurgischen Patienten, die zeigte, dass 300 mg Propyphenazon fast so wirksam sind wie 1000 mg Acetylsalicylsäure. Extrapoliert habe Propyphenazon etwa die doppelte Potenz.(18) Eine sichere Aussage ist aber deshalb nicht möglich, weil Acetylsalicylsäure im Gegensatz zu Propyphenazon in nur einer Dosierung verwendet wurde. Ob und allenfalls wie häufig Propyphenazon schwere Nebenwirkungen (z.B. Agranulozytosen) verursacht, kann nicht sicher beantwortet werden.

Nicht-steroidale Entzündungshemmer

Alle nicht-steroidalen Entzündungshemmer -- in der Schweiz am häufigsten benutzt werden Diclofenac (z.B. Voltaren®), Ibuprofen (z.B. Brufen®) sowie Indometacin (z.B. Indocid®) -- wirken wie Acetylsalicylsäure nicht nur entzündungshemmend, sondern bereits in niedriger Dosierung auch analgetisch und antipyretisch. Nach bisherigen klinischen Erfahrungen werden alle neueren Entzündungshemmer speziell vom Magen-Darm-Trakt besser vertragen als die älteren (Indometacin, Phenylbutazon) oder als Acetylsalicylsäure.(19) Seit mehreren Jahren sind in verschiedenen Ländern (USA, Grossbritannien u.a.) 200- mg-Tabletten von Ibuprofen, einem der bewährtesten Entzündungshemmer, rezeptfrei erhältlich. Deswegen ist im folgenden in erster Linie von Ibuprofen die Rede; dies soll nicht als Wertung verstanden werden; andere Entzündungshemmer haben ihre Effizienz in der Behandlung «banaler» Schmerzen ebenso bewiesen.
In einer Doppelblindstudie erhielten 227 Patienten nach einer Zahnextraktion entweder Ibuprofen (100, 200 oder 400 mg), Acetylsalicylsäure (650 mg) oder Placebo. Beide Medikamente waren dem Placebo signifikant überlegen, und bei Ibuprofen zeigte sich ein dosisabhängiger Effekt, das heisst, 400 mg wirkten am besten. Eine signifikante Differenz fand man aber nur zwischen der 100- und 400- mg-Dosis 3 Stunden nach der Einnahme. Die Wirkung von 650 mg Acetylsalicylsäure war am ehesten mit der von 200 mg Ibuprofen vergleichbar. Während der sechsstündigen Beobachtungszeit beanspruchte ein Grossteil der Patienten nach einer oder mehr Stunden eine zusätzliche Analgetikadosis, wobei der Prozentsatz in der Placebogruppe am höchsten, in der Gruppe, die 400 mg Ibuprofen nahm, am niedrigsten war.(20) Eine ähnliche Studie mit 195 Patienten verglich Ibuprofen (400, 600 oder 800 mg) und Placebo. Alle drei Ibuprofen-Dosen linderten die Schmerzen nach der Zahnextraktion in etwa gleichem Umfang.(21) Anscheinend schöpft man mit einer Einzeldosis von 400 mg das analgetische Potential von Ibuprofen aus und die Analgesie wird durch eine Dosiserhöhung nicht mehr bedeutend gesteigert.
Neben den gastro-intestinalen Nebenwirkungen muss auch die mögliche renale Toxizität der Entzündungshemmer beachtet werden: Praktisch alle Entzündungshemmer können in Einzelfällen -- auch bei kurzfristigem Gebrauch -- schwere renale Nebenwirkungen verursachen (akute Niereninsuffizienz u.a.). Gefährdet sind vor allem Patienten, die bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion aufweisen. (22)

Kombinationspräparate

Schmerzmittelkombinationen tragen wesentlich dazu bei, dass der Analgetikamarkt so überladen ist. Für die meisten dieser Kombinationen fehlt der klinische Nachweis, dass sie irgendwelche Vorteile böten. Zwar wurde zum Beispiel bei Ratten gezeigt, dass die Kombination von je 100 mg/kg Acetylsalicylsäure und Paracetamol signifikant wirksamer und weniger schädigend ist als 200 mg/kg von einem der Wirkstoffe allein. Daraus wird gefolgert, Acetylsalicylsäure und Paracetamol ergänzten sich überadditiv.(23) Dabei ist doch viel wahrscheinlicher, dass das Ergebnis durch die extrem hoch gewählte Dosierung verzerrt worden ist.
Alle Probleme, die im Zusammenhang mit Schmerzmitteln grössere Bevölkerungsgruppen betreffen, werden hauptsächlich durch Kombinationspräparate verursacht. So weist einiges darauf hin, dass die Analgetika-Nephropathie nicht allein durch Phenacetin verursacht wird. Phenacetin wurde praktisch nie als Monopräparat verwendet, und nicht überall, wo Phenacetin zurückgezogen worden war, folgte die erwartete Abnahme der Analgetika- Nephropathie. Sowohl Tierversuche als auch vereinzelte Fallberichte zeigen, dass prinzipiell alle Prostaglandinsynthese-Hemmer Papillennekrosen auslösen können. Kombinationen von Acetylsalicylsäure mit Phenacetin oder Paracetamol erzeugen experimentell häufiger Papillennekrosen als jede dieser 3 Substanzen allein.(22) Nach einem Abusus phenacetinoder paracetamolhaltiger Schmerzmittel wurden in den ableitenden Harnwegen dieselben pathologischanatomischen Veränderungen (Kapillarosklerose) beschrieben.(24) Es erscheint daher fragwürdig, in Kombinationspräparaten Phenacetin einfach gegen Paracetamol auszutauschen, wie es zuhauf geschehen ist. Deutsche Nephrologen gehen davon aus, dass noch immer über 10% der dialysepflichtigen chronischen Niereninsuffizienzen analgetikabedingt sind. Sie zweifeln, ob ein Verbot für phenacetinhaltige Mittel allein reicht, und fordern deshalb, dass alle Kombinationspräparate unter Rezeptpflicht gestellt werden und dass für Schmerzmittel keine Publikumswerbung mehr betrieben werden darf.(25)
Erfreulich ist immerhin, dass nur noch wenige Kombinationen von peripher wirksamen Schmerzmitteln mit Barbituraten oder Benzodiazepinen angeboten werden. Butalbital ist noch in zwei als Migränemittel verkauften Präparaten enthalten (Cafergot-PB®, Tonopan-B®), Diazepam noch in einem Schmerzmittel (Matalgon®, das u.a. bei Verstauchungen und Prellungen empfohlen wird). In allen drei Fällen sind die Psychopharmaka ein irrationaler Zusatz, allein schon weil die Halbwertszeiten der einzelnen Inhaltsstoffe nicht aufeinander abgestimmt sind.
Coffein verstärkt möglicherweise die Wirkung peripherer Analgetika, andererseits können seine stimulierenden Eigenschaften eine Suchtentwicklung unterstützen.(26) Zwei weitere Überlegungen stellen den fixen Zusatz von Coffein in Frage: Zum einen entwickelt bekanntlich der Körper vielen Coffeinwirkungen gegenüber eine Toleranz; es gibt daher Personen, bei denen niedrige Coffein-Dosen nicht mehr wirken. Zum anderen erscheint es sinnvoller -- wenn schon Coffein nötig ist --, zum Analgetikum Kaffee oder Schwarztee zu trinken. So wird nämlich die anregende Wirkung von Coffein von der schmerzstillenden der Tablette getrennt. Abgespanntheit und Wetterfühligkeit sollten nicht an Schmerztabletten denken lassen.
Bei stärkeren Schmerzen, die auf einen nicht-steroidalen Entzündungshemmer nicht genügend ansprechen, den Einsatz eines starken Opiates aber noch nicht rechtfertigen, gilt Codein als ein nützlicher Zusatz. Studien, bei denen nach einem kieferchirurgischen Eingriff 400 mg Ibuprofen, 650 mg Acetylsalicylsäure(27) sowie 1000 mg Paracetamol(28) mit oder ohne 60 mg Codein verabreicht wurden, zeigten, dass die Kombinationen bedeutend wirksamer sind. In einer vertretbaren Kombination wird Codein nur zusammen mit Paracetamol angeboten (500 mg Paracetamol + 30 mg Codein, z.B. Treuphadol ® Plus). Codein kann -- zum Beispiel in Form von Tabletten -- auch jedes andere peripher wirkende Schmerzmittel ergänzen.

Schlussfolgerungen

Leichte bis mässig starke Schmerzen sowie Fieber sollten grundsätzlich nur mit Monopräparaten behandelt werden. Acetylsalicylsäure, Paracetamol und die nicht-steroidalen Entzündungshemmer sind für den gelegentlichen Gebrauch sichere und erprobte Substanzen. Bei chronischen Schmerzen wird die Wahl des Medikamentes wesentlich von der Grundkrankheit bestimmt (z.B. Schmerzen wegen eines entzündlichen, rheumatischen Prozesses). Kinder sollten Acetylsalicylsäure nur bei besonderer Indikation erhalten. Beim Alkoholiker ist die Behandlung von leichteren Schmerzen oder von Fieber problematisch, das relativ geringste Risiko weisen wohl niedrigdosierte Entzündungshemmer auf.
Wenn einfache Schmerzmittel allein nicht mehr wirken, ist ein Zusatz von 30 bis 60 mg Codein sinnvoll. Codein sollte gezielt verordnet werden; in rezeptfrei erhältlichen Präparaten ist Codein nicht angebracht. Die Verwendung von Novaminsulfon mag bei Koliken oder in anderen Ausnahmefällen vertretbar sein, hingegen eignet sich das Mittel sicher nicht als frei verkäufliches Analgetikum.

Literatur

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  4. 4) A.M. Glen-Bott: Med. Toxicol. 2: 161, 1987
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  7. 7) E.S. Hurwitz et al.: J. Am. Med. Assoc. 257: 1905, 1987
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  28. 28) K.C.Bentley und T.W.Head: Clin. Pharmacol. Ther. 42: 634,1987

Standpunkte und Meinungen

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