Intravenöses Eisenpräparat nützt nur bei Eisenmangel

Die Resultate der Zürcher Studie mit dem Eisen-Saccharosekomplex Venofer®, die bereits in unserem Text zur Eisencarboxymaltose (Ferinject®) kurz erwähnt wurde,(1) sind jetzt veröffentlicht worden.

In einer Doppelblindstudie wurden 90 Frauen behandelt, die über Müdigkeit klagten und ein Hämoglobin von mindestens 120 g/l und einen Serum-Ferritinwert von höchstens 50 mcg/l hatten. Sie erhielten innerhalb von zwei Wochen vier intravenöse Infusionen, die jeweils entweder 200 mg Eisen in Form des Eisen-Saccharosekomplexes oder physiologische Kochsalzlösung enthielten. Die Verabreichung erfolgte durch ärztliches Personal, das nicht an der Studie beteiligt war; Infusionsbeutel und Injektionsort blieben für die Patientin unsichtbar, der Infusionsschlauch war undurchsichtig. Die Müdigkeit wurde anhand eines Fragebogens («Brief Fatigue Inventory», BFI) vor der Studie und nach 6 und 12 Wochen beurteilt; zu Beginn betrug der mediane Wert auf der entsprechenden, von 0 bis 10 reichenden Skala 4,5.(2)

Bei Frauen, deren anfänglicher Ferritinwert maximal 15 mcg/l betrug (n=34), hatte der BFI-Wert  6 Wochen nach der Eisentherapie durchschnittlich um 1,8, unter der Placebotherapie aber nur um 0,4 (signifikant weniger) abgenommen. Nach 12 Wochen verspürten diese Frauen subjektiv immer noch eine deutlich geringere Müdigkeit, wenn auch der Unterschied auf der BFI-Skala gegenüber der Placebogruppe nicht mehr signifikant war.

Für Frauen, deren anfänglicher Ferritinwert über 15 mcg/l lag (n=56), konnte zu keinem Zeitpunkt eine signifikante Verbesserung der Müdigkeit durch die Eiseninfusion festgestellt werden.(2) Neun mit Eiseninfusionen behandelte Frauen hatten Nebenwirkungen (insbesondere Übelkeit, Schüttelfröste, Kopfschmerzen); von den Placebo-behandelten Frauen berichteten nur drei über Nebenwirkungen.(2)

Kommentar

Diese zwar kleine, aber sehr sorgfältig durchgeführte Studie zur Behandlung der Müdigkeit mit intravenösen Eisengaben bringt nun zu Tage, was schon immer zu vermuten war. Eine Eisentherapie nützt Personen mit einem Eisenmangel – gemäss der WHO-Definition solche mit einem Ferritinwert unter 15 mcg/l –, muss jedoch bei Personen mit genügenden Eisenreserven als Pseudo-Placebotherapie bezeichnet werden. Wie in anderen Fällen vernachlässigen die zahlreichen «Eisentherapeutinnen und -therapeuten» die Tatsache, dass ärztliche Interventionen generell mit einem individuell sehr unterschiedlichen unspezifischen Nutzeffekt verbunden sind. Ob sich aber eine Pseudo-Placebotherapie wie die intravenöse Eisengabe, die doch nicht selten unerwünschte Wirkungen verursacht, wirklich ethisch vertreten lässt?

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Intravenöses Eisenpräparat nützt nur bei Eisenmangel (19. Juli 2011)
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pharma-kritik, 32/No. 18
PK826
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