Sedation bei Kurzeingriffen

Verschiedene diagnostische oder therapeutische Kurzeingriffe sind schmerzhaft oder mit Angst verbunden, so dass es wünschenswert ist, sie unter einer medikamentösen Sedation durchzuführen; in besonderem Mass gilt dies für Kinder. Bei solchen Kurzeingriffen handelt es sich namentlich um gastrointestinale Endoskopien (die zahlenmässig im Vordergrund stehen), ferner um Bronchoskopien, transösophageale Echokardiographien, Elektrokardioversionen, Knochenmarkspunktionen, ambulante chirurgische Eingriffe (Wund- und Frakturversorgung, Débridement u.a.) und Anlegen von Thoraxdrainagen.

Die Sedation lässt sich als verminderte Bewusstseinslage beschreiben, bei der Spontanatmung, Kreislauffunktionen und Reflexe erhalten sind, die dem Schutz der Atemwege dienen. Es handelt sich jedoch nicht um einen fixen Zustand, sondern reicht – mit schleichenden Übergängen – von der Anxiolyse bis zur Narkose und wird gemäss der «American Society of Anesthesiologists» (ASA) als Sedationstiefe in vier Stadien unterteilt (siehe Tabelle 1). Meistens wird bei Kurzeingriffen eine mässiggradige Sedation angestrebt. Die Sedationstiefe hängt in erster Linie von der Dosis eines Medikamentes ab. Gewisse Qualitäten wie die Analgesie brauchen nicht mit der Sedationstiefe parallel zu laufen; so kann Unruhe auftreten, wenn die Analgesie für die vorgenommene Intervention ungenügend ist.

Das Ziel der Sedation liegt darin, Wahrnehmung, Schmerzempfinden und Erinnerungsvermögen herabzusetzen sowie Bedingungen zu schaffen, damit ein Eingriff reibungslos abläuft. Unter Umständen kann dies der einzige Grund für eine Seda­tion sein, zum Beispiel bei radiologischen Untersuchungen, wenn nur durch eine Ruhigstellung ein optimales Ergebnis zu gewährleisten ist.
Eine Sedation stellt bei einem Kurzeingriff nichts Zwingendes dar. Bei ausgewählten Personen lassen sich zum Beispiel Gas­troskopien oder Koloskopien ohne Sedation durchführen, wobei sich bei Gastroskopien zumindest eine vorgängige Rachenanästhesie empfiehlt.(1) Allgemein scheint die Rachenanästhesie eine Massnahme zu sein, welche die Endoskopien des oberen Gastrointestinaltraktes erleichtert.(2)

Die Hauptgefahr bei einer Sedation liegt darin, dass – wenn sie zu stark ausfällt – eine Atem- und Kreislaufdepression oder Komplikationen wie Erbrechen oder Hypersalivation auftreten, die zu einer Aspiration oder Verlegung der Atemwege führen können. Besondere Vorsicht oder Erfahrung verdienen diesbezüglich kleine Kinder, ältere Leute sowie Patienten und Patientinnen mit eingeschränkten Organfunktionen. Damit man Veränderungen der Sedationstiefe rechtzeitig erkennt und darauf reagieren kann, bedarf es standardisierter Vorkehrungen. So muss mindestens eine Person anwesend sein, die sich nicht direkt mit dem Eingriff befasst, sondern um eine kontinuierliche Überwachung kümmert, bestehend aus Kontrolle von Atmung, Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung; bei tiefer Sedation kommt die EKG-Ableitung hinzu. Diese kann an eine entsprechend ausgebildete Pflegefachperson delegiert werden. Das Untersuchungsteam muss in Reanimationsmassnahmen geübt sein und die nötige Gerätschaft griffbereit halten. Grundsätzlich sollte man bei allen Kurzeingriffen, bei denen ein problemloser Ablauf nicht höchstwahrscheinlich ist, auf anästhesiologische Mithilfe zurückgreifen.

Auch für Kurzeingriffe wird an einem Nüchternheitsgebot festgehalten, weil bei nicht leerem Magen das Aspirationsrisiko erhöht ist: so sollten 6 Stunden vorher keine feste Nahrung und 2 Stunden vorher keine klaren Flüssigkeiten mehr eingenommen werden.(3)

Verwendete Substanzen

Für eine Sedation eignen sich Substanzen, deren Wirkung rasch einsetzt und wieder aufhört und die eine berechenbare Dosis-Wirkungs-Beziehung haben. Im Prinzip wählt man dieselben Medikamente, die intravenös zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Anästhesie verwendet werden. Häufig werden Substanzen auch kombiniert, um von synergistischen Eigenschaften zu profitieren.

Alle Medikamente, die zur Sedation verwendet werden, zeigen eine ähnliche Pharmakokinetik. Es handelt sich um lipophile Stoffe, die rasch ins Gehirn diffundieren, gleichbedeutend mit dem Wirkungseintritt. Praktisch synchron setzt die Verteilung in die weniger stark durchbluteten Gewebe ein (Fettgewebe, Skelettmuskel), was sich in einem ersten, steilen Konzentra­tionsabfall äussert. Nachdem sich das Medikament in den peripheren Geweben verteilt hat, flacht die Konzentrations-Zeit-Kurve ab und wird nun durch die Eliminationsvorgänge bestimmt. Nach einmaliger Verabreichung ist die  Wirkdauer bei allen ähnlich kurz. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die Medikamente wiederholt (oder als Infusion) verabreicht werden. In diesem Fall beginnen substanzspezifische Eigenschaften – Grad der Akkumulation in den peripheren Geweben, Rückdiffusionsrate aus den peripheren Geweben, Geschwindigkeit der Elimination – die Wirkdauer zu bestimmen.

Über einige Kenndaten der verschiedenen Substanzen liefert Tabelle 2 eine Übersicht; Dosierungen wurden nicht angegeben, da sie vertieftes Fachwissen voraussetzen und immer individuell anzupassen sind. Allgemein sollten bei Personen, die älter sind als 65 Jahre oder eine eingeschränkte Organfunktion aufweisen, halbierte Dosen verwendet werden. Ebenso sind unter Umständen geringere Dosen zu wählen, wenn Substanzen miteinander kombiniert werden.

Propofol

Propofol (Disoprivan® u.a.) – chemisch ein Phenolring mit zwei Isopropylgruppen (2,6-Diisopropylphenol) – ist ein intravenöses Anästhetikum, das sich durch eine sehr rasche und relativ kurz anhaltende Wirkung auszeichnet. Es besitzt amnestische, jedoch keine analgetischen Eigenschaften. Propofol lässt sich nur mit lipophilen Stoffen oder mit organischen Lösungsmitteln mischen und wird in Form einer Emulsion verabreicht, die Sojabohnenöl, Lezithin und Glyzerin enthält.(4)

Propofol weist eine steile Dosis-Wirkungs-Beziehung auf, was eine schnelle und ausgeprägte Sedation nach sich ziehen kann. Es wirkt atemdepressiv; bei den kardiovaskulären Effekten steht die durch eine Vasodilatation hervorgerufene Hypotonie im Vordergrund. Es gibt keine Substanz, mit der sich die Wirkungen von Propofol aufheben lassen.

Ein häufiges Problem bei Propofol sind Schmerzen an der Injektionsstelle. Deshalb sollte es über eine Vorderarm- und nicht über eine Handrückenvene injiziert werden. Daneben werden verschiedene Substanzen genannt, die man mit Propofol kombinieren kann, um die Schmerzen zu vermindern;(5) am gebräuchlichsten ist es, Lidocain beizumengen.

Benzodiazepine

Benzodiazepine wirken anxiolytisch, sedativ-hypnotisch und bewirken eine anterograde Amnesie. Alle Benzodiazpine zeigen vergleichbare klinische Effekte; quantitative Nuancen beruhen auf Unterschieden bei der Bindungsaffinität an die GABA-Rezeptoren und bei den pharmakokinetischen Eigen­schaften. Ein Vorteil der Benzodiazepine liegt darin, dass ihre Wirkung mit dem Antagonisten Flumazenil (Anexate® u.a.) beendet werden kann.

Von den intravenös verabreichbaren Benzodiazepinen wird am häufigsten Midazolam (Dormicum® u.a.) verwendet, dessen sedierender Effekt innerhalb weniger Minuten eintritt. Diazepam wirkt ähnlich rasch wie Midazolam, hat aber eine längere Wirkdauer und eine viel längere Halbwertszeit.

Opioide

Opioide werden bei Kurzeingriffen vor allem wegen ihrer schmerzlindernden Eigenschaften geschätzt und meistens in Ergänzung zu den weniger analgetisch wirkenden Substanzen eingesetzt. Opioide wirken selbst ebenfalls sedierend und ausge- sprochen atemdepressiv, was in Kombination mit anderen Substanzen (Propofol, Benzodiazepinen) die Gefahr der additiven Wirkung birgt. Als antagonisierende Substanz steht Naloxon zur Verfügung.

Ketamin

Ketamin (Ketalar®) ruft im Gehirn eine funktionelle Dissozia­tion hervor. Personen unter Ketamin wirken wach, indem sie die Augen geöffnet haben, können aber auf sensorische Reize nicht reagieren. Schutzreflexe (Schlucken u.a.) und Spontan­atmung bleiben erhalten. Es führt zu einer starken Analgesie, einer Amnesie und, im Gegensatz zu anderen Anästhetika, zu einem Anstieg von Blutdruck und Puls und nicht zu einer wesentlichen Atemdepression.

Nach Ketamin-Gabe können in der Aufwachphase Alpträume, Halluzinationen, Verwirrtheit und Agitiertheit auftreten, was oft als unangenehm erlebt wird; als Gegenmassnahme wird unter anderem positive Suggestion empfohlen. Auch Fälle von Laryngospasmus sind beschrieben. Ketamin kann vor allem nützlich sein bei Kurzeingriffen, die schmerzhaft sind (z.B. Verbandwechsel bei Verbrennungen).

Etomidat

Etomidat zeichnet sich durch eine grosse therapeutische Breite aus mit nur minimalen Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion. Es besitzt keine schmerzlindernden Eigenschaften. Der Nachteil von Etomidat liegt darin, dass man über keine grossen Erfahrungen zur Anwendung bei Kurzeingriffen verfügt. Auch Etomidat ruft häufig Schmerzen an der Injektionsstelle hervor; ferner kann es unwillkürliche Muskelzuckungen und selbst nach einmaliger Verabreichung eine – vorübergehende – Suppression der Nebennierenrindenfunktion bewirken.

Thiopental

Thiopental (Pentothal®), als Natriumsalz verabreicht, wird im Blut in eine stark lipophile Form ungewandelt und führt zur raschen Anästhesie. Seine schmerzlindernde Wirkung ist gering. Eine versehentliche paravenöse oder arterielle Injektion von Thiopental kann zu Gewebsnekrosen führen. Insgesamt ist die therapeutische Breite schmaler als zum Beispiel bei Benzodiazepinen, was Thiopental für eine Sedation bei Kurzeingriffen als weniger geeignet erscheinen lässt.

Klinische Studien

Die meisten Studien, die sich mit der Sedation bei Kurzeingriffen befasst haben, wurden im Rahmen von Endoskopien des Gastrointestinaltraktes durchgeführt. Ein Grossteil dieser Daten findet sich auch in systematischen Übersichten vereint. Sie machen deutlich, dass von den Substanzen her Propofol und Benzodiazepine weitaus am besten dokumentiert sind.

In einer dieser systematischen Übersichten wurden 36 kontrollierte Studien zusammengefasst, in denen vor einer Gastro- oder Koloskopie die eine Gruppe medikamentös sediert und in der Vergleichsgruppe entweder eine andere Sedation, Placebo oder gar nichts eingesetzt worden war. Wie sich zeigte, führt eine Sedation zu einer signifikanten Verbesserung, was Untersuchungsablauf, Zufriedenheit der Untersuchten und ihre Bereitschaft betrifft, einer Endoskopie nochmals zuzustimmen. Bei den Benzodiazepinen wurde mit Midazolam eine bessere subjektive Einschätzung erreicht als mit Diazapem – wobei sich diese Aussage nur auf die alleinige Anwendung von Benzodiazepinen und nicht auf die Kombination mit einem Opioid abstützen lässt. Die Kombination Benzodiazepin (Midazolam) mit Opioid (Pethidin) wurde von den Untersuchungspersonen gegenüber dem alleinigen Benzodiazepin als überlegen eingestuft und war auch mit weniger Würgreiz verbunden; von den Untersuchten wurde mit beiden Varianten gleiche Zufriedenheit geäussert. Der Vergleich zwischen Benzodiazepin (Midazolam) und Propofol ergab in Bezug auf Hypoxämie-Häufigkeit und subjektive Beurteilung keinen Unterschied; in Kombination mit einem Opioid wurde das Benzodiazepin von den Untersuchten dagegen als etwas weniger gut beurteilt als Propofol.(6)

In einer Cochrane-Metaanalyse verglich man bei der Koloskopie die Sedation auf der Basis von Propofol mit der Sedation ohne Propofol. Eine Sedation mit Propofol war mit einer verkürzten Erholungszeit verbunden, was auch eine raschere Entlassung bedeutete. Die allgemeine Zufriedenheit der Untersuchten wurde unter Propofol etwas höher bewertet, dagegen wurde die Schmerzkontrolle mit einer herkömmlichen Seda­tion als besser eingestuft. Bei der Beeinflussung von Atmung und Kreislauf fand man keine signifikanten Unterschiede.(7)

In zwei anderen Metaanalysen wurden Studien zusammengefasst, die sich mit der Propofol-Sedation bei endoskopischer retrograder Cholangiopankreatikographie (ERCP) befasst hatten. Sie bestätigten, dass unter Propofol mit einer kürzeren Aufwach- bzw. Erholungszeit gerechnet werden kann als beispielsweise unter Midazolam.(8,9)

Vergleicht man Propofol und Midazolam in Bezug auf relevante Nebenwirkungen und auf die Erfolgsrate beim Eingriff, findet man keine signifikanten Unterschiede – so lautet das Fazit einer systematischen Übersicht von vier Studien, die bei Kardioversionen und orthopädisch-traumatologischen Repositionen stattgefunden hatten.(10)

Die Kontroverse um die Propofol-Sedation

Bei Propofol liegt die Gefahr eines raschen Übergangs in eine tiefe Sedation höher als zum Beispiel bei Benzodiazepinen. Dies bildet die Grundlage des Meinungsstreits, inwieweit die Sedation mit Propofol unter der Aufsicht von anästhesiologischen Fachpersonen stattzufinden habe. In der Schweiz wird sie – im Einklang mit den Empfehlungen von gastroenterologischen Fachgesellschaften in Europa und Nordamerika – oft durchgeführt, ohne dass ein Anästhesieteam beigezogen wird; vorausgesetzt wird ein Kurs, der die theoretischen und praktischen Kenntnisse vermittelt und dann zertifiziert wird, ehe jemand eine Sedation mit Propofol selbständig durchführen darf. Immer sollte bei einer Sedation mit Propofol eine Person zugegen sein, die für nichts anderes als Medikamentenverabreichung und Überwachung zuständig ist. Anästhesiologische Unterstützung sei dann ratsam, wenn eine Untersuchung als komplexer zu betrachten bzw. bei einer Person vorgesehen ist, die unter einer schweren Allgemeinerkrankung leidet (ASA-Klasse 3 oder mehr); gleiches gilt, wenn aus anatomischen Gründen (z.B. ausgeprägte Adipositas) die Atemwegssicherung erschwert erscheint.(11) Wichtig sei auch, dass Propofol sorgfältig und individuell dosiert werde, um eine Sedationstiefe mit erhaltenen Schutzreflexen nicht zu unterschreiten. Unter diesen Vorgaben wird die Sedation mit Propofol von gastro­enterologischer Seite als risikoarm beurteilt. Gemäss einer retrospektiven Analyse von fast 650’000 Endoskopien ist Propofol nicht mit einer erhöhten Komplikationsrate belastet; eine Maskenbeatmung musste in weniger als 1‰ der Fälle durchgeführt werden, und Todesfälle im Zusammenhang mit der Endoskopie traten insgesamt vier auf.(12)

In vielen Ländern wird die Sedation mit Propofol jedoch restriktiver gehandhabt, was zum Teil auf behördlichen Bestimmungen beruht. Unterstützt wird diese Position durch die dortigen anästhesiologischen Gremien, welche die Anwendung von Propofol durch nicht-anästhesiologische Fachpersonen als nicht opportun betrachten.(13)

Endgültig lösen liesse sich der Disput nur, indem die Sedation mit Propofol unter kontrollierten Bedingungen auf Unterschiede zwischen Nicht-Anästhesisten und Anästhesisten geprüft würde – was aufgrund der dazu nötigen Studienpopulation kaum realisiert werden wird.

Schlussfolgerungen

Bei vielen Kurzeingriffen erscheint es zweckmässig, sie unter einer Sedation vorzunehmen. Bei den gastroenterologischen Endoskopien, die den grössten Anteil ausmachen, war es lange Zeit üblich, die Sedation mit einem Benzodiazepin durchzuführen. In bestimmten Ländern wird hierfür zunehmend Propofol eingesetzt – für die Schweiz wird eine Häufigkeit von 70% angegeben –, dessen Plus darin zu sehen ist, dass Aufwach- und Erholungsphase kürzer ausfallen als bei Benzodiazepinen. Andere Vorteile von Propofol gegenüber Benzodiazepinen sind weniger fest umrissen. Auch ist Propofol – zumindest theoretisch – als die gefahrvollere Substanz einzustufen. Dass man sich nach Propofol schneller erholt, kommt den betroffenen Personen zugute; es nützt aber auch bei der Planung und dem Ablauf der Endoskopien, was umso mehr Bedeutung gewinnt, als zum Beispiel mit einer Zunahme von Screening-Koloskopien zu rechnen ist. Insofern dürfte die beschriebene Diskussion um Propofol von allen Seiten von einem gewissen Eigennutz getragen sein.

Opioide sind bei Kurzeingriffen ebenfalls wichtige Substanzen, indem sie in Verbindung mit den primär sedativ wirkenden Medikamenten die Schmerzlinderung unterstützen, jedoch auch den sedativen Effekt verstärken. Alle übrigen Mittel sind nicht dem routinemässigen Einsatz, sondern nur Spezialsituationen zugedacht.

Standpunkte und Meinungen

  • Datum des Beitrags: 16. Dezember 2012 (22:25:39)
  • Verfasst von: Dr.med. Ludwig Theodor Heuss, PD, Chefarzt Innere Medizin / Gastroenterologie (Spital Zollikerberg)
  • Ich glaube, dass man bei den Kurzeingriffen endoskopische Untersuchungen (insbesondere die Massenuntersuchungen wie Gastroskopie und Kolonoskopie) unterscheiden muss von primär schmerzhaften Interventionen wie Punktionen, Elektrokardioversionen oder ambulanten chirurgischen Eingriffen. Bei einer Gastro- oder Kolonoskopie ist die Untersuchung ja in erster Linie unangenehm und der Schmerz ist variabel, das heisst abhängig vom Druck, den der Untersucher auf das Instrument ausübt. Dies im Gegensatz zu einer Punktion, bei der vom Moment des Stiches an Schmerz vorhanden ist. Dies bedeutet auch, dass für Endoskopien häufig niedrigere Sedationstiefen und variablere Dosierungen nötig bzw. nutzbar sind als bei den anderen Untersuchungen. Eine gewisse Ausnahme bilden länger dauernde ERCP- oder Endosonographie-Untersuchungen, die häufig eine tiefe Sedation benötigen. Allerdings sind dies Prozeduren, die im Wesentlichen an Zentren durchgeführt werden. Somit mein Eindruck: Man kann nicht alle Sedationen in den gleichen Topf werfen.

    Die Kontroverse um die Propofol-Sedation ist tatsächlich im weiten Sinne eine politische Kontroverse. Die Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie bemüht sich, hierzu in der Schweiz eine akzeptierte Vorgehensweise mit der Fachgesellschaft für Anästhesiologie zu erarbeiten.

    Die Frage, ob eine einzelne Person ausschliesslich mit der Überwachung betraut werden muss, ist umstritten und nicht eindeutig gesichert. Wir haben in unseren frühen Studien jeweils die Sedation durch eine einzelne, unabhängige Person durchführen lassen und aufgrund dieser frühen Studien-Protokolle wurde dies als Standard in die europäischen Guidelines übernommen. Mittlerweile werden aber bei unkomplizierten Endoskopien die Propofol-Gaben durch die Instrumentierschwester durchgeführt. Wichtig ist, dass eine weitere Person jederzeit in den Raum gerufen werden kann, falls dies nötig sein sollte.

    Die Benutzung von Propofol oder anderen Sedativa darf nicht als Freipass verstanden werden, sondern bedarf einer gezielten Schulung und Erfahrung. In besonderem Mass gilt dies natürlich für Kinder, bei denen aus meiner Sicht immer eine anästhesiologische Fachperson beigezogen werden sollte.

  • Datum des Beitrags: 16. Dezember 2012 (22:20:50)
  • Verfasst von: Prof.Dr. Peter Bauerfeind, (im Namen der Schweiz. Gesellschaft für Gastroenterologie) (USZ)
  • Der vorliegende Bericht schildert kompetent und korrekt die Fakten zum Thema Sedation. Wir stimmen im Wesentlichen mit der Meinung des Autors überein, möchten aber einige Aspekte aus der Sicht der Gastroenterologen der Schweiz nochmals hervorheben:

    Die endoskopische Untersuchung des Gastrointestinaltraktes ist tatsächlich auch ohne Sedation oder mit ganz oberflächlicher Sedation durchführbar. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Qualität der Untersuchung durch eine gute Sedation und damit ruhigen Untersuchungsbedingungen deutlich verbessert wird. Neben diesem qualitativen Vorteil ist aber vor allem die Akzeptanz beim Patienten durch eine gute Sedation ungleich höher. Dies spielt gerade zur Zeit eine grosse Rolle, als doch die Einführung der Screening-Koloskopie zur Kolonkarzinom-Prophylaxe in der Schweiz diskutiert wird.

    Die Propofol-Sedation, durchgeführt durch das Team des Endoskopikers und des Praxispersonals, hat sich in der Schweiz wie in praktisch keinem anderen Land fast flächendeckend durchgesetzt. Wie kürzlich von PD Dr. Ludwig Heuss publiziert wurde, wird diese Sedation in Spitälern und Praxen in fast 70% aller Untersuchungen eingesetzt. Es gibt keine Sedation in der Endoskopie, die besser hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit untersucht ist wie die Propofol-Sedation.

    Wir stimmen mit dem Autor hinsichtlich seinen Einschätzungen von Kombinationstherapien zu. Allerdings propagieren wir vor allem für die Anwendung in der Privatpraxis den Einsatz von Propofol als alleinige Substanz zur Sedation. Der Vorteil der Kombination ist klein, insbesondere bei Routine-Gastroskopien und -Koloskopien. Der Nachteil einer jeden Kombination ist die schwierigere Steuerbarkeit. Wichtig erscheint uns darauf hinzuweisen, dass bei Verwendung von Kombinationen Opioide oder Midazolam nur initial gegeben werden sollten und diese Substanzen nicht während einer laufenden Propofol-Sedation nachdosiert werden sollten. 

    Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Ausbildung der Personen, die eine Propofol-Sedation durchführen. Sie wird zu Recht in den internationalen Guidelines gefordert. Die Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie hat vor drei Jahren erstmals einen Ausbildungskurs für die Propofol-Sedation angeboten. Das Zielpublikum sind Ärzte und Praxispersonal. Er wurde dieses Jahr zum dritten Mal wiederholt und findet sehr grossen Zuspruch. Nach Teilnahme an dem theoretischen Kurs und der Absolvierung eines «Basic-Life-Support»-Kurses wird dem Kursteilnehmer ein Zertifikat ausgestellt. Im Gegensatz zur Situation in vielen anderen Ländern wird in der Frage der Propofol-Sedation und der dazu nötigen Ausbildung ein Konsens zwischen Anästhesisten und Gastroenterologen angestrebt.

Sedation bei Kurzeingriffen (23. November 2012)
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pharma-kritik, 34/No. 7
PK883
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