Vardenafil

Vardenafil (Levitra®) wird zur Therapie der erektilen Dysfunktion empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Vardenafil ist ein Phosphodiesterasehemmer und besitzt eine ähnliche chemische Struktur wie Sildenafil (Viagra®),(1) der Prototyp dieser Substanzgruppe. Mit Hilfe der Phosphodiesterasen, die eine Enzymfamilie mit bis anhin elf identifizierten Haupttypen bilden, werden zyklische Monophosphate zu den entsprechenden Nukleotiden umgewandelt. Vardenafil und Sildenafil hemmen selektiv den Phosphodiesterase-Typ 5 (PDE-5), der in der glatten Muskulatur und in Thrombozyten vorkommt. Damit verzögern sie in den glatten Muskelzellen des Corpus cavernosum den Abbau von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP), das bei sexueller Stimulation unter dem Einfluss von Stickstoffmonoxid (NO) entsteht und dafür verantwortlich ist, dass über eine Gefässmuskel-Relaxation der Blutfluss in den Penis zunimmt und eine Erektion zustandekommt.

Da Phosphodiesterase-Hemmer auch andere Gefässmuskeln beeinflussen, rufen sie eine leichte Blutdrucksenkung und einen reflektorischen Anstieg der Herzfrequenz hervor. Dagegen gibt es bislang keine Hinweise, dass die Thrombozytenfunktion massgeblich beeinträchtigt wird.

Pharmakokinetik

Eine halbe bis zwei Stunden nach der Einnahme von Vardenafil werden maximale Plasmaspiegel gemessen. Die biologischeVerfügbarkeit beträgt wegen eines ausgeprägten «First-pass»- Effekts lediglich 15%. Sehr fettreiches Essen kann die Resorption verzögern und mengenmässig vermindern. Vardenafil wird in der Leber durch das Zytochrom-P450-System abgebaut, der grösste Teil durch CYP3A4, der Rest durch CYP3A5 und CYP2C-Isoformen. Der wichtigste Metabolit, M1, trägt geringgradig zur Wirkung bei. Die Ausscheidung findet über den Stuhl statt. Die Halbwertszeit liegt zwischen vier und fünf Stunden. Bei Männern über 65 und bei eingeschränkter Nierenfunktion sind die Plasmakonzentrationen leicht, bei Leberinsuffizienz deutlich erhöht.(2,3)

Klinische Studien

Im Rahmen von klinischen Studien ist Vardenafil bei knapp 4500 erwachsenen Männern jeglichen Alters untersucht worden; rund ein Fünftel davon verwendete das Medikament mindestens ein Jahr lang. Die wichtigen Studien weisen alle ein ähnliches Protokoll auf. Aufnahmekriterien waren eine seit mindestens sechs Monaten bestehende erektile Dysfunktion und die Forderung, dass von mindestens vier getrennten Versuchen, eine Erektion bis zum Abschluss des Geschlechtsaktes aufrechtzuerhalten, über die Hälfte fehlgeschlagen sein musste (im Monat vor dem eigentlichen Studienbeginn gezählt). Vardenafil wurde jeweils nach Bedarf eingenommen, rund eine Stunde vor der sexuellen Aktivität. Die Wirksamkeit wurde mit denjenigen sechs Fragen aus dem «International Index of Erectile Function Questionnaire» (IIEF) evaluiert, die sich mit der Erektionsfähigkeit befassen; sie ergeben eine Punktezahl zwischen 6 und 30, wobei eine Summe unter 26 eine erektile Dysfunktion bestimmt. Ferner hatten die Teilnehmer zu notieren, ob ihre Erektionen für eine Penetration und bis zum Ende des Geschlechtsverkehrs reichten. Die Studien fanden alle doppelblind und placebokontrolliert statt; Vergleiche mit anderen aktiven Substanzen sind nicht durchgeführt worden.

In einer nordamerikanischen Studie, die ein halbes Jahr dauerte, wurden 749 Männer in vier Gruppen eingeteilt. In der ersten Gruppe verordnete man Placebo, in den anderen eine von dreiverschiedenen Vardenafil-Dosen (5, 10 oder 20 mg). Vardenafil wirkte deutlich besser als Placebo, und die beiden höheren Dosen zeigten sich signifikant wirksamer als die 5-mg-Dosis: mit Placebo stieg die durchschnittliche Punktezahl auf der IIEF-Skala von 13,6 auf 14,8, mit der 5-mg-Dosis von Vardenafil von 12,5 auf 17,8, mit 10 mg von 13,4 auf 21,2 und mit 20 mg von 12,8 auf 21,8. Bei Studienende gaben 28% der Männer in der Placebogruppe an, dass ihre Erektionsfähigkeit im zurückliegenden Monat zugenommen habe, während dieser Prozentsatz bei Vardenafil dosisabhängig zwischen 65 und 85% lag.(4)

In einer anderen Studie prüfte man Vardenafil (10 oder 20 mg) bei 430 von einer Erektionsstörung betroffenen Typ-1- oder Typ-2-Diabetikern. Nach zwölf Wochen hatte auch hier die IIEF-Punktezahl mit Vardenafil signifikant mehr zugenommen als mit Placebo. Unter Vardenafil waren die Erektionen bei 61 und 64% der Behandelten stark genug, um eine Penetration zu ermöglichen, und bei 49 bis 54% so lange dauernd, dass der Geschlechtsakt erfolgreich beendet werden konnte. Unter Placebo wurde dies lediglich in 36 bzw. 23% der Fälle erreicht.(5) 423 Männern, die nach einer radikalen Prostatektomie, durchgeführt wegen eines Prostatakarzinoms, unter Erektionsstörungen litten, stand zwölf Wochen lang Vardenafil (10 oder 20 mg) oder Placebo zur Verfügung. Mit beiden Vardenafil- Dosen liess sich im Vergleich zu Placebo eine signifikant bessere Wirkung nachweisen.(6)

Unerwünschte Wirkungen

Bei über 10% der Männer, die Vardenafil verwendeten, traten Kopfschmerzen oder eine Vasodilatation mit Wärmegefühl und Erröten («Flush») auf. Andere unerwünschte Wirkungen waren Rhinitis, Sinusitis, grippeähnliche Symptome, Schwindel, Übelkeit, Dyspepsie, Bauchschmerzen sowie eine erhöhte Kreatinkinase-Aktivität. In seltenen Fällen ist ein Priapismus vorgekommen.

Vardenafil kann den Blutdruck senken und das QT-Intervall verlängern, was theoretisch ein erhöhtes Risiko für kardiale Arrhythmien («Torsades de pointes») bedeutet. Dies sind Eigenschaften, die dazu passen würden, dass Phosphodiesterasehemmer einen plötzlichen Herztod verursachen können, wie im Zusammenhang mit Sildenafil seit längerem diskutiert wird.

Phosphodiesterasehemmer hemmen in geringem Mass auch andere Phosphodiesterase-Typen, so zum Beispiel den in der Retina an photochemischen Prozessen beteiligten Typ 6 (PDE-6), was vorübergehend die Farbunterscheidung stören kann. Da bislang lediglich flüchtige, als harmlos taxierte Sehstörungen beobachtet worden sind, bleibt die Bedeutung dieses Phänomens unklar.(2,3)

Interaktionen

Vardenafil kann bei Patienten, die unter Nitraten oder Antihypertensiva stehen, zu einer verstärkten Blutdrucksenkung führen, die – unter der Berücksichtigung, dass solche Männer einer kardiovaskulären Risikopopulation angehören – lebensbedrohend sein können. Potentiell gefährlich erscheint auch die Kombination von Vardenafil mit Substanzen, die mit QT-Verlängerungen und «Torsades de pointes» assoziiert sind wie zum Beispiel Amiodaron (Cordarone® u.a.) oder Sotalol (Sotalex® u.a.).

CYP3A4-Hemmer wie z.B. Makrolid-Antibiotika, Azol-Antimykotika, Proteasehemmer oder Grapefruitsaft führen zu erhöhten Vardenafil-Konzentrationen.

Dosierung/Verabreichung/Kosten

Vardenafil (Levitra®) wird als Tabletten zu 5, 10 und 20 mg angeboten; das Medikament ist nicht kassenzulässig. Die übliche Anfangsdosis beträgt 10 mg; bei ungenügender Wirkung kann diese Dosis verdoppelt werden. Bei Männern über 65 Jahre sowie bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion soll zunächst eine Dosis von 5 mg versucht werden. Pro Tag soll höchstens eine Dosis genommen werden, jeweils eine halbe bis eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr. Für die Wirkung bedarf es sexueller Stimulation. Vardenafil darf nicht zusammen verwendet werden mit Nitraten, Molsidomin (Corvaton® u.a.) oder flüchtigen Nitriten (Amylnitrit u.a.), die als «Poppers» szenebekannt sind; dasselbe gilt für Alphablocker (die heute vor allem bei benigner Prostatahyperplasie eingesetzt werden). Männer mit manifesten Herz-Kreislauf- Krankheiten, mit fortgeschrittener Leber- oder Niereninsuffizienz, mit Netzhauterkrankungen oder unter 18 Jahren sollten Vardenafil nicht verwenden. Mangels Daten wird davon abgeraten, Vardenafil mit anderen erektionsfördernden Massnahmen zu kombinieren. Zu einer Anwendung bei Frauen gibt es keine Dokumentation.

Eine Tablette Vardenafil kostet dosisabhängig zwischen 15 und knapp 20 Franken. Der Preis ist also fast identisch wie bei Sildenafil (Viagra®). Wird nur die niedrige oder mittlere Dosierung benötigt, lässt sich sparen, indem man die Tabletten mit der höchsten Dosis teilt.

Kommentar

Es war vorauszusehen, dass der kommerzielle Erfolg von Sildenafil zum Nachahmen reizen würde. Mit Vardenafil ist nun das erste Konkurrenzprodukt auf dem Markt erschienen, das sich aber weder von den Wirkungen noch von den Risiken her nennenswert von Sildenafil unterscheidet und dieselben Vorsichtsmassnahmen erfordert. Obschon die Bedeutung noch unklar ist, verdient der Punkt Aufmerksamkeit, dass Vardenafil das QT-Intervall verlängern kann, umso mehr als in der Schweizer Fachinformation nicht darauf hingewiesen wird.

Einen zunehmenden Degout lösen die Bemühungen aus, mit denen versucht wird, die erektile Dysfunktion als Krankheit zu definieren und weiszumachen, wie essentiell ihre Behandlung für das Wohlbefinden und die Gesundheit eines Mannes ist. Auf welche Art an der Front der «Lifestyle»-Pillen um neues Terrain gekämpft wird, schildert der Artikel «The making of a disease: female sexual dysfunction», der anfangs 2003 im «British Medical Journal» für Kontroversen sorgte.7

Standpunkte und Meinungen

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Vardenafil (21. Januar 2004)
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pharma-kritik, 25/No. 18
PK91
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