Acetazolamid in der Prävention der Höhenkrankheit

Mini-Update

In «pharma-kritik» ist vor fast 30 Jahren ein Artikel über die «akute Bergkrankheit» erschienen (1);  ausserdem wurden in «infomed-screen» zwischen 2002 und 2014 vier Studien zusammengefasst und kommentiert.
Aktuelles Wissen zu Acetazolamid (Diamox®) bei Höhenkrankheit ist in einem Text in «La Revue Prescrire» vom Juni 2014 zusammengefasst (2), wobei sich die Autoren in erster Linie auf eine Meta-Analyse stützen, die im BMJ erschienen ist (3). Diese Meta-Analyse kommt zum Schluss, dass eine Dosis von 250 mg – am Abend vor dem Aufstieg – gleich wirksam ist wie die doppelte oder die dreifache Dosis, aber mit etwas geringeren Nebenwirkungen verbunden ist.

Die akute Höhenkrankheit

Die akute Höhenkrankheit tritt auf, wenn eine nicht an die Höhe adaptierte Person ohne Akklimatisation innerhalb eines Tages etwa 2000 m ab Ausgangspunkt an Höhe überwindet. Anstrengung, Alkohol, Herz- und Lungenkrankheiten sowie die Anamnese einer Höhenkrankheit sind Risikofaktoren. Die Gefährdung ist individuell sehr unterschiedlich und kann eigentlich nicht vorausgesagt werden. 
Symptome der Höhenkrankheit sind in erster Linie Kopfweh, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Nausea und Erbrechen. Gelegentlich, wenn nicht weiter aufgestiegen wird, bessern sich die Symptome spontan. Wenn sich die Symptome verstärken, sollte man absteigen. Dabei ist eine Höhe über Meer anzustreben, die niedriger ist, als diejenige, bei der die Symptome zuerst aufgetreten sind. Wenn die Zeichen eines Hirn- und/oder Lungenödems dazukommen (meist über 3000 m.ü.M.), muss eine symptomatische Behandlung begonnen werden und der Abstieg soll notfallmässig erfolgen.

Acetazolamid

Acetazolamid (Diamox® u.a.) ist die am besten untersuchte Substanz und sie wird am häufigsten als Prophylaxe empfohlen. Die obgenannte Meta-Analyse geht den Fragen nach, wie wirksam die Substanz ist, welches die kleinstmögliche Dosis ist, und wie schwer die Nebenwirkungen sind. 
Es wurden 11 Doppelblindstudien gefunden, mit im ganzen 2ʼ072 gesunden Teilnehmenden. Diese waren älter als 16 Jahre, hatten nie eine Höhenkrankheit gehabt, waren nicht akklimatisiert und stiegen zu Fuss in einem Tag auf über 3000 m.ü.M. auf. Die endgültige Höhe betrug zwischen 3800 und 5000 m.ü.M. Mit Acetazolamid wurde einen oder mehrere Tage vor dem Aufstieg begonnen und die Dosis betrug entweder 250, 500 oder 750 mg pro Tag.
Gemäss den Studien entwickelte sich unter Placebo bei 30% bis 56% der Teilnehmenden eine Höhenkrankheit, unter Acetazolamid nur bei 14% bis 20%. Dieser Unterschied war in der Meta-Analyse statistisch signifikant. Es konnten keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Dosen von Acetazolamid gefunden werden.
Hingegen waren die Nebenwirkungen, meist leichter Art, dosisabhängig. Acetazolamid ist ein Karboanhydrasehemmer und führt im Blut zu einer metabolischen Azidose. Diese äussert sich in Parästhesien (besonders an den Fingern, Zehen und im Gesicht). Auch Geschmacksstörungen im Mund, besonders bei der Einnahme von CO2-haltigen Getränken (Sprudelwasser, Bier) werden als recht häufig beschrieben. Polyurie und Hautausschläge sind seltener.
Andere beschriebene Nebenwirkungen sind noch seltener und treten eher unter längerdauernder Anwendung auf: hyponatriämische, hypochlorämische metabolische Azidose, Nierensteine, passagere Myopie, reversibler Tinnitus und Hörprobleme. In einer Studie sei eine Abnahme der kognitiven Fähigkeiten unter der prophylaktischen Gabe von Acetazolamid beschreiben worden (4).

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beste Prävention einer Höhenkrankheit eine langsame Akklimatisation ist; sie sollte in erster Linie empfohlen werden. Wer aber schneller aufsteigen will, dem kann Acetazolamid in der Dosis von 250 mg pro Tag, beginnend am Abend vor dem Aufstieg, bis zum Beginn des Abstieges, oder für zwei Tage gegeben werden. Die Wirkung ist bewiesen, die Nebenwirkungen meist gut tolerierbar.

Literatur

  1. 1) Bärtsch P. pharma-kritik 1985; 7: 41-4 (kein Link)
  2. 2) Anon. Rev Prescr 2014; 34: 451-2 (kein Link)
  3. 3) Low EV et al. BMJ 2012: 345: e6779
  4. 4) Wang J et al. Neurotoxicol Teratol 2013; 35: 28-33

Standpunkte und Meinungen

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Acetazolamid in der Prävention der Höhenkrankheit (26. Februar 2015)
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