Zunehmende Akzeptanz der terminalen Sedierung von Sterbenden

  • a -- Rietjens J, van Delden J, Onwuteaka-Philipsen B et al. Continuous deep sedation for patients nearing death in the Netherlands: descriptive study. BMJ 2008 (12. April); 336: 810-3 [Link]
  • Zusammenfassung: Anne Witschi
  • Kommentar: Hansjakob Nüesch
  • infomed screen Jahrgang 12 (2008) , Nummer 4
    Publikationsdatum: 1. Juli 2008
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Studienziele
Die terminale Sedierung von Sterbenden meint eine kontinuierliche tiefe Sedierung von Personen mit voraussehbarer, sehr kurzer Überlebenszeit. Für Diskussionen sorgt die (unscharfe) Grenze zwischen Palliation und Sterbehilfe. Gemäss einer europäischen Studie wurden 2001 3% bis 9% der Sterbenden bis zum Eintritt des Todes tief sediert. Eine holländische Studie stellte vier Jahre danach eine Zunahme der terminalen Sedierung von Sterbenden fest, während im gleichen Zeitraum die Zahl der aktiven Sterbehilfen leicht abnahm. Mit der aktuellen Befragung sollte herausgefunden werden, in welchen Fällen eine terminale Sedierung erfolgte und wie sie durchgeführt wurde.

Methoden
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte einer Auswahl der zwischen August und November 2005 verstorbener Personen in den Niederlanden wurden schriftlich befragt, welche Verstorbenen warum und wie terminal sediert worden waren.

Ergebnisse
Die terminale Sedierung wurde insgesamt bei 8% der Sterbefälle angewandt, vier Jahre zuvor waren es noch 6% gewesen. Die meisten Behandelten hatten mit einer Patientenverfügung deklariert, dass sie auf potentiell lebensverlängernde Behandlungen verzichten wollten. 61% waren unter 80-jährig und 47% litten an Krebs. Vor allem im Spital und im Pflegeheim wurden auch Personen mit kardiovaskulären oder neurologischen Erkrankungen terminal sediert. Bei etwa der Hälfte der Behandelten wurde innerhalb der letzten 24 Stunden vor dem Tod mit der Sedierung begonnen, in zwei Dritteln der Fälle wegen Schmerzen, Erschöpfung oder Atemnot, bei einem Drittel wegen Angstzuständen und Verwirrung. Zur starken Sedierung wurden vorwiegend Benzodiazepine benutzt, häufig in Kombination mit Opiaten. Nur in 9% der Fälle war vorgängig eine Fachperson für Palliativmedizin beigezogen worden. In der Allgemeinpraxis geschah dies in 20%.

Schlussfolgerungen
Die Zunahme der terminalen Sedierung bei Sterbenden in den Niederlanden und der seltene Beizug von Palliativmedizin- Fachleuten deutet gemäss den Studienverantwortlichen darauf hin, dass die terminale Sedierung zunehmend als übliche medizinische Praxis wahrgenommen wird.

 Zusammengefasst von Anne Witschi

Die Ärzteschaft, allen voran die Grundversorger, sind zunehmend gefordert, zum Tod und zur medizinischen Begleitung des Sterbens konzise Stellung zu beziehen. Dabei wird es nicht genügen, begriffsklauberisch die tiefe terminale Sedierung in den letzten sieben Tagen vor dem Tod von der Euthanasie abzugrenzen. Es wird um nichts weniger gehen, als unseren Patientinnen und Patienten eine klare Botschaft zu vermitteln, wie wir Ärzte uns zum Tod als integralem Bestandteil jeden Lebens und zum Leiden Sterbender stellen. Die grosse hausärztliche Expertise dazu wird sich nicht im Beizug des Expertenpannels manifestieren, das uns über das tagesaktuelle Mischverhältnis von Benzodiazepinen und Opiaten informiert, sondern in der hausärztlichen Kernkompetenz schlechthin: der integralen Kenntnis der Behandelten und der Nähe zu ihnen.

Hansjakob Nüesch

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Zunehmende Akzeptanz der terminalen Sedierung von Sterbenden ( 2008)