Die Apotheke in China
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 40
, Nummer 4, PK1051
Redaktionsschluss: 27. Juli 2018
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2018.1051 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Als Primarschüler habe ich den lokalen Apotheker gut gekannt. Er verfügte nicht nur über eine umfassende Auswahl von Präparaten aus dem fernen Basel, er war auch in der Lage, in vergleichsweise kurzer Frist die fantastischen Magistralrezepte, die der Hausarzt meinem Vater mitgegeben hatte, in wahre Arzneimittel zu verwandeln. Herr Briner hatte aber für mich noch eine ganz besondere Qualität: er konnte mir die nicht immer ganz harmlosen chemischen Substanzen, die ich für meine Experimente benötigte, verschaffen. (Nein, Königswasser war es nicht gerade, aber doch Ingredienzien, die heute durchaus als toxisch bezeichnet würden.)
Heute gibt es zwar nach wie vor lokale Apotheken. Die Herstellung der Arzneimittel ist jedoch fast vollständig globalisiert – wichtige ehemalige Funktionen der Apotheke sind «ausgelagert» worden. Und siehe da: das Gift wird auch ungefragt mitgeliefert. Nationale und supranationale Arzneimittelbehörden haben offensichtlich nicht verhindern können, dass gewisse Valsartan-Präparate wahrscheinlich seit Jahren kleine Mengen von Nitrosodimethylamin (NDMA) enthalten. In der Schweiz sind Präparate der Firmen Axapharm, Helvepharm, Mepha und Spirig betroffen. Weltweit wurden wahrscheinlich viele Millionen von NDMA-kontaminierten Tabletten eingenommen. NDMA ist gemäss einer von der Weltgesundheitsorganisation WHO publizierten Analyse in verhältnismässig niedrigen Dosen krebserregend.(1) Ob und in welchem Ausmass die Kontamination tatsächlich zu Krankheiten geführt hat, ist begreiflicherweise völlig unklar. Auch ist zurzeit nicht bekannt, ob allenfalls auch Präparate mit anderen Wirkstoffen betroffen sind.
Es wäre zu einfach, jetzt dem chinesischen Hersteller der betroffenen Präparate alle Schuld für das Desaster zuzuweisen. Auch ein Generalverdacht gegen Generika greift zu kurz. Beunruhigend ist in erster Linie, dass wir nicht in der Lage sind, eine adäquate, gleichbleibende Qualität industriell hergestellter Medikamente sicherzustellen. Mit anderen Worten: die notwendigen Kontrollen haben versagt. Solange sich diese Situation nicht wirklich bessert, ist die Verwendung solcher Präparate mit einem unbestimmten Risiko verbunden. Dass wir Medikamente verschreiben müssen, deren Herstellungsort uns in der Regel verschwiegen wird, lässt erst recht unser Misstrauen aufkommen.
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