Plättchenhemmer: bei Herz- und Gefässkrankheiten immer!

  • m -- Collaborative meta-analysis of randomised trials of antiplatelet therapy for prevention of death, myocardial infarction, and stroke in high risk patients. Antithrombotic Trialists' Collaboration. BMJ 2002 (12. Januar); 324: 71-86 [Link]
  • Kommentar: Markus Häusermann
  • infomed screen Jahrgang 6 (2002) , Nummer 3
    Publikationsdatum: 1. März 2002
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Studienziele
Mit einer Metaanalyse der bis September 1997 verfügbaren randomisierten Studien wollten die Studienverantwortlichen den Nutzen der Thrombozytenaggregationshemmer bei Herz- Kreislaufkrankheiten quantifizieren und klären, ob neuere Aggregationshemmer der Acetylsalicylsäure (ASS) überlegen sind und ob Kombinationen einen Vorteil bringen.

Methoden
Eingeschlossen wurden randomisierte klinische Studien bei Personen mit hohem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (Kreislauftod, Herzinfarkt und Hirnschlag). Solche Ereignisse galten auch als Endpunkte.

Ergebnisse
Gemäss Metaanalyse von 267 Studien mit insgesamt 225'000 Kranken reduzierten die Plättchenhemmer in jeder Krankheitskategorie die Inzidenz weiterer Ereignisse um rund einen Viertel. In den ersten 2 Jahren nach Herzinfarkt, transitorischer ischämischer Attacke oder Hirnschlag verhinderten sie jeweils 36 neue Ereignisse pro 1'000 Behandelte. Bei akutem Herzinfarkt wurden im ersten Monat 38 und bei akutem Hirnschlag in den ersten 3 Wochen 9 Ereignisse pro 1'000 Behandlungen vermieden. 22 Ereignisse pro 1'000 Behandlungen verhinderten Aggregationshemmer bei stabiler Angina pectoris, Vorhofflimmern und peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Der Nutzen überwog das Blutungsrisiko überall deutlich: auf 1'000 Behandlungen ereigneten sich 1-2  zusätzliche schwere Blutungen, Hirnblutungen waren selten. Täglich 75-150 mg ASS waren mindestens gleich wirksam wie höhere Dosen. Die Kombination mit Dipyridamol (Asasantin®) wirkte nicht besser als ASS allein. Im Vergleich mit ASS ergaben sich mit Clopidogrel (Plavix® u.a.) in einer einzelnen grossen Studie etwa 10% weniger Ereignisse. Ticlopidin (in der Schweiz nicht mehr erhältlich) zusätzlich zu ASS reduzierte nach Koronarangioplastie die Komplikationen um 21%, allerdings traten vermehrt Blutungen auf. Die Zugabe von Glykoprotein- IIb/IIIa-Antagonisten (ReoPro®, Integrilin®, Aggrastat ®) zu ASS verhinderte nach Koronarangioplastie oder bei akutem Koronarsyndrom ohne Infarkt auf 1'000 Behandlungen kurzfristig 20 weitere Ereignisse, verursachte aber zusätzlich 23 schwere Blutungen.
Schlussfolgerungen
Täglich 75-150 mg ASS reduziert bei Herz- und Gefässkrankheiten die Inzidenz von Kreislauftod, Herzinfarkt und Hirnschlag um rund einen Viertel. Kombinationen von ASS mit neueren Aggregationshemmern erbringen in bestimmten Situationen einen zusätzlichen Nutzen. (MH)

Der nahezu universelle Nutzen der Thrombozytenaggregationshemmer bei Herz- und Gefässkrankheiten ist eindrücklich. Trotzdem erhält zur Zeit nur etwa jeder zweite Kranke bei entsprechender Indikation ein solches Medikament. Die Studie bestätigt auch die Wirksamkeit bei Vorhofflimmern, so dass bei niedrigem Risiko zur Embolieprophylaxe ein Aggregationshemmer der oralen Antikoagulation vorzuziehen ist. Immer noch unerreicht ist das überragende Kosten- Nutzen-Verhältnis von ASS. Ticlopidin oder Clopidogrel sind möglicherweise etwas wirksamer, aber wohl zu teuer für eine breite Anwendung: Um bei hohem Risiko zusätzlich einen einzigen Herzinfarkt, Hirnschlag oder Kreislauftodesfall zu verhindern, müssten aufgrund der Daten aus der CAPRIE-Studie 103 Personen 2 Jahre lang mit Clopidogrel statt mit ASS behandelt werden.1 Die Mehrkosten pro verhindertes Ereignis betragen damit Fr. 227'265.-. Noch besser wirken Kombinationen neuer, potenter Aggregationshemmer mit ASS, aber die alte Weisheit bestätigt sich auch in der vorliegenden Analyse: je stärker die antithrombotische Wirkung, desto grösser auch die Blutungsgefahr. Solche Kombinationen sollten deshalb nur bei sehr hohem Komplikationsrisiko, z.B. bei instabiler Angina pectoris oder nach Koronarstent, für eine begrenzte Zeit angewendet werden.

Markus Häusermann

1 A randomised, blinded, trial of clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischaemic events (CAPRIE). CAPRIE Steering Committee. Lancet 1996 (16. November); 348: 1329-39

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Plättchenhemmer: bei Herz- und Gefässkrankheiten immer! ( 2002)