Ein Glas Wein täglich ...
- Kommentar: Etzel Gysling
- infomed screen Jahrgang 2 (1998)
, Nummer 1
Publikationsdatum: 1. Januar 1998 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
In dieser prospektiven Langzeitstudie wurde die Nettobilanz der günstigen und der schädlichen Wirkungen von Alkohol auf die Lebenserwartung in einer grossen Kohorte von Amerikanern analysiert. Ausserdem wurden die Auswirkungen von Alkohol und Tabakrauch auf die Mortalität verglichen.
Methoden
Aus der 1982 begonnenen, über 1 Million Amerikaner und Amerikanerinnen im Alter ab 30 Jahren umfassenden «Cancer Prevention Study II», wurden diejenigen 490'000 Personen ausgewählt, die in den Fragebogen vollständige Angaben über ihren Alkohol- und Nikotinkonsum machten. Abstinente, die früher Alkohol tranken, wurden ausgeschlossen. Analysiert wurden die ursachenspezifische und die gesamte Mortalität bis 1991 für den in Mengenklassen eingeteilten Alkoholkonsum unter Korrektur für andere bekannte Risikofaktoren. Ausserdem wurden die Einflüsse von Alkohol und Tabakrauch auf das kumulative Sterberisiko im Alter von 30 bis 69 Jahren untersucht.
Ergebnisse
Mit zunehmendem Alkoholkonsum erhöhte sich die Mortalität infolge Leberzirrhose, alkoholinduzierten Psychosen, Karzinomen von Ösophagus, Oropharynx und Leber. Bei Männern mit dem höchsten Alkoholkonsum (vier und mehr Glas alkoholische Getränke) waren gewaltsame Todesursachen gehäuft. Bei Frauen, die mindestens ein Glas täglich tranken, war die Mortalität infolge Mammakarzinom gegenüber den Abstinentinnen signifikant erhöht (relatives Risiko [RR] 1,3). Sowohl Männer (RR 0,7) als auch Frauen (RR 0,6) starben hochsignifikant seltener an kardiovaskulären Krankheiten, sofern sie regelmässig Alkohol tranken. Die gesamte Mortalität war bei einem Glas täglich am geringsten (U-Kurve). Bei jüngeren Personen mit sonst geringem kardiovaskulären Risiko stieg die Mortalität bei stärkerem Alkoholkonsum stark an (J-Kurve), während bei älteren Personen mit höherem kardiovaskulärem Risiko das Gegenteil der Fall war (L-Kurve). Obwohl mässiger Alkoholkonsum das Sterberisiko auch bei Rauchern senkte, blieb dieses Risiko rund doppelt so hoch wie bei Nichtrauchern.
Schlussfolgerungen
In der untersuchten Gruppe von mehrheitlich weissen, besser situierten und gebildeten Amerikanern hatten Personen, die ein bis zwei Glas Alkohol täglich tranken, die geringste Gesamtmortalität. Die Nettobilanz zwischen schädlichen und günstigen Effekten hängt nicht nur von der Alkoholmenge, sondern auch vom individuellen kardiovaskulären Risiko ab. Alkohol kann jedoch den Schaden, der vom Tabakrauch verursacht wird, nicht kompensieren.
Die Studie bestätigt positive Auswirkungen eines massvollen Alkoholkonsums, ist jedoch kein Blankocheck zum Verschreiben alkoholischer Getränke. Ob Alkohol einem Individuum schadet oder nützt, kann durch eine genaue Beantwortung der Fragen «wer?» und «wieviel?» definiert werden. Die Bilanz sieht zum Beispiel anders aus für eine Frau ohne nennenswerte kardiovaskuläre Risikofaktoren, aber mit mehreren Brustkrebsfällen in der Familie als für einen älteren Mann, der ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufweist. Keine Aussage erlaubt die vorliegende Studie zu den Auswirkungen bei jungen Leuten (bis 30) – es ist wahrscheinlich, dass der Alkohol in dieser durch Verkehrsunfälle stark belasteten Altersklasse generell negative Konsequenzen hat.
Etzel Gysling
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