Nach Schlaganfall besser endovaskulär behandeln? 1

  • r -- Broderick JP, Palesch YY, Demchuk AM et al. Endovascular therapy after intravenous t-PA versus t-PA alone for stroke. N Engl J Med 2013 (7. März); 368: 893-903 [Link]
  • Zusammenfassung:
  • Kommentar: Sylvan Albert
  • infomed screen Jahrgang 17 (2013) , Nummer 5
    Publikationsdatum: 19. Oktober 2013
  • PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)

Die intravenöse Thrombolyse mit Alteplase (t-PA, Actilyse®) ist bisher die einzige als erfolgreich dokumentierte Reperfusionsbehandlung des akuten ischämischen Schlaganfalls. Unter anderem wegen des kleinen Zeitfensters (Behandlungsbeginn weniger als 4,5 Stunden nach Krankheitsbeginn) kommt diese Behandlung nur für etwa 10% der Betroffenen in Frage. Vor allem bei Verschlüssen grosser Hirngefässe wird oft eine endovaskuläre Behandlung des Verschlusses mit Alteplase oder mechanischen Mitteln (Thrombektomie, Thrombusaspiration) angewendet, die zu einer Rekanalisation des Gefässes führen kann, aber zusätzliche Risiken wie Beschädigung der Arterienwand oder distale Embolisierung durch Fragmentierung des Thrombus mit sich bringt. Da zurzeit offen ist, ob eine endovaskuläre Thrombolyse mit oder ohne vorangehende systemische Thrombolyse wirksamer als eine systemische Thrombolyse allein ist, wurde in der vorliegenden randomisierten, internationalen Multizenterstudie die alleinige systemische Thrombolyse mit einer systemischen Thrombolyse, die mit einer anschliessenden endovaskulären Thrombolyse kombiniert wurde, verglichen.

Patientinnen und Patienten mit einem mässigen bis deutlichen neurologischen Defizit, das mehr als 10 Punkte auf der «National Institutes of Health Stroke Scale» (=NIHSS, maximal 42 Punkte) betragen musste, oder die mit einem NIHSS von 8 bis 9 Punkten in der CT-Angiographie einen Verschluss grösserer intrazerebraler Gefässe hatten, wurden in die Studie aufgenommen und maximal drei Stunden nach Krankheitsbeginn thrombolysiert. 40 Minuten nach Beginn der intravenösen Thrombolyse erfolgte die Randomisierung in eine Gruppe mit und eine ohne endovaskuläre Thrombolyse. Alle für eine endovaskuläre Thrombolyse randomisierten Personen wurden so rasch wie möglich angiographiert. Bei denjenigen ohne behandelbaren Gefässverschluss wurde die intravenöse Lysetherapie fortgesetzt, bei allen anderen wurde zwischen fünf und maximal sieben Stunden nach Krankheitsbeginn eine pharmakologische oder mechanische endovaskuläre Behandlung angeschlossen. Nach 24 Stunden wurde bei allen eine Computertomographie durchgeführt. Primärer Endpunkt war ein Score von höchstens zwei Punkten auf der «modified ranking scale» nach 90 Tagen (0 Punkte: keine Behinderung oder funktionelle Einbusse; 6 Punkte: Tod). Geplant war die Studie mit 900 Personen. Aufgrund der Ergebnisse wurde sie nach der Randomisierung von 656 Patientinnen und Patienten im Alter von 18 bis 82 Jahren abgebrochen. Von diesen erhielten 434 eine endovaskuläre und 222 nur eine intravenöse Thrombolyse. Nach drei Monaten hatten in der Gruppe mit endovaskulärer Therapie 41% und in der Gruppe mit intravenöser Therapie 39% weniger als zwei Punkte auf der «modified ranking scale» (Unterschied nicht signifikant). Die 90-Tage-Mortalität für endovaskulär und intravenös Behandelte war mit 19 bzw. 22% nicht signifikant verschieden. Symptomatische intrazerebrale Blutungen waren mit je 6% in beiden Gruppen gleich häufig.

Thomas Koch

Die intravenöse Lysetherapie steht im Zentrum der akuten Hirnschlag-Behandlung, obschon nur 10 bis 15% aller Personen mit einem ischämischen Hirnschlag so behandelt werden können, auch nach Ausweitung des Zeitfensters auf von 3 auf 4,5 Stunden (ECASS III Studie).1 Bereits vor dieser Studie war eine endovaskuläre Behandlung bei nachgewiesenen Thromben in grossen Gefässen, vor allem im Bereich der A. cerebri media, eine zunehmend gängige Praxis. Hierbei wurde häufig eine intravenöse Lyse begonnen, danach wurden die Kranken in ein Zentrum mit endovaskulärer Interventionsmöglichkeit verlegt (sog. Bridging- Konzept). Die Studie von Broderick et al. konnte bei der  iv-Lysetherapie keinen zusätzlichen Nutzen einer endovaskulären Therapie nachweisen, obschon die Rekanalisa­tionsrate dieser Methode höher ist. In der Studie von Ciccone et al. war auch im Studienarm der alleinigen endovaskulären Therapie kein besseres Ergebnis gegenüber der iv-Therapie nachweisbar. Broderick et al. mutmassen, dass der Zusammenhang von Rekanalisation und Outcome im zeitlichen Ablauf immer schlechter wird, und dass man künftig stärker eine Optimierung des Zeitfensters erreichen müsse. Allerdings konnte in der Studie von Ciccone et al. durch eine schnellere endovaskuläre Behandlung kein zusätzlicher Nutzen nachgewiesen werden. Diese Studien belegen, dass der Parameter einer Rekanalisation grosser intrakranieller Arterien nur bedingt mit dem klinischen Nutzen korreliert, und unterstreichen die Bedeutung einer rasch durchzuführenden intravenösen Lysetherapie.

Sylvan J. Albert

Standpunkte und Meinungen
  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 17 -- No. 5
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Nach Schlaganfall besser endovaskulär behandeln? 1 ( 2013)