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Betahistin bei Menière-Krankheit
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Sandro Stöckli
- infomed screen Jahrgang 20 (2016)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 14. Juni 2016 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Bei der Menière-Krankheit liegt eine Störung des Gleichgewichts- und Hörorgans vor. Die genaue Ursache ist noch immer unklar. Die typischen Symptome – eine Trias aus Drehschwindel, Höreinschränkung und Tinnitus – treten meist in Form von Attacken auf. Obwohl Häufigkeit, Schweregrad und Dauer der Attacken sehr individuell sind, ist bei den Betroffenen der Leidensdruck gross und die Lebensqualität eingeschränkt. Betahistin (Betaserc® u.a.) ist die einzige medikamentöse Behandlung, die zur Verfügung steht. Der Wirksamkeitsnachweis für Betahistin stützte sich bis jetzt weitgehend auf Beobachtungsstudien und ein paar kleinere randomisierte Studien zweifelhafter Qualität. Nun sollte Betahistin im Rahmen einer grösseren Doppelblindstudie hinsichtlich Wirksamkeit bei Menière-Krankheit mit Placebo verglichen werden.
Methoden
Für die vorliegende Doppelblindstudie an 14 deutschen Zentren wurden von 2008 bis 2012 Personen rekrutiert, welche die Diagnosekriterien für eine Menière-Erkrankung erfüllten und sich in einer aktiven Krankheitsphase befanden (mindestens zwei Schwindelattacken pro Monat in den drei Monaten vor der Studienteilnahme). Nicht berücksichtigt wurden Personen mit Schwindelepisoden anderer Ursache (peripher oder zentral), bekannter Unverträglichkeit für Betahistin oder schweren Allgemeinerkrankungen. Die untersuchten Personen erhielten nach dem Zufall entweder hoch dosiertes Betahistin (3x 48 mg täglich), niedrig dosiertes Betahistin (2x 24 mg täglich) oder Placebo über 9 Monate. Nach der Behandlungsphase wurde 3 Monate weiterbeobachtet, so dass die gesamte Studiendauer 12 Monate betrug. Als primärer Endpunkt interessierte die Anzahl der in einem Tagebuch festgehaltenen Attacken pro 30 Tage in der Auswertungsperiode vom 7. bis 9. Monat. Sekundäre Endpunkte waren Art, Dauer und Intensität der Attacken, Lebensqualität, sowie apparativ messbare Veränderungen der Hör- und Gleichgewichtsfunktion.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 221 Personen mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren untersucht, 214 davon konnten in die Studienauswertung aufgenommen werden. Die Anzahl Attacken während der ganzen Studiendauer unterschied sich in den drei Behandlungsgruppen nicht. In der Beobachtungsperiode vom 7. bis 9. Monat betrug die durchschnittliche Rate von Attacken pro Monat 2,7 für Placebo, 3,2 für die niedrige und 3,3 für die hohe Dosis Betahistin. In allen drei Gruppen nahm die Anzahl Attacken pro zusätzlich beobachtete Zeiteinheit von 30 Tagen kontinuierlich ab, aber auch hier unterschieden sich die drei Gruppen nicht voneinander. Auch bezüglich der diversen sekundären Endpunkte konnten keine Unterschiede zwischen den Gruppen gefunden werden. Die Behandlung wurde insgesamt gut toleriert, relevante unterwünschte Wirkungen traten nur sehr selten und in allen Gruppen etwa gleich häufig auf.
Schlussfolgerungen
Zwar nahm sowohl mit Betahistin als auch mit Placebo die Anzahl Attacken über die Behandlungsdauer kontinuierlich ab, zwischen den drei Behandlungsgruppen konnte jedoch kein Unterschied gezeigt werden, weder bezüglich Anzahl Attacken pro Zeiteinheit noch bezüglich anderer Endpunkte. Da keine Gruppe ohne Intervention untersucht wurde, kann keine Aussage dazu gemacht werden, ob es sich bei der Verringerung der Attacken über die Zeit um einen Placeboeffekt oder um den natürlichen Verlauf der Erkrankung handelt.
Zusammengefasst von Thomas Koch
Obwohl Betahistin als Erstlinientherapie bei der Behandlung des Morbus Menière von den meisten Guidelines empfohlen und auch von vielen Ärztinnen und Ärzten eingesetzt wird, war die Datenlage zu dessen Wirksamkeit immer schwach. Diese prospektive, placebokontrollierte Studie konnte weder in der Reduktion der Schwindelattacken zwischen einer hohen und niedrigen Dosierung von Betahistin noch zwischen Betahistin und Placebo einen Unterschied aufzeigen. Damit stellt diese Studie aktuell die Untersuchung mit dem höchsten Evidenzlevel dar. Allerdings fehlte in dieser Studie ein Beobachtungsarm ohne Intervention. Dies wäre angesichts des bekannten positiven Einflusses von Placebointerventionen beim Morbus Menière wichtig gewesen. Schlussfolgernd lässt sich zusammenfassen, dass Betahistin auch in hoher Dosierung Placebo nicht überlegen ist, dass aber auch eine Placebointervention zu einer Verbesserung der Symptome führt und damit wahrscheinlich der reinen Beobachtung überlegen ist. Damit ist beim Morbus Menière gestützt auf die empirische Erfahrung, den Placeboeffekt und der ausserordentlich guten Verträglichkeit Betahistin wohl auch in Zukunft das Therapeutikum der ersten Wahl.
Sandro Stöckli
Standpunkte und Meinungen
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