Meniskektomie oder Physiotherapie?

  • r -- van de Graaf VA, Noorduyn JCA, Willigenburg NW et al. Effect of early surgery vs physical therapy on knee function among patients with nonobstructive meniscal tears: The ESCAPE randomized clinical trial. JAMA. 2018 Oct 2;320:1328-37 [Link]
  • Zusammenfassung: Christoph Quack
  • Kommentar: Luzi Dubs
  • infomed screen Jahrgang 23 (2019) , Nummer 1
    Publikationsdatum: 21. Februar 2019
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Warum diese Studie?

Die arthroskopische Teil-Meniskektomie ist einer der am häu­figsten durchgeführten orthopädischen Eingriffe. In neue­ren Studien wurde die Frage aufgeworfen, ob die Kniefunk­tion nach dem Eingriff längerfristig besser ist als nach alleini­ger Physiotherapie. Deshalb sollte hier die Nicht-Unterlegen­heit der Physiotherapie im Hinblick auf die mit einem standardi­sierten Fragebogen erfassten subjektiven Knie-Be­schwerden untersucht werden. Dazu wurden 321 Teilneh­mende mit durch Magnetresonanztomographie bestätigten Meniskuslä­sio­nen randomisiert entweder einer Operation oder einer Physiotherapie zugewiesen. Letztere bestand aus 16 Behand­lungen über 8 Wochen mit dem Schwerpunkt auf Ausdauer, Koordination, Gleichgewicht und Kraftaufbau. Ausschlusskri­terien waren ein Blockieren des Kniegelenks, frühere Knie­operationen, Kreuzbandriss, fortgeschrittene Gon­arthrose oder Übergewicht (BMI >35). Die Kniefunktion wurde mit dem IKDC-Fragebogen («Subjective Knee Form of the Inter­national Knee Documentation Committee») erfasst.

Was hat man gefunden?

Über die ganze untersuchte Dauer von 24 Monaten gerech­net war die subjektive Kniefunktion in der Physiotherapie-Gruppe den Resultaten in der Meniskektomie-Gruppe nicht unterlegen. Vergleicht man aber die Gruppen nach jeweils 3, 6, 12 und 24 Monaten, so konnte die Nicht-Unterlegenheit nur nach 3 und 6 Monaten demonstriert werden. Bei 29% der Behandelten in der Phy­sio­therapie-Gruppe wurde bei persistierenden Beschwer­den eine Meniskektomie durch­ge­führt, meist schon in­ner­halb der ersten 6 Monate.

Wie wird es gedeutet?

In der Studie kommt man zum Schluss, dass die Physiothera­pie aufgrund der gefundenen Nicht-Unterlegenheit in Bezug auf subjektive Knie-Beschwerden zumindest in der initialen Be­han­d­lungs­phase eine Alternative zur arthroskopischen Teil-Meniskektomie sei.

Zusammengefasst von Christoph Quack

Gast-Kommentar

Diese Studie zeigt ihre Mängel bereits in der Run-in-Phase mit inakzeptablen und realitätsfernen Ein­schluss­kriterien (Knie­schmerz plus Meniskusveränderungen im MRI), in der schwa­chen internen und externen Validität der Patienten­selek­tion (weniger als ein Patient pro Monat und Zen­trum operiert), dann in der unterschiedlichen Nachbe­handlung, der hohen Cross-over-Rate der Physiotherapie­gruppe von 29% (nach «in­tention to treat»), in den Outcome-Variablen mit dem Risiko des Score-Bias (IKDC) und des Sur­rogat-Bias (Röntgen bei Follow-up) sowie den fehlenden Wir­kungs­grös­sen (NNT). Sie reiht sich mühelos in die anderen mängel­be­hafteten randomi­sierten Studien zum Thema Menis­kus ein. So what? Die Stu­die muss man nicht (zu Ende) lesen. Man muss anamnestisch und klinisch spezifizieren, ob es sich bei der Kombination von Knieschmerz und dem Meniskus­be­fund im MRI um eine Me­niskusveränderung (asymptoma­tisch) oder einen Meniskus­schaden (symptomatisch) han­delt, wo­rüber das Verlaufsprofil und die klinischen Befunde wichtige Informationen liefern. Wenn im MRI asympto­ma­ti­sche Menis­kusveränderungen vor­liegen, haben die Knie­schmer­zen an­dere Ursachen, die auf Physiotherapie an­sprechen können. Dominieren hingegen die Zeichen eines per­­sistierenden symp­tomatischen Meniskus­schadens, dann kann nur die Operation das devitalisierte, funktionslose Me­nis­kus­gewebe beseitigen. Die Physiotherapie kann am ge­schä­dig­ten Meniskus nichts ausrichten. Ihr Stellen­wert liegt allen­falls bei der postoperati­ven Rehabilitation der Muskulatur.

Luzi Dubs, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Win­terthur

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Meniskektomie oder Physiotherapie? ( 2019)