Beeinflusst der Stichtag der Einschulung die Diagnose einer ADHS?
- Zusammenfassung: Christoph Quack
- Kommentar: Alain Di Gallo
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 12. März 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
Eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wird immer häufiger diagnostiziert. Häufig wird die Abklärung von Lehrerinnen und Lehrern vorgeschlagen, weil ihnen das Verhalten eines Kindes im Vergleich zu den Klassenkameraden auffällt. Wenn die Einschulung durch einen Stichtag bestimmt wird, entstehen in einer Schulklasse Altersunterschiede von bis zu 12 Monaten. Frühere Studien haben gezeigt, dass ADHS bei jüngeren Kindern häufiger diagnostiziert wird als bei älteren Kindern der gleichen Klassenstufe. Die Daten basierten aber auf Umfragen. In dieser Studie wurde bei 407’846 Kindern mit Hilfe einer US-amerikanischen Krankenkassen-Datenbank untersucht, ob ADHS bei den jüngsten Kindern innerhalb einer Klasse häufiger vorkommt als bei ältesten Kindern und ob sich die Behandlung unterscheidet.
Was hat man gefunden?
Entscheidet ein Stichtag über die Einschulung, ist sowohl die Diagnosehäufigkeit als auch die Behandlungsintensität bei den jüngsten Knaben signifikant höher als bei den ältesten Kameraden der gleichen Klassenstufe. Bei den Mädchen verhält es sich ähnlich, der Unterschied ist aber statistisch nicht signifikant. Diese Tendenz ist ab der Einschulung in den Kindergarten nachweisbar. In Regionen mit Einschulung ohne Stichtag wurde dieser Unterschied nicht gefunden.
Wie wird es gedeutet?
Die Ergebnisse aus dieser Untersuchung bestätigen die bisherigen Studien. Bei auffälligem Verhalten eines Kindes im Klassenverbund sollte das effektive Alter berücksichtigt werden.
Zusammengefasst von Christoph Quack
Gast-Kommentar
Die Diagnose einer ADHS erfolgt in erster Linie klinisch, unter Berücksichtigung aller Lebensbereiche des Kindes. Ärztinnen und Ärzte müssen deshalb die Beobachtungen der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer in ihre Beurteilung einbeziehen. Ein 5-jähriges Kind, das den Kindergarten beginnt, hat 17% weniger Lebens- und Entwicklungszeit hinter sich als ein 6-jähriges. Also überrascht es nicht, wenn es ihm in der ersten Zeit noch schwerer fällt, still zu sitzen, bei einer Aufgabe zu verweilen oder eine Enttäuschung ohne Gefühlsausbruch zu ertragen. Im gleichen Kindergarten-Umfeld benötigen jüngere Kinder im Durchschnitt mehr Unterstützung als ältere Kinder. Dass diese Tatsache aber bei den Knaben zu möglicherweise falsch positiven ADHS-Diagnosen und häufigeren Behandlungen mit Stimulantien führt, gibt zu denken und mahnt uns zur Sorgfalt in der Beurteilung von Verhaltensauffälligkeiten. Wir dürfen deshalb aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die Krankheit an sich in Frage stellen.
Alain Di Gallo
Standpunkte und Meinungen
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