Mehr Herzinfarkte unter Trizyklika?
- Kommentar: Etzel Gysling
- infomed screen Jahrgang 4 (2000)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 1. März 2000 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Mehrere Studien konnten zeigen, dass Personen mit einer Depression eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität aufweisen. Es ist unklar, ob dieses erhöhte Risiko durch die Depression oder durch die antidepressive Therapie verursacht wird. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen Antidepressiva und Myokardinfarkt besteht. Ausserdem ging man der Frage nach, ob sich Trizyklika und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer diesbezüglich unterscheiden.
Methoden
Die Studie beruht auf den Aufzeichnungen einer Krankenversicherung für Staatsangestellte aus dem Grossraum New York. Diese Aufzeichnungen enthalten Informationen zu den bezogenen Medikamenten, zu Austrittsdiagnosen bei Spitalaufenthalten sowie zu Todesursachen. 2‘247 Personen im Alter von 25 bis 65 Jahren, die zu Beginn der Studie (1991-92) Antidepressiva erhielten, wurden 52‘750 Personen ohne antidepressive Medikation gegenübergestellt. Die Beobachtung umfasste einen Zeitraum von durchschnittlich 3,5 Jahren (Minimum: 6 Monate). Primärer Endpunkt war der Tod oder eine Hospitalisation infolge eines Myokardinfarkts.
Ergebnisse
Das relative Risiko (RR), einen Myokardinfarkt zu erleiden, war bei Personen, die Antidepressiva erhielten, im Vergleich zu Personen ohne Antidepressiva mehr als doppelt so hoch (RR=2,2). Mit Antidepressiva Behandelte hatten auch eine höhere Gesamtmortalität und mussten häufiger wegen Herz-Kreislaufkrankheiten hospitalisiert werden als die Personen der Kontrollgruppe (RR=1,7). Bei den fast 10% der antidepressiv Behandelten, die auch kardiovaskulär aktive Medikamente nahmen, ergab sich ein noch höheres Infarktrisiko (RR=2,6), aber eine geringere Gesamtmortalität (RR=0,7). 1‘650 Personen nahmen Trizyklika, 655 nahmen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Nach Berücksichtigung weiterer (teilweise aus den Medikamentendaten abgeleiteten) Risikofaktoren errechnete sich ein relatives Infarktrisiko von 2,2 für trizyklische Antidepressiva (14 Infarkte) und von 0,8 für Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (2 Infarkte).
Schlussfolgerungen
Die Einnahme von trizyklischen Antidepressiva ist langfristig mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko verbunden. Keine erhöhte Herzinfarktrate fand sich dagegen bei Behandlung mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern.
Diese Studie bestätigt scheinbar die ungünstigen Auswirkungen trizyklischer Antidepressiva auf das Herz. Dies erscheint in Anbetracht der anticholinergischen Wirkungen der Trizyklika primär durchaus plausibel. Ein zweiter Blick auf die Studie zeigt aber, dass die Aussagen auf einer äusserst bescheidenen Datenbasis beruhen. Nicht nur sind die Ereignisraten sehr klein, auch die Daten zu den individuellen Risikofaktoren fehlen weitgehend. Es ist deshalb denkbar, dass die scheinbare Assoziation Trizyklika-Herzinfarkt mit «Confounding» erklärt werden könnte (siehe Epidemiologie März 2000).
Etzel Gysling
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