Periodontitis: Hirnschläge gehäuft
- Kommentar: Klaus A. Neftel
- infomed screen Jahrgang 4 (2000)
, Nummer 10
Publikationsdatum: 1. November 2000 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Bei der Entstehung der koronaren Herzkrankheit können möglicherweise Entzündungsmechanismen eine Rolle spielen. Ob dies auch für zerebrovaskuläre Erkrankungen zutrifft, ist bisher nicht bekannt. In den vorliegenden zwei Teilstudien mit Daten aus der amerikanischen «First National Health And Nutrition Examination Survey Epidemiologic Study» (NHANES I) wurde untersucht, ob eine Periodontitis einen kausalen Faktor für koronare oder zerebrale Gefässerkrankungen darstellt.
Methoden
Die erste Studie umfasst 9’962 Personen im Alter zwischen 25 und 74 Jahren aus dem Kollektiv von NHANES I. In dieser Studie wurde nach einem Zusammenhang zwischen Periodontitis und zerebrovaskulären Ereignissen gesucht. Gemäss Untersuchungen in den Jahren 1971 bis 1974 hatten 3’634 gesunde Zähne, 2’346 eine Gingivitis, 1’800 eine Periodontitis und 2’182 hatten keine Zähne mehr. Zerebrovaskuläre Ereignisse wurden zwischen 1982 und 1992 registriert.
Die zweite Studie umfasst 8’032 initial herzgesunde Personen aus dem gleichen NHANES-I-Kollektiv; zahnlose Personen wurden hier nicht berücksichtigt. Anfänglich hatten 1’859 eine Periodontitis, 2’421 eine Gingivitis und 3’752 hatten einen gesunden Zahnstatus. Koronare Ereignisse (Todesfälle, Hospitalisationen, Revaskularisationen) wurden ebenfalls zwischen 1982 und 1992 aufgezeichnet.
Ergebnisse
In der ersten Studie wurden 803 nicht-tödliche Ereignisse gezählt, nämlich 596 ischämische Hirnschläge, 91 Blutungen und 116 transitorische ischämische Attacken. 282 Hirnschläge endeten tödlich, nämlich 230 ischämische Insulte und 52 Hirnblutungen. Unter Berücksichtigung zahlreicher weiterer Risikofaktoren ergibt sich für Personen mit einer Periodontitis ein gegenüber Zahngesunden um etwa zwei Drittel erhöhtes Schlaganfallrisiko (RR 1,66). Ischämische Insulte waren bei Personen mit Periodontitis doppelt so häufig, für Hirnblutungen bestand dagegen kein erhöhtes Risiko. Personen mit einer Gingivitis und solche ohne eigene Zähne hatten kein signifikant erhöhtes Risiko eines zerebrovaskulären Insultes (RR 1,24 bzw. 1,41).
In der zweiten Studie hatten 1’265 Personen mindestens ein koronares Ereignis. 468 tödliche Herzinfarkte, 1’022 Hospitalisationen und 155 Revaskularisationen wurden beobachtet. Nach Berücksichtigung bekannter koronarer Risikofaktoren konnte zwischen Periodontitis oder Gingivitis und koronaren Ereignissen kein signifikanter Zusammenhang errechnet werden. Der Vergleich erfolgte wie in der ersten Studie mit zahngesunden Personen.
Schlussfolgerungen
Eine Periodontitis scheint keinen Risikofaktor für eine koronare Herzkrankheit darzustellen. Hingegen treten ischämische Hirnschläge bei Personen mit Periodontitis gehäuft auf.
Die beiden Studien zur umfassenderen Debatte «Infekt und Atherosklerose» sind besonders interessant, weil sie auf der gleichen, sehr grossen Population beruhen. Wie bei einzelnen früheren – zum Teil wesentlich kleineren – Studien ist die Assoziation zu zerebrovaskulären Ereignissen eindrücklicher als zu koronaren, wo sie auch bei dieser erheblichen Fallzahl fast inexistent ist. Falls ein kausaler Zusammenhang aber wirklich bestehen sollte, stellen sich dem Kliniker in Zukunft vor allem zwei Fragen:
1. Für welchen Teil des atherogenen Prozesses ist die Periodontitis ein Marker?
2. Gibt es praktische Interventionen?
Es ist evident, dass zu ihrer Beantwortung Kenntnisse zahlreicher pathogenetischer Mechanismen noch fehlen. Diskutiert werden besonders: 1. Direkte mikrobielle Besiedelung des Endothels, 2. Zunahme thromboembolischer Ereignisse durch häufigere Bakteriämie, und 3. Folgen der proinflammatorischen Reaktion auf die chronische Periodontitis.
Klaus Neftel
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