Östrogen-Ersatz bei Alzheimer nutzlos
- r -- Mulnard RA, Cotman CW, Kawas C et al. Estrogen replacement therapy for treatment of mild to moderate Alzheimer disease: a randomized controlled trial. JAMA 2000 (23. Februar); 283: 1007-15 [Link]
- Kommentar: Matthias Egger
- infomed screen Jahrgang 4 (2000)
, Nummer 4
Publikationsdatum: 1. April 2000 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Mehrere kleine Studien liessen vermuten, dass eine Östrogen-Substitution bei Frauen mit Alzheimer-Krankheit zumindest die Wahrnehmung und die Verstimmung bessert. Ziel dieser Studie war es, diese Vermutung durch eine grössere und längerdauernde Doppelblindstudie zu klären.
Methoden
In diese einjährige Studie wurden initial 120 Frauen mit einer leichten bis mittelschweren Alzheimer-Erkrankung und Status nach Hysterektomie (um Gestagene zu vermeiden) aufgenommen und in 3 Gruppen randomisiert. Die Teilnehmerinnen der ersten Gruppe (n=42) erhielten täglich 0,625 mg, diejenigen der zweiten Gruppe (n=39) täglich 1,25 mg konjugierte Östrogene (Premarin®). 39 Frauen wurden der Placebo-Gruppe zugeteilt. Primärer Endpunkt war das Resultat der 7 Punkte umfassenden Skala des «Clinical Global Impression of Change» (CGIC). Sekundäre Endpunkte waren die Resultate weiterer Tests wie z.B. die «Mini Mental State Examination» (MMSE) und die «Clinical Dementia Rating Scale» (CDR). Testabklärungen fanden nach 2, 6, 12 und 15 Monaten statt.
Ergebnisse
35 Frauen der ersten, 30 der zweiten und 32 der Placebo-Gruppe beendeten die Studie. Zwischen den 3 Gruppen konnte nach 12 Monaten bezüglich des primären Endpunkts kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Bezüglich sekundärer Endpunkte wurde lediglich im CDR-Test und in einem motorischen Test ein signifikanter Unterschied zugunsten der Placebo-Gruppe gefunden. Die Nebenwirkungen unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant. In den Östrogen-Gruppen traten je 2 tiefe Venenthrombosen auf sowie je 1 Todesfall; letztere dürften aber nicht mit der Östrogen-Medikation zusammenhängen.
Schlussfolgerungen
Eine einjährige Östrogen-Substitution hatte keinen Einfluss auf die Progression der Alzheimer-Krankheit. Ausser einer leichten Besserung der Stimmung, allerdings nur in den ersten 2 Monaten, konnten keine weiteren Verbesserungen z.B. der kognitiven und motorischen Fähigkeiten bei Frauen mit einer milden bis mässigen Alzheimer-Erkrankung beobachtet werden. Zu einer allfälligen präventiven Wirkung von Östrogenen erlaubt die Studie keine Aussage.
«Gegenwärtig kann Östrogen als adjuvante Therapie bei milden Formen der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium empfohlen werden.» Diese Aussage, die vor kurzem in der Schweizerischen Medizinischen Wochenschrift1 zu lesen war, wird durch die vorliegende randomisierte Doppelblindstudie klar widerlegt: Östrogen beeinflusst bei älteren Frauen mit milder Alzheimer-Krankheit den kognitiven Abbau nicht. Ein weiteres Beispiel dafür, dass vielversprechende Resultate aus Labor und Epidemiologie nicht ohne weiteres in die Klinik übertragen werden können. Die Wirksamkeit sollte in randomisierten Studien belegt werden, bevor die Einführung einer Therapie empfohlen wird.
Matthias Egger
1 Stähelin HB. Östrogen und die Alzheimer-Krankheit. Schweiz Med Wochenschr 1999; 129: 1920–5
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