Bauchaortenaneurysma: wann operieren?

  • r -- Lederle FA, Wilson SE, Johnson GR et al. Immediate repair compared with surveillance of small abdominal aortic aneurysms. N Engl J Med 2002 (9. Mai); 346: 1437-44 [Link]
  • Kommentar: Jürg Schmidli
  • infomed screen Jahrgang 6 (2002) , Nummer 10
    Publikationsdatum: 1. Oktober 2002
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Studienziele

Wegen der Gefahr einer Ruptur gilt ein Bauchaortenaneurysma von mehr als 5,5 cm Durchmesser als Indikation für eine Operation mit Ersatz der infrarenalen Aorta durch ein Implantat. Unklar ist, ob bei Aneurysmen unter 5,5 cm eine frühe Operation oder ein Zuwarten unter regelmässiger sonographischer Kontrolle vorteilhafter ist.

Methoden

In beiden Studien wurden Personen mit einem infrarenalen Bauchaortenaneurysma von 4,0 bis 5,4 cm Durchmesser nach dem Zufall elektiv operiert oder 6monatlich kontrolliert (Ultraschall oder Computertomographie). In der Kontrollgruppe wurde operiert, wenn ein Aneurysma einen Durchmesser von 5,5 cm erreicht oder mehr als 1 cm im Jahr gewachsen war. Die eine der beiden Studien wurden in 9 Zentren der amerikanischen "Veterans Affairs " bei 1'136 Personen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren durchgeführt, die andere in Grossbritannien ("UK Small Aneurysm Trial") bei 1'090 Personen im Alter zwischen 60 und 76 Jahren. Primärer Endpunkt war jeweils die Gesamtmortalität, ausserdem wurden unter anderem das Operationsrisiko und das Risiko für eine Aneurysmaruptur registriert.

Ergebnisse

In der amerikanischen Studie betrug die durchschnittliche Beobachtungsdauer 4,9 Jahre. Bis Studienende waren in der Interventionsgruppe 92%, in der Kontrollgruppe 62% der Personen operiert worden. Die Mortalität betrug 25% in der Interventionsgruppe und 22% in der Kontrollgruppe. Subgruppenanalysen konnten ebenfalls keinen signifikanten Vorteil der frühen Operation zeigen. Die perioperative Mortalität bei der Frühoperation betrug 2%. In der Kontrollgruppe erlitten 11 Personen eine Aneurysmaruptur, was einer jährlichen Rupturrate von 0,6% entspricht. Die primären Resultate der britischen Studie hatten ähnlich ausgesehen und wurden bereits vor 4 Jahren publiziert. Jetzt liegen Daten aus einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 8 Jahren vor. In dieser Zeit dahin waren auch in der Kontrollgruppe 97% der Überlebenden operiert worden. In Interventionsgruppe betrug die Mortalität 43%, in der Kontrollgruppe 48% (p=0,05). Die mittlere Überlebensdauer blieb ohne signifikanten Unterschied (6,7 bzw. 6,5 Jahre). Die Mortalität war zu Beginn in der Interventionsgruppe höher (die perioperative Mortalität bei der Frühoperation betrug 5,4%), nach drei Jahren überkreuzten sich dann die Überlebenskurven der beiden Gruppen. Als mögliche Ursache für die bessere Langzeitprognose fand sich die Tatsache, dass in der Interventionsgruppe viel mehr Kranke im ersten Studienjahr das Rauchen aufgegeben hatten. Das Risiko, an einer Aneurysmaruptur zu sterben, war in der Kontrollgruppe für Frauen signifikant höher als für Männer (14% gegenüber 5%).

Schlussfolgerungen

Um Todesfälle auf Grund eines rupturierten Bauchaortenaneurysmas vermeiden zu können, müssen Risikopersonen entdeckt und überwacht werden. Bisher wurde die Indikation zur Operation (chirurgisch oder endovaskulär) ab einem maximalen Durchmesser von 5 cm gestellt. In beiden vorliegenden multizentrischen Studien wird gezeigt, dass das Überleben beider Gruppen innerhalb von 5 Jahren nach der Randomisierung nicht verschieden ist. Nach 8 Jahren konnte in der britischen Studie eine um 8% höhere Überlebensrate in der chirurgischen Gruppe aufgezeigt werden, obwohl die perioperative Mortalität mit 5,4% relativ hoch war. Die Verbesserung der Überlebensrate wurde nicht der Tatsache gutgeschrieben, dass die Kranken erfolgreich operiert wurden, sondern dass sie ihre Lebensgewohnheiten geändert hätten (Rauchstopp). Hätte die perioperative Mortalität in der britischen Studie 2% betragen, so wäre die 8-Jahres-Überlebensrate um mehr als 10% höher als in der Überwachungsgruppe. Wir müssen uns besonders vor Augen halten, dass - auch wenn die Indikation für die Aneurysmaoperation bei 5,5 cm Durchmesser gesetzt wird - 50-80% der Kranken innerhalb der nächsten Jahren sich einer Operation unterziehen müssen, da ihr Aneurysma die Grenze von 5,5 cm erreicht hat. Besondere Beachtung gebührt dem infrarenalen Bauchaortenaneurysma bei der Frau. Hier muss die Indikation für die Aneurysma-Ausschaltung ab 4,5 cm Maximaldurchmesser gesetzt werden und nicht bei 5,5 cm Maximaldurchmesser, wie die britische Studie gezeigt hat.

Die Mortalitätsrate bei der offenen Aneurysmaoperation war mit fast 6% in der britischen Studie zu hoch. Sie ist stark von der chirurgischen und von der Erfahrung des Spitals (case load) abhängig und sollte bei konsequenter kardialer Abklärung (und entsprechender Behandlung) sowie perioperativer Betablockierung weniger als 2% betragen.

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infomed-screen 6 -- No. 10
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Bauchaortenaneurysma: wann operieren? ( 2002)