Harnwegsinfekte im Alter

Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Infektionen bei älteren Menschen. Die Prävalenz einer Bakteriurie beträgt bei jungen Frauen lediglich 2 bis 4%, bei 60-jährigen Frauen aber 6 bis 8% und bei älteren Frauen ist sie noch höher.(1) Bei Männern sind Harnwegsinfekte generell etwa halb so häufig, die Prävalenz nimmt jedoch ebenfalls mit dem Alter zu.
Ob Harnwegsinfekte auftreten, hängt stark von der Lebens- und Wohnsituation ab. Bei alten Frauen, die noch selbständig in ihrer Wohnung leben, ist nur bei rund 10% eine Bakteriurie nachzuweisen, bei gleichaltrigen Alters- oder Pflegeheiminsassinnen aber bei 25% oder noch häufiger. Langzeitstudien zeigen ausserdem, dass ältere Menschen oft wiederholt an Harnwegsinfekten leiden, die spontan wieder verschwinden. Diese Harnwegsinfekte verlaufen aber häufig asymptomatisch.(1)
Die Gründe für die erhöhte Anfälligkeit älterer Menschen gegenüber Harnwegsinfektionen sind vielfältig: verringerte Immunabwehr, neurogene Blasenbeschwerden, obstruktive Uropathien, erhöhte Adhäsion von Keimen an den Epithelialzellen, erhöhtes Kontaminationsrisiko durch Urin- oder Fäkalinkontinenz, eine Änderung des pH-Werts des Scheiden- und Blasenmilieus sowie hormonale Veränderungen .
Ein wichtiger Risikofaktor sind auch Dauerkatheter. Bei längerer Verweildauer erreicht die Infektionsrate fast 100%.(1)

Mikrobiologie

Das Bakterienspektrum ist bei älteren Personen weiter gefächert als bei jungen. Bei älteren Frauen findet man neben E. coli andere gram-negative Keime wie Proteus mirabilis, Klebsiella pneumoniae, Enterobacter sp., Serratia sp. und andere. Bei älteren Männern dominieren E. coli sowie gram-positive Bakterien wie Enterokokken. Bei Männern, die in Pflegeheimen wohnen, ist am häufigsten Proteus mirabilis nachzuweisen. In geriatrischen Institutionen und Spitälern muss ausserdem vermehrt mit resistenten Keimen gerechnet werden.

Klinik

Wenn eine Harnwegsinfektion symptomatisch ist, so sind die Symptome bei Jung und Alt grundsätzlich identisch: Brennen bei der Miktion (Dysurie), häufiger Harndrang (Pollakisurie) und Unterbauchschmerzen. Bei einer Infektion der oberen Harnwege können Fieber und Flanken- oder Rückenschmerzen hinzukommen.(2,3) Alte Kranke im Pflegeheim oder im Spital klagen jedoch nicht immer über die typischen Symptome, sei es weil sie dement oder verwirrt sind oder weil unspezifische Beschwerden wie Veränderungen des Allgemeinzustandes, Bauchschmerzen, unklares Fieber, Kontinenzprobleme, Erbrechen oder Übelkeit die eigentlichen Symptome überdecken.
Auch bei älteren Frauen ist die Prognose von unkomplizierten Harnwegsinfekten in der Regel gut und es sind keine ungünstigen
Auswirkungen auf die Nierenfunktion zu befürchten.(1-3)
Komplizierte Harnwegsinfekte sind Infekte bei Personen, die besondere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf oder Folgeschäden aufweisen. Zu diesen Risikofaktoren gehören: Anomalien der Harnwege (z.B. Reflux), neurologische Erkrankungen mit Miktionsstörung, Urolithiasis, Dauerkatheter, Niereninsuffizienz, Zystennieren, Immunsuppression, Diabetes mellitus. Bei Männern müssen Harnwegsinfekte immer als kompliziert betrachtet werden, da die Erreger nicht sicher vorhergesagt werden können und eine Prostatabeteiligung häufig ist.(4) Bei komplizierten Harnwegsinfekten kann es ohne Behandlung zu einer Urosepsis oder Parenchymschäden und zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion kommen.(3)

Diagnose

Die Diagnose beruht auf den typischen Symptomen und den Ergebnissen der Urinuntersuchung. Dazu wird frischer Urin mit Teststäbchen auf Nitrit und Leukozyten untersucht. Die Definition einer Bakteriurie beruht grundsätzlich auf Mittelstrahlurin, der nach Reinigung von Perineum und Vulva bzw. der Glans penis gewonnen wurde. Liegen typische Symptome vor, ist jedoch die Gewinnung von Mittelstrahlurin nicht erforderlich.(3)
Die Diagnose eines Harnwegsinfektes kann mit dem gleichzeitigen Vorhandensein der beiden Symptome «gehäufte Miktion» und «Brennen beim Wasserlassen» mit einer Sensitivität von über 90% gestellt werden. Weitere Untersuchungen sind unter diesen Umständen nicht notwendig, wenn zudem die Untersuchung auf Nitrit und Leukozyten positiv ausfällt (Spezifität von über 90%).(5) Bei dieser Konstellation erübrigt sich die Untersuchung des Harnsediments oder von unzentrifugiertem Urin auf Bakterien und Leukozyten in einer Zählkammer, da damit die diagnostische Sicherheit nicht erhöht wird.
Das Anlegen einer Urinkultur wird nur empfohlen, wenn bei negativem Nitrit- oder Leukozytentest typische Symptome vorhanden sind oder ein Rückfall vorliegt.(3) Ursprünglich wurde eine Mindestanzahl von 105 koloniebildenden Einheiten (CFU) pro ml als signifikant bezeichnet. Neueren Untersuchungen zufolge haben viele symptomatische Frauen nur eine Keimzahl von 102 CFU/ml im Urin. Bei negativer Urinkultur und persistierenden Beschwerden sollten folgende Ursachen ausgeschlossen werden: Urethritis, chronische Prostatitis, Kolpitis sowie urogenitale Tuberkulose. Bei komplizierten Harnwegsinfekten (inklusive Harnwegsinfekte bei Männern), Verdacht auf Pyelonephritis und Therapieversagen sollte immer eine Urinkultur und ein Antibiogramm angelegt werden. Ausserdem sollte eine körperliche Untersuchung erfolgen.
Bei Verdacht auf funktionelle oder anatomische Veränderungen des Harntrakts, Urolithiasis oder bei häufigen Rezidiven sollte eine Sonographie der Harnwege durchgeführt werden.

Behandlung

Antibiotika, die bei Harnwegsinfekten zur Anwendung gelangen, sollten eine gute Wirkung gegen Harnwegskeime aufweisen, einen raschen Wirkungseintritt besitzen und hauptsächlich mit dem Urin ausgeschieden werden, damit hohe Urinkonzentrationen erreicht werden. Die Berücksichtigung der Nierenfunktion ist besonders bei älteren Personen sehr wichtig. Wird nur der Plasma-Kreatininwert betrachtet, so kann im Alter eine Niereninsuffizienz übersehen werden.
Zur ungefähren Abschätzung der Kreatinin-Clearance (in ml/min) eignet sich die sogen. Cockcroft-Gault-Formel,(6) von der hier eine gebräuchliche Version wiedergegeben sei: Kreatininclearance = (150 – Alter) x Körpergewicht / Plasmakreatinin.
Dabei wird das Alter in Jahren, das Körpergewicht in kg, und das Plasmakreatinin in µmol/l angegeben. Einzelne Fachleute reduzieren das Resultat für Frauen um den Faktor 0,85.

Asymptomatische Bakteriurie

Eine asymptomatische Bakteriurie liegt vor, wenn zwei getrennte Urinkulturen mindestens 105 CFU/ml aufweisen, jedoch keine für Harnwegsinfekte typischen Symptome vorliegen.
Lange Zeit hat man geglaubt, dass eine asymptomatische Bakteriurie die Morbidität und Mortalität bei älteren Kranken erhöhen würde. Neuere Studien haben diese Annahme jedoch widerlegt. (1) Ausserdem zeigen mehrere kontrollierte Studien bei älteren Personen, dass eine Antibiotikatherapie langfristig weder die Morbidität und Mortalität noch das Auftreten symptomatischer Harnwegsinfekte beeinflusst. Hingegen bewirkt eine Antibiotikabehandlung eine erhöhte Rate an Rezidiven und unerwünschten Wirkungen, höhere Kosten sowie eine vermehrte Resistenzentwicklung.(1) In einer Studie bei 72 Personen mit einem mittleren Alter von 85 Jahren konnte zudem gezeigt werden, dass eine Bakteriurie ohne Harnwegssymptome normalerweise auch nicht mit Allgemeinsymptomen wie z.B. Müdigkeit
assoziiert ist.(7)
Daher sollten asymptomatische Harnwegsinfekte in der Regel nicht behandelt werden, ausser vor urologischen Eingriffen. Dies gilt auch für Männer, Diabeteskranke und Personen mit Dauerkathetern.(1,2)
Weniger eindeutig ist allerdings, wie das plötzliche Auftreten zusätzlicher Symptome in Zusammenhang mit einer Harnwegsinfektion zu deuten ist. Einige wenige Studien weisen daraufhin, dass unspezifische Änderungen des klinischen Zustands ohne Fieber nicht durch eine Harnwegsinfektion verursacht werden.1 Meistens wird deshalb auch in diesen Fällen nur dann eine Therapie empfohlen, wenn eine Dysurie vorliegt oder Fieber zusammen mit dem Auftreten oder der Verschlechterung von Symptomen wie Harninkontinenz, Verwirrtheit, vermehrter Harndrang und Hämaturie auftritt.(8)

Unkomplizierte Harnwegsinfekte bei älteren Frauen

Die Behandlung der unkomplizierten Zystitis bei älteren Frauen dient vor allem der Besserung der Symptome. Dabei muss man sich bewusst sein, dass keine der gängigen therapeutischen Optionen problemlos ist. Entsprechend lauten die Empfehlungen verschiedener Leitlinien auch recht unterschiedlich.(3,9)
Im Folgenden werden Vor- und Nachteile der einzelnen Medikamente kurz zusammengefasst (siehe auch Tabelle 1).
Cotrimoxazol (Bactrim® u.a.) – die Kombination von Trimethoprim und Sulfamethoxazol – gilt nach einzelnen Leitlinien als gute Wahl,(9) obwohl dieses Präparat nicht wirksamer ist als Trimethoprim allein. (Trimethoprim ist heute als Monosubstanz in der Schweiz nicht mehr erhältlich.) Heute wird allerdings in vitro bei mehr als 20% der E. coli eine Resistenz gegenüber Cotrimoxazol beobachtet.(10) Ob in der Praxis ebenfalls mit einer ähnlich hohen Zahl von Therapieversagen gerechnet werden muss, ist nicht sicher. Cotrimoxazol verursacht jedoch eine grosse Zahl unerwünschter Wirkungen, insbesondere allergischer Natur. Gefährliche Komplikationen wie z.B. eine toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) sind zwar sehr selten, betreffen aber ältere Leute häufiger als junge. Auch die riskante Interaktion mit oralen Antikoagulantien darf nicht übersehen werden.
Nitrofurantoin (Furadantin retard® u.a.), das z.B. in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin als erste Wahl empfohlen wird,(3) gilt ebenfalls als zuverlässig wirksam. Gut dokumentiert ist Nitrofurantoin jedoch nur bei jungen, kaum bei älteren Patientinnen und Patienten. Ausserdem wirkt Nitrofurantoin nicht gegen Proteus sp. und Pseudomonas sowie nur beschränkt gegen Klebsiella und Enterobacter sp.(11) Auch Nitrofurantoin kann eine grosse Zahl bedeutsamer Nebenwirkungen allergischer Natur verursachen. Als Probleme sind auch periphere Neuropathien, das Risiko einer Hämolyse und (seltene) hepatotoxische Reaktionen zu nennen. Bei Personen mit einer eingeschränkten Nierenfunktion (Kreatininclearance unter 50 ml/min) ist Nitrofurantoin kontraindiziert.
Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.) ist heute als Monosubstanz so häufig gegen die üblichen Harnwegskeime unwirksam,(10) dass die Substanz kaum mehr empfohlen wird.
Co-Amoxiclav (Augmentin® u.a.), die Kombination von Amoxicillin mit dem Betalaktamase-Hemmstoff Clavulansäure, ist dagegen meistens wirksam. Nur ein kleiner Anteil der üblichen Harnwegskeime ist resistent.(10) Co-Amoxiclav ist auch verhältnismässig gut dokumentiert. Im Vergleich mit Amoxicillin allein verursacht die Kombination aber deutlich mehr gastrointestinale Nebenwirkungen.
Andere Betalaktam-Antibiotika, z.B. Cephalosporine der neueren Generationen, sind bei unkomplizierten Harnwegsinfekten zwar wirksam, aber nicht sinnvoll eingesetzt.
Norfloxacin (Noroxin® u.a.) ist bei Harnwegsinfekten gut wirksam und auch bei älteren Personen gut dokumentiert.(12-14) Gegenüber anderen Chinolonen hat Norfloxacin den Vorteil, dass die Substanz in üblicher Dosierung relativ niedrige Plasmaspiegel, jedoch hohe Urinkonzentrationen erreicht. Norfloxacin verursacht deshalb weniger Nebenwirkungen als andere Chinolone. Ein routinemässiger Einsatz von Norfloxacin ist jedoch mit einem erheblichen Risiko der Resistenzentwicklung verbunden.
Ciprofloxacin (Ciproxin® u.a.), ein weiteres Chinolon, ist bei Harnwegsinfektionen ebenfalls hochwirksam und erreicht hohe Konzentrationen im Nierengewebe (wie auch in der Prostata). Ciprofloxacin verursacht die typischen Chinolon-Nebenwirkungen; neben Magen-Darmsymptomen werden gelegentlich zentralnervöse Auswirkungen, Exantheme und (selten) Sehnenrupturen beobachtet. Wird Ciprofloxacin häufig eingesetzt, so ist mit einer Resistenzentwicklung zu rechnen. So hat gemäss einer Zürcher Studie die Resistenz von E. coli gegenüber Ciprofloxacin und Norfloxacin von 1987 bis 2000 deutlich zugenommen.(10)
Andere Chinolone sind zwar gegen die üblichen Harnwegskeime ebenfalls wirksam. Ihr Einsatz bei unkomplizierten Infekten verbietet sich jedoch, da die daraus resultierenden Resistenzen den therapeutischen Wert dieser Medikamente kompromittieren würden.
Fosfomycin (Monuril®) wird zur Einmal-Verabreichung angeboten. (15) Mit dieser Therapie wird eine Bakteriurie jedoch nur bei 75 bis 90% eradiziert. Fosfomycin verursacht eher mehr Magen-Darmbeschwerden als z.B. Norfloxacin. Die Substanz gilt bereits bei einer leichten Einschränkung der Nierenfunktion Kreatinin-Clearance unter 80 ml/min) als kontraindiziert und fällt deshalb bei älteren Frauen oft ausser Betracht.
Nieren- und Blasentees und andere Präparate auf pflanzlicher Basis werden zwar oft empfohlen, doch fehlen Studien zum Beleg ihrer Wirksamkeit. Sie veranlassen jedoch die Patientin, viel zu trinken.

Therapiedauer bei unkomplizierten Harnwegsinfekten

Bei jüngeren Frauen wird in der Regel eine Behandlungsdauer von drei bis fünf Tagen empfohlen. Längere Therapien sind mit erhöhten Kosten und mehr Nebenwirkungen verbunden.(16)
Dennoch enthalten Leitlinien oft den Rat, unkomplizierte Harnwegsinfekte bei älteren Frauen länger (während 7 bis 14 Tagen) zu behandeln. Gemäss einer systematischen Übersicht fehlen aber klinische Vergleichsstudien, die die Überlegenheit einer längeren Therapie bei älteren Frauen belegen.(17) Es ist anzunehmen, dass sonst gesunde und mobile ältere Frauen genauso gut auf eine Kurzzeittherapie ansprechen wie jüngere Frauen. Besonders auch die Tatsache, dass unerwünschte Wirkungen im Alter eher häufiger sind, spricht für eine zeitliche Beschränkung der antibiotischen Therapie.
Eine Einmaldosis-Behandlung ist bei älteren Frauen (ausser allenfalls mit Fosfomycin) nicht empfehlenswert.(17)

Rezidivprophylaxe

Bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen werden Rückfälle und Neuinfektionen unterschieden. Rückfälle treten innerhalb von 14 Tagen auf und werden – unter Umständen mit einem anderen Medikament – für 10 Tage erneut behandelt. Bei einem weiteren Rückfall sollte eine Urinkultur angelegt und eine Sonographie durchgeführt werden.(3)
Neuinfektionen treten nach mehr als 14 Tagen auf und werden wieder mit einer Kurzzeittherapie behandelt.
Bei älteren Frauen mit häufig wiederkehrenden Harnwegsinfektionen (3 oder mehr Episoden pro Jahr) empfiehlt sich zunächst eine Behandlung mit vaginalen Östrogenpräparaten (z.B. Ortho-Gynest®), da diese zu einer signifikanten Reduktion der Rückfallrate führen können.(18) Die Harnwegsproblematik rechtfertigt dagegen eine mit bedeutsamen Risiken verbundene längerfristige orale Östrogenbehandlung nicht.
Alternativ kann eine vorbeugende Langzeitbehandlung mit Antibiotika versucht werden, so zum Beispiel mit der täglichen Verabreichung von Cotrimoxazol (TMP/SMX 80/400 mg) oder Norfloxacin (200 mg) für 6 Monate. Eine Langzeitprophylaxe mit Antibiotika kann möglicherweise die Entwicklung von Resistenzen begünstigen.(19)
Von den vielen pflanzlichen Präparaten und Tees, die zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten empfohlen werden, ist die Anwendung von Cranberry-Extrakt bzw. -Saft am besten untersucht. Gemäss einer Übersichtsarbeit zur Prävention von Harnwegsinfektionen mit Cranberries konnte in 2 von 5 Studien eine Wirksamkeit gezeigt werden.(20) Die methodologische Qualität dieser Studien ist jedoch nicht genügend, um eindeutige Schlüsse zu ziehen. Zudem waren Nebenwirkungen häufig und auffallend viele Patientinnen haben vorzeitig die Studien verlassen.
In einer kleinen kontrollierten Studie konnte durch Akupunktur die Infektrate bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen gesenkt werden.(21) Grössere Studien sind jedoch nötig, bevor diese Methode empfohlen werden kann.
Das gleiche gilt für die präventive Anwendung von Methenaminhippurat sowie von Bakterienextrakten wie Uro-Vaxom®. Weitere nicht-medikamentöse Empfehlungen umfassen: Trinken von mindestens 2 Litern Flüssigkeit pro Tag, Vermeiden einer Unterkühlung, regelmässige vollständige Blasenentleerung, Reinigung vom Genital- zum Analbereich hin, Vermeidung übertriebener Genitalhygiene (Zerstörung der körpereigenen Vaginalflora), Blasenentleerung nach Geschlechtsverkehr. Die Wirksamkeit dieser Massnahmen wurde jedoch nicht in kontrollierten Studien untersucht.

Behandlung komplizierter und oberer Harnwegsinfekte

Vor der Behandlung komplizierter Harnwegsinfekte sollte eine Kultur angelegt werden. Kurzzeittherapien sind nicht indiziert.(3) Anomalien der Harnwege sollten abgeklärt und – wenn möglich – behandelt werden. Das Einsetzen von Dauerkathetern sollte wenn möglich vermieden werden.
Eine längere Therapiedauer ist auch bei Männern angezeigt. Bei einer Erstinfektion ohne komplizierende Faktoren reicht eine Behandlung von 7 bis 10 Tagen mit einem der in Tabelle 1 erwähnten Medikamente aus. Tritt innerhalb von 6 Wochen ein Rezidiv auf, ist eine chronische Prostatitis wahrscheinlich, die dann mindestens 6 Wochen lang behandelt werden muss.(19)
Bei einer Pyelonephritis sollte immer eine Urinkultur angelegt werden. Für die orale Therapie eignen sich in erster Linie die Chinolone (z.B. Ciprofloxacin, 2mal täglich 500 mg). Wenn Cotrimoxazol-empfindliche Erreger nachgewiesen werden, kann auch mit Cotrimoxazol (TMP/SMX, 2mal täglich 160/800 mg)
behandelt werden. Betalaktame (z. B. Co-amoxiclav 2mal täglich 875/125 mg) kommen ebenfalls in Frage.(3)
Patienten und Patientinnen mit schweren Symptomen (hohes Fieber, ausgeprägte Leukozytose, Erbrechen) müssen eventuell hospitalisiert und initial intravenös mit einem Chinolon, einem Aminoglykosid (mit oder ohne Aminopenicillin) oder mit einem Cephalosporin (z.B. Ceftriaxon = Rocephin®) behandelt werden.(4) Die Therapiedauer beträgt in der Regel 10-14 Tage. In einer
Doppelblindstudie war eine 7-Tage-Therapie mit Ciprofloxacin klinisch und bakteriologisch besser wirksam als eine 14-tägige Therapie mit Cotrimoxazol.(22) Bei älteren Kranken wurde eine verkürzte Therapiedauer allerdings noch nicht untersucht.

Schlussfolgerungen

Harnwegsinfekte sind bei älteren Menschen häufig. Bei Frauen und Männern, die sonst gesund sind, ist in der Regel nicht mit gefährlichen Folgen zu rechnen.
In Anbetracht der möglichen Probleme, die von einer antibiotischen Therapie ausgelöst werden können, sollen überflüssige Behandlungen – bei asymptomatischer Bakteriurie – vermieden werden. Unkomplizierte Harnwegsinfekte können bei älteren Frauen im Prinzip gleich wie bei jungen Frauen diagnostiziert und behandelt werden. Eine Urinkultur vor Therapiebeginn ist dabei meist nicht nötig. Ob bei einzelnen älteren Frauen eine längere Therapie indiziert wäre, ist zur Zeit nicht geklärt.
Zur Vorbeugung von Rückfällen können Östrogene vaginal oder allenfalls eine niedrig dosierte Langzeit- Antibiotikatherapie eingesetzt werden.
Symptomatische Harnwegsinfekte bei älteren Männern werden als kompliziert betrachtet und müssen länger behandelt werden.

Standpunkte und Meinungen

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Harnwegsinfekte im Alter (18. Juli 2003)
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pharma-kritik, 25/No. 7
PK77
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