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von "100 wichtige Medikamente" (Ausgabe 2005) |
PARACETAMOL
Nicht ganz tadelloses Schmerzmittel |
WHO,
FDA, 1949 |
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Wirkung |
Paracetamol
(in den USA: Acetaminophen) ist ein Para-Aminophenol-Derivat,
der aktive Hauptmetabolit von Phenacetin (das heute nicht mehr
verwendet wird). Seine Wirkung scheint auf einer Hemmung der
Zyklooxygenasen (COX-1 und COX-2) im Zentralnervensystem zu
beruhen, während die COX in peripheren Geweben nicht gehemmt
werden. Paracetamol hat keine klinisch relevanten entzündungs-
oder plättchenhemmenden Eigenschaften. |
Pharmakokinetik |
Substrat von CYP2E1* |
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Biologische Verfügbarkeit |
Max. Plasmaspiegel |
Halbwertszeit |
Aktive Metaboliten |
Elimination |
konstant |
80%** |
40-60 min |
2-3 h |
teilw. toxisch* |
vorw. hepatisch |
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* Neben CYP2E1 sind wahrscheinlich weitere CYP (2A6, 3A4, ev.
noch weitere) für die Bildung des
hepatotoxischen Metaboliten NAPQI verantwortlich.
** Bei rektaler Verabreichung ist die biologische Verfügbarkeit
deutlich geringer. |
Indikationen |
Unerwünschte
Wirkungen |
Paracetamol
hat eine gute schmerzlindernde und fiebersenkende
Wirkung. Es eignet sich zur Behandlung von Schmerzen
aller Art (Kopf- und Zahnschmerzen, postoperativen Schmerzen,
Schmerzen im Zusammenhang mit Erkältungskrankheiten,
posttraumatischen Schmerzen). Auch Migränekopfschmerzen
und Dysmenorrhoe können günstig beeinflusst werden.
Bei Krebskranken trägt Paracetamol allein bei leichteren
Schmerzen oder in
Kombination mit Opioiden (z.B. Codein) bei stärkeren
Schmerzen zur Analgesie bei.
Paracetamol dient in Vergleichsstudien immer wieder als Referenzsubstanz.
Es ist ungefähr gleich wirksam wie die Acetylsalicylsäure.
Dagegen erreicht es nicht immer die Wirksamkeit üblicher
Dosen moderner nichtsteroidaler Entzündungshemmer, was
zum Beispiel bei der Behandlung von Gelenkproblemen (Arthrose,
Arthritis) von Bedeutung sein kann. Wegen seiner guten Verträglichkeit
(z.B. bei Personen mit einer Ulkusanamnese) kann Paracetamol
dennoch auch bei Gelenkschmerzen empfohlen werden. Wirksamkeit
und Verträglichkeit von Paracetamol sind auch bei Kindern
gut dokumentiert. Es stellt gegenüber Acetylsalicylsäure,
die im Kindesalter besonders bei viralen Infekten kontraindiziert
ist, die bevorzugte Alternative dar. |
Paracetamol
kann selten allergische Hautreaktionen verursachen; schwere
Formen wie eine toxische epidermale Nekrolyse sind jedoch
sehr selten. Sehr selten sind auch Blutbildungsstörungen,
Methämoglobinämie und hämolytische Anämie.
Gastro-intestinale Beschwerden werden unter Paracetamol kaum
je beobachtet. Ein Zusammenhang zwischen regelmässiger
Paracetamol-Einnahme und Asthma oder Bronchospasmen kann nicht
ganz ausgeschlossen werden.
Etwa 10 bis 15% einer Paracetamol-Dosis werden zu einer toxischen
Verbindung, NAcetyl-Para-Benzchinonimin (NAPQI) metabolisiert.
NAPQI wird normalerweise an Glutathion gebunden und so inaktiviert.
Bei einer Paracetamol-Überdosierung (über 10 g bei
Erwachsenen) wird Glutathion rasch gesättigt. Es kommt
dann zu einer Leberzellnekrose und eventuell
zu einem akuten Leberversagen. Bei vorbestehender Leberschädigung
kann Paracetamol schon in niedrigeren
Dosen hepatotoxisch wirken.
Paracetamol kann, besonders in hohen Dosen, auch zu einer
akuten tubulären Nekrose oder einer
interstitiellen Nephritis führen. |
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Kontraindikationen |
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Vorsicht bei Asthma und
bei Leberkrankheiten. |
Dosierung (Erwachsene) |
Indikation |
Verabreichung |
Initialdosis |
Erhaltungsdosis* |
Dosis |
Intervall |
Dosis |
Intervall |
Schmerzen aller
Art |
oral |
500-1000 mg |
4-6 h* |
250-1000 mg |
4-6 h* |
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* Maximale Tagesdosis 4000 mg. Die chronische Einnahme insbesondere
höherer Dosen soll wegen einer möglichen Nephrotoxizität
vermieden werden. |
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Schwangere
Frauen |
In therapeutischen Dosen keine bedeutsamen
Risiken bekannt. Bei adäquater Indikation zulässig. |
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Stillende
Mütter |
In therapeutischen Dosen für
stillende Frauen erlaubt. Findet sich in geringer Konzentration
in der Muttermilch. |
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Kinder |
Oral: 10-15 mg/kg alle 4 bis 6 h.
Rektal: 15 mg/kg alle 4 bis 6 h.
Maximale Tagesdosis: 65 mg/kg.
Paracetamol soll wegen der erheblichen Intoxikationsgefahr
kindersicher aufbewahrt werden! |

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Alte
Menschen |
Keine Dosisreduktion notwendig. |
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Niereninsuffizienz |
Bei gelegentlicher Anwendung keine
Dosisanpassung notwendig; chronische Verabreichung vermeiden! |
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Leberinsuffizienz |
Bei reduzierter Leberfunktion sehr
zurückhaltend einsetzen. Hepatotoxizität
wird durch chronische Alkoholaufnahme verstärkt. |
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Hinweise |
Bei Vergiftungen muss
das Antidot Acetylcystein innerhalb von 8 bis 10 h verabreicht
werden:
Intravenöse Infusion von 150 mg/kg in 15 min,
dann 50 mg/kg in 4 h und dann noch 100 mg/kg in 16 h in 5%iger
Glukoselösung. Auch eine orale Behandlung ist möglich. |
Alternativen |
Für Erwachsene,
die nur gelegentlich ein
Schmerzmittel benötigen, ist die Acetylsalicylsäure
eine gute Alternative.
Ist auch eine entzündungshemmende Wirkung erwünscht,
so kann diese mit einem nicht-steroidalen Entzündungshemmer
wie z.B. Ibuprofen (in niedrigen Dosen rezeptfrei) erreicht
werden. |
Erhältlichkeit |
Ohne Rezept /
als Generikum erhältlich
Tabletten zu 500 mg und 1000 mg; Kautabletten zu 250 mg und
500 mg; Schmelztabletten zu 500 mg; Brausetabletten zu 500 mg
und 1000 mg, Sachets zu 150mg und 250 mg. Suppositorien im Dosisbereich
von 60 bis 1000 mg (16 verschiedene Dosierungen); Sirup zu 30
und 40 mg/ml, Tropfen zu 100 mg/ml. Infusionslösung zu
50 mg/ml (50- und 100-ml-Flaschen). (Letztere und die 1000-mg-
Formen sind rezeptpflichtig.) Ohne Rezept / als Generikum erhältlich |
Interaktionen |
Kommentar |
CYP2E1-Induktoren (Alkohol,
Isoniazid) erhöhen das hepatotoxische Risiko. Interaktionen
mit anderen CYP-Hemmern oder -Induktoren sind nicht sicher von
Bedeutung. Paracetamol wirkt selbst allgemein nicht als CYPHemmer
oder -Induktor. In Einzelfällen verstärkt es aber
(wahrscheinlich infolge eines genetischen Polymorphismus) die
Wirkung oraler Antikoagulantien. Paracetamol und Salizylate
zusammen erhöhen langfristig das nephrotoxische Risiko. |
So erfreulich die gute
Verträglichkeit dieses beliebten Schmerzmittels in therapeutischen
Dosen, so beunruhigend ist die lebensgefährliche Lebertoxizität
von Überdosen, die problemlos ohne Rezept beschafft werden
können. Es bleibt nur zu hoffen, dass uns die heute vorherrschende
Tendenz zu höheren Paracetamol Dosen (z.B. bei Gelenkproblemen)
in den kommenden Jahren nicht vermehrt Leber- oder Nierenkomplikationen
beschert. |