Omeprazol
- Autor(en): Balz Widmer
- pharma-kritik-Jahrgang 11
, Nummer 02, PK676
Redaktionsschluss: 28. Januar 1989 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Omeprazol (Antra®) wird zur Behandlung der Refluxösophagitis, von Magen- und Duodenalulzera sowie des Zollinger-Ellison-Syndroms empfohlen.
Chemie/Pharmakologie
Omeprazol, eine schwache Base, ist ein substituiertes Benzimidazol. Das Medikament gelangt über die Blutbahn in die Belegzellen des Magens und bindet sich dort in seiner aktiven Form - dem Omeprazol-Sulfenamid - an ein Enzym, das praktisch nur in diesen Zellen vorkommt. Dieses Enzym, die H+/K+-ATPase, ist dafür verantwortlich, dass Protonen (H+) im Austausch gegen Kaliumionen (K+) ins Magenlumen gepumpt werden («Protonenpumpe»). Die Bindung von Omeprazol-Sulfenamid an die H+/K+-ATPase bewirkt, dass keine Säure mehr produziert wird.(1) Die säurehemmende Wirkung von Omeprazol ist unabhängig von den Rezeptoren für Gastrin, Histamin und Acetylcholin.
Die Wirkung einer Omeprazol-Einzeldosis von 20 mg dauert (unabhängig von der relativ kurzen Plasmahalbwertszeit) mindestens 24 Stunden an. Die lange Wirkungsdauer beruht möglicherweise darauf, dass die H+/K+-ATPase irreversibel gebunden wird und eine Säureproduktion erst nach Neusynthese des Enzyms wieder in Gang kommt. In einer Studie wurden wiederholt während eines ganzen Tages stündliche pH-Messungen im Magensaft vorgenommen. Nach 7 Tagen Behandlung mit Omeprazol (30 mg/Tag) fand sich eine Abnahme des 24-Stunden-Säuregehaltes von 97% gegenüber dem Ausgangswert; eine Woche nach einer zweiwöchigen Behandlung mit der gleichen Dosis war der Säurewert immer noch um 26% reduziert.(2) Omeprazol hemmt sowohl die basale als auch die durch Nahrungsaufnahme oder durch Insulin, Pentagastrin oder Pepton stimulierte Säuresekretion. Das Magensaftvolumen wird leicht vermindert, die Pepsinsekretion möglicherweise etwas reduziert, die Magenentleerungsrate bleibt aber unverändert. Unter Omeprazol steigen die basalen und postprandialen Plasmagastrinspiegel stark an; eine längerdauernde Behandlung mit höheren Omeprazoldosen führt zu Gastrinspiegeln, die das Drei- bis Vierfache der Norm betragen und somit deutlich stärker erhöht sind als unter einer Behandlung mit H2-Blockern (siehe auch unten).(3)
Pharmakokinetik
Omeprazol wird in magensaftresistenten Kapseln angeboten, da die Substanz in sauren wässerigen Lösungen instabil ist. Die Resorption im Dünndarm erfolgt individuell verschieden rasch; zum Teil werden erst 5 Stunden nach der Verabreichung maximale Plasmaspiegel erreicht. Die biologische Verfügbarkeit einer Einzeldosis beträgt etwa 35%, da ein Grossteil der Dosis bei der ersten Leberpassage metabolisiert wird. Bei wiederholter Verabreichung steigt die Verfügbarkeit innerhalb einiger Tage auf etwa 60%, möglicherweise infolge Sättigung eines hepatischen Enzyms. Die Plasmahalbwertszeit beträgt knapp 1 Stunde. Da die säurehemmende Wirkung viel länger andauert (siehe oben), kann sie mit der Plasmakonzentration nicht in Zusammenhang gebracht werden. Omeprazol wird durch die Leber eliminiert; die bisher identifizierten Metaboliten sind pharmakologisch inaktiv. Etwa 20% der Metaboliten finden sich im Stuhl, 80% im Urin. Nach Angaben der Herstellerfirma ist weder bei Nieren- noch bei Leberinsuffizienz eine Dosisanpassung notwendig.
Klinische Studien
Die Wirksamkeit von Omeprazol ist in Vergleichsstudien mit Placebo und den H2-Blockern Cimetidin (Tagamet®) und Ranitidin (Zantic®) dokumentiert worden. Die bisher veröffentlichten Studien, die meistens eine Dauer von vier bis acht Wochen hatten, umfassen etwa 3000 Patienten. In einer Doppelblindstudie mit endoskopischer Kontrolle wurden 162 Patienten mit Refluxösophagitis während 4 bis 12 Wochen entweder mit Omeprazol (40 mg/Tag) oder mit Ranitidin (2mal 150 mg/Tag) behandelt. Bei Patienten, die subjektiv und objektiv symptomfrei waren, wurde die Medikation nach 4 oder 8 Wochen beendet. Omeprazol war signifikant rascher und besser wirksam: So erreichten 32 von 46 Patienten mit einer erosiv-ulzerösen Ösophagitis unter Omeprazol schon innerhalb von 4 Wochen die Symptomfreiheit, während sich nur bei 11 von 42 Patienten der entsprechenden Ranitidingruppe eine gleichwertige Besserung ergab. Auch die kumulative Heilungsrate nach 12 Wochen war unter Omeprazol höher (95%) als unter Ranitidin (70%).(4)
Eine weitere Studie, in der 178 Patienten mit einer Refluxösophagitis ebenfalls Omeprazol (40 mg/Tag) oder Ranitidin (2mal 150 mg/Tag) erhielten, wurde bei den meisten Probanden nach 3 Wochen beendet. Dabei ergab sich für Omeprazol-behandelte Patienten zwar eine bessere Heilungstendenz, in bezug auf die Symptomfreiheit fand sich aber kein signifikanter Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen.(5) Mit einer Tagesdosis von 60 mg Omeprazol wurde dagegen in einer anderen Studie innerhalb von 4 bis 8 Wochen eine Besserung erreicht, die derjenigen unter Ranitidin (2mal 150 mg/Tag) signifikant überlegen war.(6) Studien, die zeigen, dass auch eine kleinere Tagesdosis (20 mg Omeprazol) wirksamer als Ranitidin sein kann,sind bisher erst in Kurzform veröffentlicht.(7,8)
Unter der Wirkung von Omeprazol in Tagesdosen von 20 mg (oder mehr) heilen Duodenalulzera rascher ab als unter H2-Blockern. Dies ist in zahlreichen Doppelblindstudien nachgewiesen. So erhielten z.B. 334 Patienten mit endoskopisch nachgewiesenem Ulcus duodeni täglich 20 mg Omeprazol oder 2mal 150 mg Ranitidin. Nach 2 Wochen waren die Ulzera in der Omeprazolgruppe bei 72%, in derRanitidingruppe aber erst bei 59% abgeheilt. Nach 4 Wochen Behandlung fand sich mit Heilungsraten von 96% bzw. 92% kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen mehr.(9) In einer anderen Studie waren Patienten unter 20 mg Omeprazol täglich schon nach 2 Tagen, unter Ranitidin (2mal 150 mg/Tag) erst nach 7 Tagen beschwerdefrei.(10) Auch im Vergleich mit Cimetidin (800 bis 1000mg/Tag) erbrachte Omeprazol subjektiv und objektiv eine raschere Heilung von Duodenalulzera. (11,12)
Während eine frühe Studie bei Magenulzera keinen Unterschied zwischen Omeprazol (20 mg/Tag) und Ranitidin (2mal l50 mg/Tag) zeigen konnte,(13) hat sich in einer neuen, 602 Patienten umfassenden Studie eine raschere Wirkung von Omeprazol nachweisen lassen. Eine Ulkusheilung konnte nach 4 Wochen Behandlung mit täglich 40 mg Omeprazol bei 80%, mit täglich 20 mg Omeprazol bei 69% und mit Ranitidin (2mal l50 mg/Tag bei 59% der Patienten festgestellt werden. Nach 8 Wochen war der Unterschied zwischen der Gruppe mit der kleineren Omeprazoldosis (20 mg/Tag) und der Ranitidingruppe nicht mehr signifikant.(14)
Achtzig Patienten mit Zollinger-Ellison-Syndrom, bei denen H2-Blocker ungenügend wirkten, konnten mit Omeprazol (meistens 60 bis 70 mg/Tag) erfolgreich behandelt werden. Das Medikament wurde zum Teil während mehreren Jahren verabreicht und wird als geeignete Alternative zu einer totalen Gastrektornie bezeichnet.(15) Noch in einer anderen Studie ist Omeprazol während längerer Zeit verabreicht worden: 83 Patienten mit ulzeröser Ösophagitis oder Magen- oder Duodenalulkus, die erfolglos mit hohen Ranitidin-Dosen behandelt worden waren, erhielten täglich 40 mg Omeprazol als Dauermedikation (bisher wurden 59 Patienten während 1 bis 4 Jahren so behandelt). Die meisten Patienten erreichten eine bleibende, endoskopisch dokumentierte Heilung.(3)
Nur in wenigen Studien sind die Patienten nach dem Absetzen von Omeprazol konsequent weiter beobachtet worden. Nach den vorhandenen Daten sind Rezidive nach Omeprazolbehandlung kaum seltener oder häufiger als nach anderen Therapien. (10,12,14) Etwa die Hälfte der Ulkus-Patienten erleiden innerhalb von 6 Monaten ein Rezidiv; bei Refluxösophagitis ist die Rezidivquote höher.
Unerwünschte Wirkungen
Nach den bisherigen, weitgehend auf eine kurzfristige Verabreichung beschränkten Erfahrungen verursacht Omeprazol ähnlich selten unerwünschte Wirkungen wie z.B.Ranitidin. In einzelnen Fällen sind Durchfall, Brechreiz, kolikartige Bauchschmerzen, Asthenie, Schwindel, Kopfschmerzen oder Exantheme sowie ein vorübergehender Anstieg der Alanin-Aminotransferase (SGPT) beobachtet worden. Omeprazol hemmt wahrscheinlich die hepatischen Cytochrom-P-450-Monoxygenasen. Die klinische Bedeutung des damit verbundenen Interaktionspotentials ist noch nicht klar definiert; die Halbwertszeit von gleichzeitig verabreichtem Diazepam (Valium ® ) wird stark verlängert.(16) Omeprazol kann aber - langfristig und in hohen Dosen verabreicht - bei Ratten zu karzinoiden Magentumoren führen. Diese sind offenbar durch die von Omeprazol ausgelöste Hypergastrinämie verursacht. Auch bei anderen Tierarten können unter Omeprazol-Dauermedikation Hyperplasien der argyrophilen Zellen im Bereich der säurebildenden Magenschleimhaut entstehen. Beim Menschen ist bisher unter hohen, langfristig verabreichten Omeprazoldosen lediglich eine nicht-signifikante Zunahme der Volumendichte dieser Zellen beobachtet worden; diese Feststellung bezieht sich aber auf eine kleine Patientenzahl (n = 36).(17)
Dosierung, Verabreichung und Kosten
Omeprazol (Antra®) ist als magensaftresistente Kapseln zu 20 mg und als Trockenampullen zu 40 mg (mit 10 ml Lösungsmittel, zur langsamen intravenösen Injektion, innerhalb von mindestens zweieinhalb Minuten) erhältlich. Die Kapseln sind vom 15. März 1989 an kassenzulässig. Die Herstellerfirma empfiehlt, peptische Ulzera oder eine Refluxösophagitis mit 1 Kapsel täglich (vor dem Frühstück) zu behandeln; Patienten, bei denen eine andere Therapie erfolglos geblieben ist, sollen die doppelte Dosis erhalten.-Ausser bei Zollinger-Ellison-Syndrom wird eine chronische Verabreichung «nicht empfohlen». Dreissig Kapseln Antra® kosten gleich viel wie sechzig 150 mg-Tabletten Zantic®, nämlich Fr. 168.10.
Kommentar
Omeprazol, das sich durch ein völlig neuartiges Wirkungsprinzip («Protonenpumpenhemmung») auszeichnet, ist bei Ösophagitis und peptischen Ulzera rascher wirksam als die H2-Blocker und vermag offensichtlich auch in einzelnen sonst therapierefraktären Fällen eine "Heilung"
Literatur
- 1) K.F. Sewing: Internist 24: 680, 1983
- 2) R.E. Pounder et al.: in K.O. Borg et al. (Herausgeber), The First International Symposium on Omeprazole, p. 108, AB Hässle/Astra Mölndal, 1986
- 3) G. Brunner et al.: Digestion 39: 80, 1988
- 4) T. Havelund et al.: Br. Med. J. 296: 89,1988
- 5) H.G. Dammann et al.: Dtsch. Med. Wschr. 111: 123, 1986
- 6) EC. Klinkenberg-Knol et al.: Lancet 1: 349, 1987
- 7) L. Lundell et al.: Gut 28: A1315 (Abstract), 1987
- 8) P. Zeitoun et al.: Lancet 2: 621, 1987
- 9) M. Classen et al.: Dtsch. Med. Wschr. 110: 210, 1985
- 10) K.D. Bardhan et al.: J. Clin. Gastroenterol. 8: 408, 1986
- 11) M.A. Bigard et al.: Gastroenterol. Clin. Biol. 11: 753, 1987
- 12) K. Lauritsen et al.: N. Engl. J. Med. 312: 958, 1985
- 13) M. Classen et al.: Dtsch. Med. Wschr. 110: 628, 1985
- 14) A. Walan et al.: N. Engl. J. Med. 320: 69, 1989
- 15) K.A. Lloyd-Davies et al.: Aliment. Pharmacol. Ther. 2: 13,1988
- 16) R. Gugler und J.C. Jensen: Lancet 1: 969,1984
- 17) R. Lamberts et al.: Digestion 39: 126,1988
Standpunkte und Meinungen
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