Ampicillin/Sulbactam
- pharma-kritik-Jahrgang 11
, Nummer 03, PK606
Redaktionsschluss: 14. Februar 1989 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Ampicillin/Sulbactam (Unacid®) wird als Breitspektrum- Antibiotikum empfohlen. Es kann parenteral und in der Form von Sultamicillin auch oral verabreicht werden.
Chemie/Pharmakologie
Die bakterizide Wirkung von Ampicillin, einem Aminopenicillin, beruht wie bei anderen Betalaktam-Antibiotika auf einer Bindung an Membranproteine, die für die Zellwandsynthese zuständig sind.
Sulbactam ist ein semisynthetisches Sulfon-Derivat des Penicillin-Grundgerüstes. Wie Clavulansäure hemmt es bakterielle Betalaktamasen durch irreversible Inaktivierung des Enzymes.
Sultamicillin entspricht dem Doppelester von Ampicillin und Sulbactam. Bei der Resorption wird Sultamicillin hydrolysiert. Dabei wird Ampicillin und Sulbactam in äquimolaren Mengen freigesetzt.
Antibakterielles Wirkspektrum
Sulbactam allein hat keine klinisch relevante antibiotische Aktivität, erweitert aber das Spektrum von Ampicillin auf Betalaktamase-produzierende Keime.
Zuverlässig wirksam ist Ampicillin/Sulbactam gegen Betalaktamase- produzierende Staphylokokken, Neisserien, Haemophilus influenzae, Branhamella catarrhalis, viele Anaerobier (auch Bacteroides fragilis), Proteus sp. und Acinetobacter calcoaceticus.
Nicht immer aktiv ist die Kombination gegen Betalaktamase produzierende E.coli, Klebsiellen, Citrobacter sp., Enterobacter aerogenes sowie gegen methicillin-resistente Staphylokokken.
Nicht oder kaum gehemmt werden Pseudomonas und Serratia. (1)
Vergleicht man die Wirksamkeit in vitro von Ampicillin/ Sulbactam mit derjenigen von Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentin®), so sind nur geringe Unterschiede feststellbar.(2)
Pharmakokinetik
Ampicillin und Sulbactam haben eine fast identische Pharmakokinetik. Bei oraler Verabreichung ist Ampicillin allein durchschnittlich nur zu 62% biologisch verfügbar; die Resorption wird zudem von der Nahrungsaufnahme beeinflusst. Wird das Medikament in der Form von Sultamicillin verabreicht, so sind sowohl Ampicillin als auch Sulbactam zu 80% biologisch verfügbar.
Therapeutisch wirksame Konzentrationen von Ampicillin/ Sulbactam werden in Eiter, Hautblasen- und Peritonealflüssigkeit, Prostata und Gallenblasenwand erreicht.(3) Die Penetration in den Liquor cerebro-spinalis ist, ähnlich wie bei Penicillin, abhängig vom Entzündungsgrad der Meningen.
Die mittlere Plasma-Halbwertszeit von Sulbactam beträgt eine Stunde und entspricht damit derjenigen von Ampicillin. Neben der glomerulären Filtration spielt die tubuläre Sekretion die Hauptrolle bei der Ausscheidung von Sulbactam und Ampicillin. Es erfolgt keine aktive Sekretion in die Galle. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Plasmakonzentration von Ampicillin/ Sulbactam erhöht, wobei das Verhältnis von Sulbactam zu Ampicillin erhalten bleibt. Probenecid hemmt die Ausscheidung von Sulbactam wie auch von Ampicillin und verlängert so die Eliminationshalbwertszeit um etwa 40%.
Klinische Studien
Die meisten bisher vorliegenden Studien mit Ampicillin/ Sulbactam (bzw. Sultamicillin) umfassen jeweils eine kleine Patientenzahl und erlauben deshalb nur beschränkt Schlüsse auf den relativen Wert der neuen Kombination.
In einer Studie wurde Ampicillin/Sulbactam (4mal täglich 2 g Ampicillin plus 1 g Sulbactam i.v.) mit Gentamicin (Garamycin®) (3mal täglich 1,5 mg/kg i.v.) plus Clindamycin (Dalacin®) (4mal täglich 600 mg i.v.) während mindestens 5 Tagen bei Patienten mit intraabdominalen Infekten verglichen. Von den 46 Patienten der Ampicillin/Sulbactam- Gruppe wurden 40 geheilt oder gebessert; in der Gentamicin/Clindamycin-Gruppe waren es 36 von 37.(4)
In einer deutschen Multizenterstudie wurden 75 Frauen mit Salpingitis, Endometritis oder anderen Infekten im Bereich des kleinen Beckens entweder mit Ampicillin/Sulbactam (3mal täglich 2 g Ampicillin plus 1 g Sulbactam i.v.) oder mit Cefoxitin (Mefoxitin®, 3mal täglich 2 g i.v.) behandelt. Ampicillin/Sulbactam zeigte eine höhere bakteriologische Heilungsrate als Cefoxitin: klinisch wurde mit beiden Medikamenten eine Heilungsrate von über 80% erreicht.(5)
Auch bei Kindern mit bakterieller Meningitis erwies sich Ampicillin/Sulbactam als wirksam. Die Behandlung ergab mindestens so gute Resultate wie die Kombination von Ampicillin mit Chloramphenicol.(6) Weitere Studien zeigen die Wirksamkeit von Ampicillin/Sulbactam bei Infektionen der Haut, der Weichteile, Knochen, Gelenke, des Urogenitaltraktes sowie bei Gonorrhoe.
Die neue Kombination ist ausserdem in kleinen Studien in der perioperativen Prophylaxe mit Cefoxitin oder Metronidazol- Kombinationen verglichen worden und scheint diesen Therapien ebenbürtig zu sein.
Sultamicillin ist verhältnismässig wenig dokumentiert. In einer Doppelblind-Studie wurde es in Tagesdosen zwischen 250 und 750 mg bei Kindern mit Streptokokken-Pharyngitits gegen Penicillin V (Phenoxymethyl-Penicillin) geprüft; es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen.(7)
Sultamicillin hat sich auch als wirksam erwiesen bei Otitis media, Impetigo, Exazerbationen einer chronischen Bronchitis und bei Harnwegsinfekten. Gemäss einer offenen Studie genügt eine Einmaldosis von 2,25 g Sultamicillin plus 1 g Probenecid zur Behandlung einer Gonorrhoe (ausser bei Gonokokken-Pharyngitis).(8)
Klinische Vergleiche zwischen Ampicillin/Sulbactam (bzw. Sultamicillin) und Amoxicillin/Clavulansäure sind bisher offenbar kaum durchgeführt worden.
Unerwünschte Wirkungen
Gemäss amerikanischen Firmenangaben kann Ampicillin/ Sulbactam bei intramuskulärer Verabreichung in 16% Schmerzen am Injektionsort verursachen. Am Ort der intravenösen Injektion wurden in 3% Schmerzen und ebenfalls in 3% Phlebitiden beobachtet. Bei 3% der Patienten trat Durchfall auf. Ampicillin gilt als das Antibiotikum, welches am häufigsten ein Exanthem verursacht; diese Nebenwirkung soll bisher bei weniger als 2% der mit Ampicillin/Sulbactam behandelten Patienten aufgetreten sein. Bei 8% der Patienten wird ferner eine vorübergehende Erhöhung der Leberenzyme festgestellt. Andere unerwünschte Wirkungen (Brechreiz/Erbrechen, Soor, hämatologische Reaktionen) sind selten.
Sultamicillin verursacht sehr oft Durchfall. In einer Studie trat dieses Problem bei 14 von 18 Kindern auf;9 aber auch in Studien bei Erwachsenen ergab sich eine Durchfall-Inzidenz von mehr als 10%.
Eine gesicherte Penicillin-Allergie gilt als Kontraindikation für Aminopenicilline.
Dosierung, Verabreichung und Kosten
Die Unacid®-Injektionslösung enthält 2 Teile Ampicillin auf 1 Teil Sulbactam; sie ist in Ampullen zu 750 mg, 1,5 g, und 3 g erhältlich. Erwachsene sollen 3- oder 4mal täglich 1 bis 3 g intravenös oder intramuskulär erhalten. Für Kinder wird eine Tagesdosis von 150 mg/kg empfohlen. Eine parenterale Behandlung mit Unacid® (3mal 3 g/Tag) kostet täglich Fr. 74.15, während eine Behandlung mit Cefoxitin (3mal 2 g/Tag) über Fr. 120.- kostet.
Unacid®-Tabletten sind kassenzulässig. Sie enthalten 375 mg Sultamicillin. Die Herstellerfirma empfiehlt 2mal täglich 1 Tablette als Standarddosierung (Kinder: 50 mg/kg/Tag); bei schweren Infektionen kann diese Dosis verdoppelt werden. Eine Tablette Unacid® kostet Fr. 2.75 (gleich viel wie eine Tablette Augmentin® zu 375 mg). Patienten, die keinen Betalaktamase-Hemmer benötigen, können mit Penicillin V oder Ampicillin allein deutlich billiger behandelt werden.
Bei Niereninsuffizienz soll die Unacid®-Dosis wie bei Ampicillin reduziert werden.
Kommentar
Wie Amoxicillin/Clavulansäure hat Ampicillin/Sulbactam ein breites antibiotisches Wirkspektrum. Deshalb ist die Kombination grundsätzlich für Mischinfektionen, z.B. in der Gynäkologie oder Urologie, geeignet. Da nur wenig Vergleichsstudien vorliegen, lässt sich der relative Wert von Ampicillin/ Sulbactam noch nicht festlegen. Ob es sich bei schweren Infekten als Alternative z.B. zur Kombination Aminoglykosid plus Clindamycin eignet, ist zweifelhaft. Andererseits fehlen auch direkte Vergleichsstudien mit Amoxicillin/Clavulansäure.
Sultamicillin, die orale Form der neuen Kombination, ist sehr spärlich dokumentiert und bisher in den USA nicht zugelassen. Die vom Hersteller empfohlene niedrige Tagesdosis (2mal 375 mg/Tag) kann sich nicht auf publizierte Studien stützen. Sultamicillin scheint ungewöhnlich häufig Durchfälle zu verursachen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Nachweis eines akzeptablen Nutzen/Risiko-Verhältnisses für das orale Präparat noch aussteht.
Literatur
- 1) R. Auckenthaler et al.: Curr. Ther. Res. l40: No6, 1986
- 2) W. Klietmann: Z. Antimicrob. Antineopl. Chemother. 5: 3, 1987
- 3) M. Deborah: Drugs 33: 589, 1987
- 4) L. Kager et al.: Rev. Inf. Dis. 8: Suppl.5, 583, 1986
- 5) H.H. Senft: Drugs 31: Suppl.2, 18, 1986
- 6) W.J. Rodriguez et al.: Rev. Inf. Dis. 8: Suppl.5, 620, 1986
- 7) S.C. Aronoff et al.: J. Antimicrob. Chemother. 14: 261, 1984
- 8) C. Farthing et al.: Genitourinary Med. 61: 44, 1985
- 9) T. Pressler et al.: J. Antimicrob. Chemother. 17: 529, 1986
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