Fidaxomicin
- Autor(en): Urspeter Masche
- pharma-kritik-Jahrgang 36
, Nummer 12, PK954
Redaktionsschluss: 16. März 2015
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2014.954 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Fidaxomicin (Dificlir®) ist ein neues orales Antibiotikum für die Behandlung der Clostridium-difficile-Kolitis.
Chemie/Pharmakologie
Fidaxomicin, das schon vor 40 Jahren erstmalig synthetisiert wurde, ist der erste Vertreter aus der Gruppe der Makrozykline. Es wird über eine Fermentation aus einem zu den Aktinomyzeten gehörenden Bakterium gewonnen (Dactylosporangium aurantiacum ssp. hamdenensis). Die bakterizide Wirkung von Fidaxomicin beruht darauf, dass es die RNS-Polymerase blockiert, was eine Hemmung der DNS-Transkription und der Proteinsynthese bedeutet. Das antimikrobielle Spektrum von Fidaxomicin beschränkt sich auf grampositive Keime; die stärkste Wirkung entfaltet es gegenüber Clostridium difficile und anderen Clostridien.
Clostridium difficile ist ein grampositives, anaërobes, sporenbildendes Stäbchenbakterium, das zwei Toxine (A und B) produziert. Es kann auf fäkal-oralem Weg den Darmtrakt besiedeln – was sich in Spitälern bei bis zu 20% der Patienten und Patientinnen ereignet – und mit einer asymptomatischen Kolonisation einhergehen. Vor allem wenn infolge einer Antibiotikatherapie der Schutz durch die normale Darmflora gestört wird, kann Clostridium difficile zu einem manifesten Infekt führen, der sich mit heftigen, manchmal blutigen Durchfällen und Bauchschmerzen äussert und verschiedene intestinale Komplikationen (pseudomembranöse Kolitis, Perforation, toxisches Megakolon) verursachen kann. Bisher hat man Clostdrium-difficile-Infektionen – sofern eine antibiotische Therapie als erforderlich betrachtet wird – in leichteren Fällen mit Metronidazol (Flagyl® u.a.) und in schwereren mit Vancomycin (Vancocin®) behandelt (siehe Tabelle 1, Seite 46). Rückfälle sind allerdings auch nach antibiotischer Therapie häufig (in 15 bis 30% der Fälle).(1,2)
Pharmakokinetik
Fidaxomicin wird im Magen-Darm-Trakt praktisch nicht resorbiert und wirkt lokal im Darm. Maximal 3% der eingenommenen Menge gelangen in den systemischen Kreislauf.
Aus Fidaxomicin entsteht durch hydrolytische Abspaltung einer Isobutyryl-Gruppe der als OP-1118 bezeichnete Hauptmetabolit, der eine ähnliche antibakterielle Wirkung besitzt wie die Muttersubstanz. Diese Hydrolyse – an der keine Zytochrome beteiligt zu sein scheinen – findet beim nicht-resorbierten Fidaxomicin im Darm, beim resorbierten auch an anderen Orten statt. Im systemischen Kreislauf werden sowohl Fidaxomicin wie OP-1118 mit einer Halbwertszeit von 8 bis 10 Stunden eliminiert, wobei die Ausscheidung über die Galle erfolgt. Bei Lebererkrankungen können die Plasmaspiegel von Fidaxomicin und OP-1118 auf das 2- bis 3-fache ansteigen.(1,3)
Klinische Studien
In einer kleinen Dosisfindungsstudie mit 45 Individuen wurden drei verschiedene Fidaxomicin-Dosen (2-mal 50, 100 und 200 mg/Tag) geprüft. Die höchste Dosis trug am besten zur Symptomlinderung und Infektheilung bei.(4)
Als ausschlaggebende klinische Studien fungieren zwei grosse, nach demselben Protokoll durchgeführte Doppelblind-Vergleiche. Sie befassten sich mit Personen im Alter von über 16 Jahren, bei denen eine als nicht-lebensbedrohlich eingestufte Clostridium-difficile-Infektion vorlag. Bedingung für eine Teilnahme war ein positiver Toxinnachweis im Stuhl. Auch durfte in den drei Monaten, die dem Studienbeginn vorangegangen waren, höchstens ein zweiter Clostridium-difficile-Infekt aufgetreten sein. Die Behandlung bestand aus einer 10-tägigen oralen Verabreichung von Fidaxomicin (2-mal 200 mg/Tag) oder Vancomycin (4-mal 125 mg/Tag). Die Abheilung des Infekts war dadurch definiert, dass der Durchfall verschwunden war und dass nach ärztlicher Einschätzung keine Therapie mehr nötig war. Dies entsprach dem primären Endpunkt. Die Rückfallrate – ein erneuter Infekt innerhalb von 4 Wochen nach Abschluss der antibiotischen Therapie – war ein sekundärer Endpunkt.
In der ersten Studie (n=596) wurde mit Fidaxomicin bei 88% der Patienten und Patientinnen und mit Vancomycin bei 86% eine Abheilung des Infekts erzielt; die Rückfallrate betrug nach Fidaxomicin 15% und nach Vacomycin 25%.(5)
In der zweiten Studie (n=509) erreichte die Heilungsrate 88% unter Fidaxomcin und 87% unter Vancomycin; von einem Rückfall waren bei Fidaxomicin 13% und bei Vancomycin 27% der Behandelten betroffen.(6) Verglichen mit Vancomycin erfüllte Fidaxomicin damit in beiden Studien das zu Anbeginn festgelegte «Non-inferiority»-Kriterium.
Unerwünschte Wirkungen
Als Nebenwirkungen von Fidaxomicin wurden Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Flatulenz, Bauch- und Kopfschmerzen, Leberenzymerhöhungen, Anorexie und Hautausschläge notiert – Symptome, die man zum Teil auch der Grundkrankheit zuschreiben kann.
Zudem zählte man unter Fidaxomicin mehr Einzelfälle von Neutropenien und gastrointestinalen Blutungen als unter Vancomycin, wobei ein kausaler Zusammenhang aber nicht gesichert ist.(7)
Interaktionen
Fidaxomicin ist ein Substrat des P-Glykoproteins. Hemmer dieses Transportproteins können die Plasmakonzentrationen von Fidaxomicin und OP-1118 erhöhen, wie es etwa in Kombination mit Ciclosporin (Sandimmun®) nachgewiesen wurde. Fidaxomicin selbst besitzt ebenfalls eine gewisse hemmende Wirkung auf das P-Glykoprotein, was zum Beispiel einen leichten Anstieg des Digoxin-Spiegels bewirken kann. Ob diese Interaktionen klinisch Bedeutung erlangen können, ist nicht klar.
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Fidaxomicin (Dificlir®) wird als Tabletten zu 200 mg angeboten. Es ist zugelassen zur Behandlung einer durch Clostridium difficile verursachten Diarrhoe. Die übliche Dosis beträgt zweimal 200 mg pro Tag, die empfohlene Therapiedauer 10 Tage. Die Behandlung einer durch Komplikationen erschwerten Clostridium-difficile-Infektion (z.B. mit einer pseudomembranösen Kolitis) ist nur lückenhaft dokumentiert.
Bei verminderter Leberfunktion soll Fidaxomicin mit Vorsicht eingesetzt werden. Von einer Kombination mit starken P-Glykoprotein-Hemmern wie zum Beispiel Azol-Antimykotika, Clarithromycin (Klacid® u.a.), Amiodaron (Cordarone® u.a.) oder Ciclosporin sollte man laut Fachinformation absehen. Die Anwendung bei Kindern sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit ist nicht untersucht.
Eine 10-tägige Behandlung mit Fidaxomicin kostet 2186.50 Franken; mit Vancomycin (4-mal 125 mg/Tag) kommt man auf 344.40 und mit Metronidazol (3-mal 500 mg/Tag) auf weniger als 30 Franken. Fidaxomicin wird von den Krankenkassen nur vergütet, wenn Metronidazol und Vancomycin nicht genügend wirken oder wenn sich mehrere Rezidive ereignet haben.
Kommentar
Nimmt man epidemiologische Daten zur Kenntnis, treten Clostridium-difficile-Infektionen mit zunehmender Häufigkeit auf, und zwar nicht nur im Spital, sondern auch im ambulanten Bereich. Dass ein Teil des Problems durch grosszügiges Verschreiben von Breitbandantibiotika und Magensäure-hemmenden Medikamenten als «hausgemacht» zu betrachten ist, mag als Randbemerkung dienen. Somit ist es grundsätzlich zu begrüssen, dass mit Fidaxomicin ein neues Antibiotikum zur Verfügung steht, das von der Wirksamkeit und Verträglichkeit her mit Vancomycin konkurrieren zu können scheint.
Am störendsten bei Fidaxomicin ist sicher der masslose Preis. Immerhin unterstützt er es vielleicht, dass Fidaxomicin restriktiv eingesetzt wird, wie es die Richtlinien vorsehen,(8) das heisst nur bei schweren oder rezidivierenden Clostridium-difficile-Infektionen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Fidaxomicin bei wiederkehrenden Infekten bisher nicht speziell getestet worden ist.
Literatur
- 1) Lancaster JW, Matthews SJ. Clin Ther 2012; 34: 1-13
- 2) Sears P et al. Ann N Y Acad Sci 2013; 1291: 33-41
- 3) Dokument der «European Medicines Agency»: http://goo.gl/wr4kVL
- 4) Louie T et al. Antimicrob Agents Chemother 2009; 53: 223-8
- 5) Louie TJ et al. N Engl J Med 2011; 364: 422-31
- 6) Cornely OA et al. Lancet Infect Dis 2012; 12: 281-9
- 7) Weiss K et al. Clin Infect Dis 2012; 55 Suppl 2: S110-5
- 8) Dokument von «Public Health England»: http://goo.gl/7QjUql
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