Vitamin-Supplemente in der Schwangerschaft
- Autor(en): Natalie Marty
- pharma-kritik-Jahrgang 39
, PK1041, Online-Artikel
Redaktionsschluss: 26. April 2018
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2017.1041
Für schwangere Frauen werden zahlreiche Präparate mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen angeboten. Viele Studien zu den Vitaminsupplementen in der Schwangerschaft sind jedoch in Ländern mit einem niedrigen Durchschnittseinkommen durchgeführt worden, wo eine unausgewogene Ernährung wahrscheinlicher ist als z.B. in der Schweiz. Hier folgt eine Zusammenfassung eines vielbeachteten Textes aus dem «Drug and Therapeutics Bulletin», in dem die vorhandene Evidenz für die aktuell in Grossbritannien geltenden Empfehlungen besprochen werden (1).
Folsäure
Die Senkung der Inzidenz von Neuralrohrdefekten durch die Einnahme von Folsäure ist gut belegt. In Grossbritannien wird ab dem Zeitpunkt, zu dem eine Frau schwanger werden möchte oder könnte, bis zur 12. Schwangerschaftswoche die tägliche Einnahme von 400 mcg Folsäure empfohlen. Bei Frauen mit erhöhtem Risiko werden höhere Dosierungen verwendet.
Vitamin D
Gemäss britischen Zahlen aus dem Jahr 2007 hat etwa jede dritte Frau im Alter zwischen 19 und 24 Jahren einen Vitamin-D-Mangel. Vitamin-D-Mangel beim Kind kann Knochenbildung, Skelettwachstum, Zahnschmelzbildung und Kalziumresorption negativ beeinflussen. Eine mögliche positive Assoziation zwischen mütterlichen 25(OH)D-Werten und der Knochengesundheit beim Kind wurde beschrieben, die Studienverantwortlichen weisen jedoch darauf hin, dass die physiologische Bedeutung dieser Beobachtung noch nicht bekannt sei. Zu Osteomalazie und Rachitis gibt es keine neueren randomisierten Studien. In einer kontrollierten Studie fanden sich keine Unterschiede im Knochenmineralgehalt der Kinder in Abhängigkeit davon, ob die Mutter Vitamin D eingenommen hatte oder nicht. Immerhin hatten Neugeborene, die im Winter zur Welt kamen, einen höheren Mineralgehalt des Skeletts, wenn ihre Mütter Vitamin D erhalten hatten (2). Resultate anderer Studien weisen darauf hin, dass niedrige mütterliche Vitamin-D-Spiegel auch mit Komplikationen wie z.B. Präeklampsie oder Schwangerschaftsdiabetes korreliert sein könnten, die Ergebnisse sind jedoch wenig konsistent. Insgesamt gibt es wenig klare Evidenz aus randomisierten Studien für positive Auswirkungen von Vitamin-D-Supplementen auf klinisch relevante Resultate. In Grossbritannien wird den Frauen empfohlen, während der ganzen Schwangerschaft und Stillzeit täglich 10 mcg Vitamin D (und in bestimmten Risikosituationen höhere Dosen) einzunehmen.
Weitere Supplemente
Vitamin C
Eine systematische Übersicht fand keinen klaren Effekt von Vitamin-C-Supplementen auf Endpunkte wie Totgeburt, Geburtsgewicht, Wachstumsrückstand, Frühgeburt und Präeklampsie. Eine positive Auswirkung auf die Prävention von vorzeitiger Plazentalösung und vorzeitigem Blasensprung ist möglicherweise vorhanden, müsste aber weiter untersucht werden.
Vitamin E
Eine systematische Übersicht fand keine Evidenz für den Nutzen von Vitamin-E-Supplementen zur Prävention von Totgeburten, Frühgeburten, Säuglingstod, Präeklampsie, vorzeitigem Blasensprung oder intrauteriner Wachstumsretardierung.
Vitamin A
Vitamin A kann teratogene Wirkungen haben. Vitaminpräparate, die Vitamin A enthalten, sollen während der Schwangerschaft vermieden werden.
Eisen
Eine Anämie in der Schwangerschaft wird mit erhöhten Risiken von mütterlicher und kindlicher Mortalität und von Infekten in Verbindung gebracht. Das «National Institute for Health and Care Excellence» (NICE) empfiehlt ein Screening für alle schwangeren Frauen und, bei gegebener Indikation, die Verabreichung von Eisenpräparaten.
Multivitamine
Die meisten Studien zu Multivitaminpräpaten wurden in Ländern mit geringem Einkommen durchgeführt. Die Resultate können daher nicht direkt auf Länder mit hohem Einkommen übertragen werden.
Schlussfolgerungen
Die Schlussfolgerungen im «Drug and Therapeutics Bulletin» lauten, dass die für Schwangere beworbenen Präparate mit Multivitaminen und Mineralstoffen in den meisten Fällen überflüssig sind. Die einzigen für alle Schwangeren empfohlenen Vitamine (Folsäure und Vitamin D) sind als günstige Monopräparate erhältlich. Für andere Vitaminsupplemente findet sich keine Evidenz, dass bei den meisten ausgewogen ernährten Frauen eine klare Verbesserung von klinischem Belang erreicht würde.
Auch die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt Schwangeren die Einnahme von Folsäure in Form von Tabletten (täglich 400 mcg Folsäure zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung), beginnend vor der Schwangerschaft und bis mindestens zur 12. Schwangerschaftswoche (3). Da eine Unterversorgung mit Vitamin D auch in der Schweiz weit verbreitet ist, rät die SGE, während der gesamten Schwangerschaft täglich 15 mcg (600 IE) Vitamin D in Form von Tropfen einzunehmen. Die Substitution von Eisen wird von der SGE nicht generell empfohlen, sondern soll bei Bedarf von der Frauenärztin oder dem Frauenarzt verschreiben werden.
Zusammengefasst und ergänzt von Natalie Marty
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