Pharmakokinetische Veränderungen in der Schwangerschaft
- Autor(en): Urspeter Masche
- pharma-kritik-Jahrgang 32
, Nummer 16/17, PK819
Redaktionsschluss: 21. Juni 2011
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2010.819 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Frauen, die während einer Schwangerschaft keinerlei Medikamente verwenden, bilden eher die Ausnahme. Trotz grundsätzlicher Bedenken sieht man sich häufig veranlasst, in der Schwangerschaft Medikamente zu verschreiben. In erster Linie handelt es sich um die Behandlung von Schwangerschaftsbeschwerden oder -komplikationen. Es können jedoch auch andere Probleme oder chronische Erkrankungen vorliegen, die sowohl um der Gesundheit der Mutter als auch um der des Kindes willen eine längerfristige medikamentöse Therapie erfordern. So erhöhen ungenügend behandelte Erkrankungen wie ein Diabetes mellitus, eine Epilepsie oder eine Depression das Risiko von Schwangerschaftskomplikationen. Die schädigenden Effekte, die eine Substanz auf den Embryo oder Fetus ausüben könnte, stehen dabei im Zentrum der Erwägungen. Tabelle 1 vermittelt einen Überblick, welche Medikamente in der Schwangerschaft am häufigsten gebraucht werden.(1-3)
Eine Schwangerschaft geht mit erheblichen physiologischen Veränderungen einher, die sich auf Resorption, Verteilung, Metabolismus und Elimination von Medikamenten auswirken. Zudem entsteht mit der sogenannten feto-plazentaren Einheit ein zusätzlicher Verteilungsraum.(4) Der vorliegende Artikel befasst sich in einem ersten allgemeinen Teil mit diesen schwangerschaftsbedingten Veränderungen und ihren grundsätzlichen Folgen für die Pharmakokinetik und geht im zweiten Teil auf einzelne Medikamentengruppen ein, bei denen zum Teil entsprechende In-vivo-Daten vorhanden sind.
Schwangerschaftsbedingte pharmakokinetische Veränderungen
Resorption
In der Schwangerschaft verlangsamt sich die gastrointestinale Motilität bzw. die Magen-Darm-Passage. Ein wichtiger Grund ist die zusätzliche Bildung von Progesteron, das auf die glatte Muskulatur relaxierend wirkt. Bei Substanzen, die rasch aufgenommen werden, kann dies die Resorption verzögern und die Plasma-Spitzenkonzentration vermindern; bei solchen, die langsam aufgenommen werden, kann sich die Resorption dagegen verbessern, da mehr Zeit für den Absorptionsprozess zur Verfügung steht.
Infolge einer verminderten Säuresekretion im Magen steigt der pH-Wert, was den Ionisierungsgrad von schwachen Säuren und Basen verändern und deren Resorption beeinflussen kann.
Wegen des vergrösserten Herzminutenvolumens, der Hyperventilation und der vermehrten Gewebedurchblutung ist damit zu rechnen, dass die Resorption bei inhalierten sowie subkutan, intramuskulär und transdermal verabreichten Medikamenten zunimmt.(5-7)
Ob der Einfluss dieser physiologischen Veränderungen nicht nur von theoretischem Interesse ist, sondern auch praktische Relevanz besitzt, ist kaum erforscht.(8)
Verteilung
In der Schwangerschaft nimmt der gesamte Wassergehalt um bis zu 8 Liter zu, wovon sich 60% auf Plazenta, Fetus und Amnionflüssigkeit verteilen. Die restlichen 40% tragen zur Vergrösserung des mütterlichen Plasmavolumens und der Extrazellulärflüssigkeit bei. Die Expansion des Plasmavolumens führt zu einer Verdünnung, die sich bei wenig eiweissgebundenen Medikamenten direkt, bei stark eiweissgebundenen indirekt über eine Abnahme der Transportproteine äussert. Zum Beispiel nimmt die Albumin-Konzentration bis zur Geburt um 20 bis 40% ab. Dadurch sinkt die Gesamtkonzentration von eiweissgebundenen Medikamenten; die Konzentration an ungebundener, pharmakologisch aktiver Substanz nimmt dagegen nicht ab, sondern vorübergehend eher zu, umso mehr als Medikamente auch vermehrt durch endogene Stoffe von den Eiweiss-Bindungsstellen verdrängt werden. Allerdings ist letztlich auch beim ungebundenen Medikamentenanteil mit einer Konzentrationsabnahme zu rechnen, wenn der Verdünnungseffekt spielt oder ein beschleunigter Abbau stattfindet. Ebenso vergrössern sich in der Schwangerschaft die Fettdepots um 3 bis 4 kg, was bei lipophilen Stoffen zu einer Zunahme des Verteilungsvolumens und einer Verlangsamung der Elimination führt.(3,6)
Metabolismus und Elimination
Durch die Schwangerschaft verändern sich verschiedene Komponenten, welche die hepatische Clearance einer Substanz bestimmen. So nimmt der Blutfluss in der Leber zu, was sich vor allem auf Substanzen mit einer hohen hepatischen Extraktionsfraktion wie zum Beispiel Morphin oder Nikotin auswirkt, indem die Clearance um 60 bis 70% zunimmt. Die erniedrigte Proteinbindung und der dadurch erhöhte Anteil an ungebundener Substanz führt unmittelbar zu einem verstärkten Abbau vor allem von Medikamenten mit einer niedrigen Extraktionsfraktion, was zum Beispiel die verstärkte Clearance von Valproinsäure (Depakine® u.a.) erklärt. Beim Metabolismus ist zu berücksichtigen, dass die Aktivität der Leberenzyme zu- oder abnehmen kann, wobei die Mehrheit der Zytochrom-P450-Isoenzyme (CYP) und Glukuronyltransferasen (UGT) durch die vermehrten Geschlechtshormone induziert werden;(1,5) Details sind in der Tabelle 2 zusammengestellt.
Weil in der Schwangerschaft auch der Blutfluss in den Nieren und damit die glomeruläre Filtrationsrate steigen, nimmt die Ausscheidung von Medikamenten mit einer hohen renalen Clearance zu (z.B. bei Penicillinen oder Lithium), so dass unter Umständen vermehrte Kontrollen der Plasmakonzentration nötig sind. Begünstigt wird eine Zunahme der Filtration ausserdem durch den Anstieg der freien Fraktion bei stark proteingebundenen Substanzen.
Feto-plazentare Einheit
Mit Plazenta und Fetus werden in der Schwangerschaft zusätzliche Kompartimente aufgebaut – mit dem Begriff der feto-plazentaren Einheit zusammengefasst –, welche die Pharmakokinetik von Medikamenten beeinflussen können. Viele Substanzen treten durch passive Diffusion vom mütterlichen in den fetalen Blutkreislauf über. Eiweissgebundene Medikamente und solche mit grosser Molekularmasse (Heparin, Insulin) vermögen die Plazenta nicht oder kaum zu passieren. Daneben existieren auch aktive Transportmechanismen; so findet man in der Plazenta eine starke Expression von sogenannten ABC-Effluxtransportern wie zum Beispiel dem P-Glykoprotein (ABC steht für «ATP binding cassette» und beschreibt, dass diese Transportproteine mit Hilfe von ATP Stoffe von intra- nach extrazelluär verschieben). Unterschiede beim pH-Wert und der Eiweissbindung können ebenfalls dazu beitragen, dass zwischen mütterlichem und fetalem Kompartiment verschiedene Konzentrationen herrschen.
Die Plazenta ist in beschränktem Umfang Stoffwechselorgan, da sie über Enzyme verfügt (z.B. CYP1A1), die sich am Abbau von Medikamenten beteiligen. Beim Feten finden ebenfalls Verteilungs- und Eliminationsvorgänge statt. Die abbauenden Enzyme sind indessen noch nicht ausgereift und zeigen im Allgemeinen eine geringere Aktivität als bei der Mutter. Ein grosser Teil der Elimination läuft über eine Rückdiffusion in den mütterlichen Kreislauf, zum Teil ebenfalls als aktiver Prozess über Transportproteine.(5,9)
Auswirkungen auf spezifische Substanzgruppen
Antiepileptika
Bei schwangeren Frauen, die wegen einer Epilepsie oder einer psychiatrischen Erkrankung mit Antiepileptika behandelt werden, muss man immer versuchen, eine optimale Balance zu finden: einerseits bedeutet die Grundkrankheit sowohl für die Mutter wie für das Kind ein erhöhtes Risiko; andererseits können die meisten Antiepileptika Missbildungen hervorrufen, das intrauterine Wachstum verzögern und zum Teil die nachgeburtliche Entwicklung verzögern.
Antiepileptika zählen zu den Medikamenten, bei denen die Pharmakokinetik in der Schwangerschaft am eingehendsten untersucht worden ist. Als Faustregel gilt, dass die Gesamt-Plasmakonzentrationen der Antiepileptika mit zunehmender Schwangerschaftsdauer abnehmen, was auf eine verminderte Konzentration der Bindungsproteine und verstärkte Clearance zurückzuführen ist. Am besten belegt sind die Veränderungen bei Phenytoin (Phenhydan® u.a.) und bei Lamotrigin (Lamictal® u.a.), während sie bei anderen Substanzen weniger klar oder gar widersprüchlich sind; sehr lückenhaft ist das Wissen bei der Mehrheit der neueren Antiepileptika. Details zu den einzelnen Substanzen und den pharmakokinetischen Veränderungen finden sich in Tabelle 3.
Regelmässige Messungen der Plasmakonzentration («Therapeutic Drug Monitoring») während der Schwangerschaft werden von den Fachleuten bei denjenigen Antiepileptika empfohlen, bei denen eine ausgeprägte Konzentrationsabnahme erwartet wird (z.B. Lamotrigin). Dass ein «Therapeutic Drug Monitoring» generell bei allen Antiepileptika in der Schwangerschaft nötig sei, wird jedoch verneint. Auch ausserhalb einer Schwangerschaft misst man der Therapiekontrolle mit Plasmakonzentrations-Bestimmungen geringere Bedeutung zu als früher. Die als therapeutisch bezeichneten Plasmakonzentrationen beruhen nämlich kaum auf systematischen Untersuchungen, sondern reflektieren hauptsächlich die Streubreite in einer mit den üblichen Dosen behandelten Population. Eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung fehlt meist, und es gibt grosse Variationen beim individuellen Ansprechen; so gibt es Epilepsiekranke, bei denen eine Anfallskontrolle bereits unterhalb, und solche, bei denen sie erst oberhalb der als therapeutisch bezeichneten Konzentration gelingt. Zudem sind für Schwangere keine therapeutischen Bereiche festgelegt. Von untergeordnetem Wert bleiben Plasmakonzentrations-Bestimmungen, wenn aktive, für die Wirkung mitverantwortliche Metaboliten gebildet werden. Es liess sich bislang nicht zeigen, dass wiederholte Antiepileptikaspiegel-Messungen in der Schwangerschaft die Anfallskontrolle verbessern. Rein auf Plasmakonzentrationen basierende Dosissteigerungen bergen die Gefahr, dass der Fetus einer erhöhten Medikamentenmenge ausgesetzt wird, ohne dass die Behandlung der mütterlichen Grundkrankheit verbessert würde. Sinnvoller erscheint es, wenn man Dosisanpassungen gemäss der klinischen Beobachtung vornimmt. Hilfreich kann auch sein, wenn man Plasmakonzentrationen aus Zeiten mit einer guten Anfallskontrolle zur Verfügung hat, so dass man einen individuellen therapeutischen Bereich festlegen kann, an dem man sich in der Schwangerschaft orientieren kann. Wegen der veränderten Eiweissbindung sollte man wenn immer möglich die Konzentration des freien Anteils messen; besonders gilt das für Antiepileptika mit hoher Eiweissbindung wie Phenytoin oder Valproinsäure.(10-12)
Psychopharmaka
Die Pharmakokinetik von Psychopharmaka in der Schwangerschaft ist wenig untersucht. Bei den Antidepressiva gibt es Daten zu Citalopram (Seropram® u.a.) und Fluoxetin (Fluctine® u.a.); bei diesen beiden Medikamenten liess sich nachweisen, dass das Verhältnis von Hauptmetabolit zu Muttersubstanz ansteigt, was auf einen beschleunigten Abbau schliessen lässt.(13) Keine näheren Angaben lassen sich zu Neuroleptika finden. CYP2D6 spielt eine zentrale Rolle beim Metabolismus von vielen Antidepressiva und Neuroleptika. Da es in der Schwangerschaft vermehrt exprimiert wird, ist davon auszugehen, dass Antidepressiva- und Neuroleptika-Konzentrationen in der Schwangerschaft tendenziell absinken. Eine Ausnahme scheinen schwangere Frauen mit fehlender oder verminderter CYP2D6-Aktivität zu sein («poor metabolizers»), bei denen entsprechende Substrate – aus nicht ganz klaren Gründen – in ihrer Konzentration eher ansteigen (wie es am Beispiel von Paroxetin [Deroxat® u.a.] gezeigt wurde).(14)
Lithium wird unverändert über die Nieren ausgeschieden, was in der Schwangerschaft eine verstärkte Elimination erwarten lässt.(15) Deshalb soll die Lithiumkonzentration während der Schwangerschaft und um die Geburt engmaschig kontrolliert werden.
Antihypertensiva und Antiarrhythmika
Für diese Medikamentengruppe gibt es ebenfalls wenig schwangerschaftsspezifische Kinetik-Daten. Bei Methyldopa (Aldomet®) dürfte der renal ausgeschiedene Teil in der Schwangerschaft zunehmen; trotzdem ist erfahrungsgemäss keine Dosisanpassung nötig, vermutlich weil keine direkte Beziehung zwischen Plasmakonzentration und blutdrucksenkender Wirkung existiert. Labetalol (Trandate®) wird über das Isoenzym UGT1A1 glukuronidiert und rascher abgebaut, was unter Umständen eine Dosiserhöhung erfordert, um zur gewünschten Blutdrucksenkung zu gelangen. Auch bei Nifedipin (Adalat® u.a.) nimmt die Biotransformation in der Schwangerschaft zu. Es wird durch CYP3A4 abgebaut und ist eine Substanz mit einer hohen hepatischen Extraktionsrate, was in der Schwangerschaft zu einer zusätzlichen Beschleunigung der Elimination führt.(16)
Antibiotika
Die meisten Betalaktam-Antibiotika sind hydrophil und passieren die Plazenta rasch. Sie werden über die Nieren ausgeschieden, so dass ihre Elimination in der Schwangerschaft in der Regel beschleunigt ist, was zu einer verminderten Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC) führen kann. Eine Ausnahme bildet offenbar das Drittgenerations-Cephalosporin Ceftriaxon (Rocephin® u.a.), bei dem man in der Schwangerschaft keine Veränderungen der Plasmakonzentration gemessen hat.(5,15)
Antimalariamittel
Weil eine Malaria-Erkrankung in der Schwangerschaft eine besondere Gefahr darstellt, sollte eine Prophylaxe durchgeführt werden, wenn eine Reise in ein Risikogebiet unumgänglich ist. Chloroquin (Nivaquine® u.a.), in der Schwangerschaft einst das Antimalariamittel der Wahl, kann wegen der weit verbreiteten Resistenz nur noch ausnahmsweise eingesetzt werden. Seinen Platz hat Mefloquin (Lariam® u.a.) eingenommen – wobei es Fachleute gibt, die von der Verwendung im ersten Trimenon abraten.(17) Mefloquin ist auch die Substanz, zu der am meisten schwangerschaftsspezifische pharmakokinetische Daten vorliegen; sie zeigen, dass Clearance und Verteilungsvolumen zunehmen und die Plasmakonzentration abnimmt. Die Kombination von Atovaquon/Proguanil (Malarone®) sollte nur bei fehlender Alternative eingesetzt werden. Auch bei diesem Präparat ist mit einem Absinken der Plasmakonzentration zu rechnen.(18,19)
HIV-Medikamente
Mit einer antiretroviralen Therapie in der Schwangerschaft soll die mütterliche Infektion behandelt und eine Übertragung aufs Kind verhindert werden. Zidovudin (Retrovir®) steht bei einer HIV-Infektion in der Schwangerschaft im Vordergrund, auch weil es sich gut als Prophylaxe gegen eine vertikale Übertragung eignet. Es wird in der Leber glukuronidiert und in der Schwangerschaft rascher abgebaut. Da Zidovudin aber wie alle Nukleosidanaloga ein «Prodrug» ist, das erst intrazellulär in die aktive Form überführt wird – durch ein Enzym, das bereits bei niedriger Substratkonzentration gesättigt ist –, kann man nicht von einem direkten Zusammenhang zwischen Plasmakonzentration und klinischer Wirkung ausgehen. Deshalb wird keine Dosisanpassung empfohlen. Lamivudin (3TC® u.a.) ist in der Schwangerschaft das am zweithäufigsten eingesetzte HIV-Medikament und bildet zusammen mit Zidovudin das Rückgrat einer antiretroviralen Kombinationsbehandlung. Es wird unverändert über die Nieren ausgeschieden, wobei bislang keine schwangerschaftsbedingte Veränderung beobachtet wurde. Andere Nukleosid- und Nukleotid-Analoga, die in der Schwangerschaft eingesetzt werden können, sind Emtricitabin (Emtriva®) und Tenofovir (Viread®). Beide werden renal eliminiert. Daten zur Pharmakokinetik in der Schwangerschaft liegen nicht vor.
Wenn diese Nukleosid- und Nukleotid-Analoga zu einer Dreierkombination ergänzt werden, wählt man in der Schwangerschaft vor allem Nevirapin (Viramune®), einen nicht-nukleosidischen «Reverse-Transcriptase»-Hemmer (NNRTI). Die Nevirapin-Pharmakokinetik scheint in der Schwangerschaft nicht wesentlich verändert zu sein, so dass keine Dosisänderung angeregt wird. Efavirenz (Stocrin®), ein anderer NNRTI, wird als Alternative zu Nevirapin angegeben (sollte aber, da es möglicherweise ein teratogenes Potential besitzt, im ersten Trimenon vermieden werden). Es wird über verschiedene Zytochrome abgebaut. Die Pharmakokinetik in der Schwangerschaft ist nicht untersucht.(20,21)
Kortikosteroide
Bei den Kortikosteroiden ist die Pharmakokinetik in der Schwangerschaft kaum untersucht. Kortikosteroide werden im Blut an Eiweisse gebunden, in erster Linie an das Transcortin (Kortisol-bindendes Globulin), zum Teil auch an Albumin. Während sich die Konzentration von Albumin in der Schwangerschaft vermindert, nimmt diejenige von Transcortin infolge einer gesteigerten Synthese in der Leber zu. Zusammen mit der vermehrten Aktivität von CYP3A4, das die meisten Kortikosteroide abzubauen hilft, führt dies vermutlich zu einer verstärkten Clearance, wie es sich im Falle von Betamethason zeigen liess.(22)
Thyreostatika
Thyreostatika werden bei der Behandlung einer Hyperthyreose in der Schwangerschaft benötigt. Propylthiouracil (Propycil®) wurde dabei lange als die Substanz propagiert, die am wenigsten Risiken für das Kind enthalte; allerdings basiert diese Aussage nicht auf fundierten Daten, so dass heute auch eine Behandlung mit Carbimazol (Néo-Mercazole®) akzeptiert werden kann. Die Plasmakonzentrationen von Thyreostatika scheinen in der Schwangerschaft vermindert zu sein, was sich zum Beispiel durch einen verstärkten hepatischen Metabolismus erklären lässt. Da die Dosis aber ohnehin dem klinischen und biochemischen Ansprechen angepasst wird, haben schwangerschaftsbedingte Veränderungen keine praktische Konsequenz.(23)
Schlussfolgerungen
Eine Schwangerschaft führt zu mannigfachen Veränderungen, die sich auf die Pharmakokinetik von Medikamenten auswirken können. In der Regel lässt sich davon ausgehen, dass die Medikamentenkonzentrationen in der Schwangerschaft abnehmen. Dies kann eine Rolle spielen bei chronischen oder bei infektiösen Erkrankungen, wenn ein Zusammenhang besteht zwischen Höhe der Plasmakonzentration und Therapieerfolg.
Wie sich die Pharmakokinetik in der Schwangerschaft verändert, ist bei den wenigsten Substanzen im Detail untersucht, und es existieren keine Richtlinien oder Referenzwerte, nach denen man die Dosierungen anpassen kann. Meistens muss man sich damit begnügen, rein mechanistisch anhand der pharmakokinetischen Kenndaten abzuschätzen, wie es sich mit einer spezifischen Substanz in der Schwangerschaft verhalten wird. Man sollte jedoch nicht in Erwartung einer Plasmakonzentrations-Veränderung bereits vorgängig eine Dosissteigerung einleiten, weil dies unter Umständen ohne Nutzen für die Mutter bleibt und nur die Exposition beim Kind erhöht; vielmehr sollte der klinische Zustand der Mutter als Basis für Dosisanpassungen fungieren, allenfalls mit ergänzenden Informationen durch Plasmakonzentrations-Bestimmungen oder andere Laborwerte. Für einzelne Substanzen sind routinemässige Plasmakonzentrations-Messungen empfohlen: dazu gehören Lithium (wegen der schmalen therapeutischen Breite) und Lamotrigin (bei dem mit einem sehr ausgeprägten Absinken der Plasmakonzentration zu rechnen ist).
Literatur
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